Die Beschaffung von Informationstechnologie in Pandemiezeiten
Die Beschaffung von Informationstechnologie steht am Anfang der Wertschöpfungskette und nimmt eine zentrale strategische Rolle ein. Gerade in Krisenzeiten ist eine funktionierende IT-Infrastruktur systemrelevant für Unternehmen, damit diese ihre Marktchancen überhaupt nutzen können. IT- und Beschaffungsprofis müssen zusammenspannen und sich auch im Vertragsrecht auskennen, um Risiken zu minimieren.
Covid-19 hat aufgezeigt, wie fragil unser Wirtschaftssystem ist. Das Virus macht die Erfüllung vertraglicher Pflichten für Unternehmen zur Herausforderung. Die Pandemie und daraus resultierende Auswirkungen, gerade auch behördlich angeordnete Massnahmen, haben selbstredend einen grossen Einfluss – auch auf die Beschaffung von Informationstechnologie. Deren Verfügbarkeit ist "systemrelevant", denn ohne sie würden zahlreiche Prozesse im Unternehmen nicht mehr möglich sein. Die vergangenen Monate haben nun gezeigt, dass ausverkaufte Hardware oder mehrmonatige Lieferverzögerungen bei bestellter Ware längst keine "Black Swan"-Szenarien mehr darstellen.
Generell ist zu beobachten, dass sowohl Unternehmen als auch Lieferanten der Not gehorchend ihre Lager ausbauen und bei neuen Beschaffungen wieder vermehrt auf geografisch näherliegende Lieferanten setzen – in der Hoffnung, ihre Beschaffungsrisiken künftig damit zu minimieren. Was aber ist zu tun, wenn die vor Monaten im Ausland bestellte und schon bezahlte Ware aufgrund von insolventen Lieferanten oder blockierten Lieferketten noch immer nicht eingetroffen ist, wenn Einreisesperren eine Dienstleistung des Lieferanten vor Ort verunmöglichen – und genau dies dazu führt, dass die eigene Unternehmensexistenz auf dem Spiel steht?
Hier sind Beschaffungsprofis, IT- und Rechtsspezialisten der Unternehmen gefordert, mit den Vertragspartnern eine Lösung zu finden. Denn neue, der ausserordentlichen Situation angepasste Regelungen auf kantonaler oder Bundesebene, welche die aufgeworfenen Fragen abschliessend beantworten könnten, existieren noch nicht. Man scheint sich aber auf juristischer Ebene mittlerweile einig zu sein, dass Covid-19 einen Fall von höherer Gewalt darstellt. Nehmen Sie also Ihre Verträge in die Hand und prüfen Sie nach, was für den Fall des Eintretens einer höheren Gewalt vorgesehen ist. Gerade Verträge mit internationalen Lieferantenpartnern enthalten hierzu meist sogenannte "force majeure"-Klauseln, welche die Vertragserfüllung bei Ereignissen thematisieren, die gemeinhin als unvorhersehbar, unvermeidbar und unüberwindbar qualifiziert werden und die dazu führen, dass eine vereinbarte Leistung nicht erbracht werden kann (obwohl das möglich wäre, würden es die äusseren Umstände zulassen). Der Sinn dieser Klauseln besteht unter anderem auch darin, dass Parteien in so einem Fall gegenseitig nicht schadenersatzpflichtig werden. Die Krux hierbei ist, dass solche Klauseln oft missverständlich verfasst sind oder Covid-19 nicht namentlich als Ereignis "höherer Gewalt" aufgeführt wird.
Noch komplexer sind die Beschaffungsverfahren für Unternehmen der öffentlichen Hand geregelt. Rechtliche Vorgaben bestimmen praktisch jeden Arbeitsschritt und die hierzulande geltenden Submissionsvorschriften müssen bei einer Lösungsfindung unbedingt miteinbezogen werden. Diese gehen auf "unvorhersehbare Ereignisse" ein – obwohl der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung sicherlich nicht an eine mögliche Pandemie aktuellen Ausmasses gedacht hat. In diesen Vorschriften ist zwar aufgeführt, dass "Aufträge" weitervergeben werden können, wenn aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse eine Beschaffung so dringlich wird, dass kein offenes, selektives oder Einladungsverfahren mehr durchgeführt werden kann. Bei konkreten Einsprachen wäre es aber an einem Gericht, festzulegen, ob diese Regelungen dafür verwendet werden können, um solche Fragen zu klären. Deshalb gilt auch im Bereich der "öffentlichen Beschaffung" die Empfehlung, sich vertraglich möglichst gut und vor allem präzise ausformuliert abzusichern.