E-Health Konkret

Projektmanagement in Krisenzeiten

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Die Durchführung eines Projekts während einer Krisensituation ist in der Regel mit Komplexität und Unberechenbarkeit verbunden. Dies gilt umso mehr, wenn das Projekt auf nationaler Ebene relevant ist und potenzielle Auswirkungen auf die allgemeine Bevölkerung hat. Für ein Projekt in diesem Kontext ist ausser gutem Willen, grosser Tatkraft und Idealismus ein dediziertes und massgeschneidertes Projektmanagement ein Schlüssel zum Erfolg.

Als Beispiel für massgeschneidertes Projektmanagement dient das "reMask"-Konsortium, das mit beteiligten Organisationen aus Forschung und Entwicklung, Industrie, Verwaltung und dem Gesundheitswesen, mit Personen unterschiedlicher Ausbildungen und Erfahrungen sowie verschiedener Sprachen, aber einem gemeinsamen Interesse am 24. März 2020 gegründet wurde. Eine zusätzliche Herausforderung war der unbekannte und sich laufend verändernde Leistungsauftrag des Gremiums in der für die Schweiz unbekannten Lage "Coronakrise". Das Ziel von "reMask" war die Unterstützung der Schweizer Behörden, Spitäler und der Industrie bei der Versorgung des medizinischen Fachpersonals und der Bevölkerung mit Masken von genügender Qualität während der Coronakrise. Die Tätigkeiten konzentrierten sich auf die folgenden Aufgaben:

  • Die Verarbeitung wissenschaftlicher Daten, um die optimalen Bedingungen für das Tragen der Masken vom Gesundheitspersonal wie auch in der Öffentlichkeit zu definieren.

  • Die Festlegung nationaler Strukturen und Verfahren, mit ­denen die Qualität der Masken, sowohl der importierten als auch der in der Schweiz neu produzierten, gemessen und ­berichtet werden kann.

  • Die Bereitstellung eines Notfallplans für den Fall eines ­Maskenmangels für medizinisches Fachpersonal, der es ermöglicht, die bestehenden Masken mit minimalem Risiko wiederzuverwenden.

  • Die Unterstützung der Schweizer Industrie bei der Herstellung von Masken zum Schutz gegen das neue Coronavirus mit überprüfbaren Qualitätsempfehlungen.

Um diese Ziele zu erreichen war die Koordination und enge Zusammenarbeit von Schlüsselakteuren aus den Bereichen Forschung, Medizin und Industrie sowie der Schweizer Behörden eine Grundvoraussetzung.

Das "reMask"-Konsortium setzte sich mit Vertreterinnen und Vertretern hochspezialisierter Organisationen zusammen: Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA), Eidgenössische Technische Hochschule in Lausanne (EPFL) und Zürich (ETH Zürich), Universitätsspitäler Basel, Genf und Zürich, Indema AG, Kantonsspital Winterthur, Labor Spiez, Regio 144 AG, Schutz & Rettung Zürich, Schweizer Armee (Armeestab, Sanität), Schweizerische Gesellschaft für Sterilgutversorgung, Sitem-Insel, Unisanté, Universität Bern, Walliser Spital (HVS) und die Industrie mit über 20 Personen im Kernteam. Über 100 Personen waren im Konsortium aktiv und zusätzlich haben sich rund 200 Firmen beteiligt.

Faktoren für die erfolgreiche Projektdurchführung

Der Schlüssel zum Erfolg bestand darin, dass alle für die Erreichung der Ziele relevanten Stellen durch Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet vertreten waren. Um zu verhindern, dass die Arbeit behindert und die Erreichung der Ziele gefährdet wird, war es notwendig, alle Schlüsselakteure und externen Stakeholder zu identifizieren, sich mit ihnen abzustimmen und sie in das Projekt einzubinden. Für jede Aufgabe im Vorhaben "reMask" wurde ein Entwickler oder Wissenschaftler, Anwender, Mediziner sowie ein Ingenieur, Industrieller und verantwortlicher Infektiologe bestimmt. Die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Personen und Rollen war unter anderem derart zielorientiert und erfolgreich, weil dies durch das Projektmanagement stark unterstützt wurde. Das Projektmanagement diente als unabhängige Schnittstelle zwischen den Experten.

Es wurden klare und gemeinsam formulierte Ziele definiert, transparent kommuniziert und realisiert. Die Definition von Zielsetzungen mit angestrebten Ergebnissen wurde an die sogenannte "Objective Key-Results (OKR)"-Methode angelehnt. Die OKR-Methode führt zu klaren Rahmenbedingungen und Vorgaben, einer klaren Strukturierung der Arbeit mit Teilprojekten, definierten Verantwortlichkeiten (administrative und fachliche) und damit zu Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit.

Für eine strukturierte Projektarbeit ist die Durchführung von regelmässigen Plenumssitzungen, in denen sich jeder einbringen kann, die aber gut vorbereitet und stringent durchgeführt werden, unerlässlich. Der letzte Punkt ist umso wichtiger, wenn die Sitzungen aus der Ferne organisiert und gehalten werden, was aufgrund der Coronakrise eine Rahmenbedingung war, die nicht geändert werden konnte. Ohne eine vorgegebene Struktur führt erfahrungsgemäss eine Tele-Sitzung, in der so viele leidenschaftliche, oft aber auch divergierende Interessen vertreten werden, bestenfalls zu einer endlosen Sitzung, schlimmstenfalls zu einer freudigen Kakophonie. Dies kann aber vermieden werden.

  • Die Plenumssitzungen finden auf wöchentlicher Basis statt und alle Projektbeteiligten sind dafür besorgt, dass sie selbst oder durch eine Stellvertretung an der Sitzung beteiligt sind. Alle Teilnehmer sind vorbereitet.

  • Die Agenda für jede Sitzung wird im Vorfeld festgelegt und ­allen Sitzungsteilnehmern vorab mitgeteilt.

  • Die Besprechungszeit für jedes Thema ist auf der Agenda festgelegt und begrenzt. Nur relevante und im Vorfeld gemeldete und festgelegte Themen werden am Termin besprochen. Darüber hinaus notwendige Diskussionen werden gleich im Anschluss an die Sitzung oder im bilateralen Gespräch geführt.

  • Die Diskussionen in den Plenumssitzungen müssen zu konkreten Aufgaben führen, deren Verantwortlichkeiten am Ende der Sitzung definiert und vereinbart sind.

  • Obwohl es technisch möglich wäre, ist es aus Datenschutzgründen und im Interesse der Effizienz nicht wünschenswert, die Tele-Sitzung aufzuzeichnen. Ein vollständiges und verdichtetes Protokoll, das auf traditionelle Weise nach der Sitzung übermittelt und von allen Personen abgenommen wird, schont die Ressourcen aller Projektbeteiligten und ist in vielen Fällen zielführender.

Diese Anforderungen gelten für alle Projekte. Tatsächlich verlangen Vorhaben unterschiedlicher Grösse und unterschiedlicher Komplexität nach individuellen Methoden und Instrumenten, damit eine effiziente und erfolgreiche Projektabwicklung möglich ist. Insbesondere in der aktuellen Zeit, wo physische Treffen und die persönliche Zusammenarbeit schwer oder gar nicht möglich sind, ist eine regelmässige, offene und klare Kommunikation ein entscheidender Erfolgsfaktor. Dies insbesondere auch, wenn die Projektsprache wie bei "reMask" nicht die Muttersprache, sondern Englisch ist.

Traditionelle und digitale Hilfsmittel nutzen

Digitale Werkzeuge bieten neben der Möglichkeit für Tele-Sitzungen noch weitere Hilfsmittel. Die durch die Situation erzwungene Tele-Arbeit ist auch eine Gelegenheit, neue digitale Hilfsmittel und Methoden zu verwenden, die zu der erforderlichen hohen Effizienz führen. Tatsächlich sind heute eine offene Kommunikation und ein gemeinsamer Wissensspeicher durch die Verwendung neuer Technologien für das Teilen von Informationen, Dokumenten und Dateien möglich. So kann jedes Dokument während der Sitzung gemeinsam bearbeitet und genutzt werden und danach, trotz des im Laufe der Zeit zunehmenden Umfangs an Informationen und Dokumenten, von jedem und überall gefunden werden. Auch im Nachgang zu einer Sitzung kann online die Diskussion zu einem Thema zielgerecht fortgesetzt und für alle transparent geführt werden.

Die aktuelle Krise ist eine Chance, das volle Potenzial der verfügbaren Technologien in die Praxis einzuführen und gleichzeitig die Methoden anzupassen, um die Projektarbeit effektiver und effizienter zu gestalten. Das Auslagern der Projektmanagement-Tätigkeiten auf eine zentrale Stelle hat zu geringerem Abstimmungsaufwand und besserer Koordination der einzelnen Projektpartner (nur Teilnahme an Plenumssitzung) sowie zu einer hohen Qualität und guter Performance (Erarbeitung zahlreicher Lieferergebnisse innert kürzester Zeit) geführt. Neben den durch das Projektmanagement geschaffenen Rahmenbedingungen war das gemeinsam angestrebte Ziel und der dafür unermüdlich geleistete Arbeitseinsatz der Experten und aller Beteiligter ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Konsortiums "reMask".

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