Die Welt zwischen verlockender Einfachheit und drohender Abhängigkeit
Am Swiss Payment Forum von Vereon haben Schweizer und europäische Akteure gezeigt, was im Payment-Markt ansteht. Die Keynotes gaben Tipps für mehr Selbstdisziplin und regten an, unser Verhältnis zum Smartphone zu überdenken.
Im Zürcher Marriott Hotel ist am 9. und 10. November das Swiss Payment Forum über die Bühne gegangen. Es sei ungewöhnlich, in einen "Saal voller Technik anstatt voller Publikum" zu blicken, begrüsste Vereon-Geschäftsführer Johannes von Mulert die 120 Zuschauer, die den Anlass virtuell verfolgten. Neben dem Livestream hatte Vereon auch eine virtuelle Networking Lounge aufgeschaltet, wo sich Teilnehmer austauschen konnten. Das Feedback sei durchweg positiv gewesen, schreiben die Organisatoren.
Schneller, einfacher und vielseitiger
Instant Payment werde in Europa zum "New Normal", verkündete Fabian Meyer, Schweizer Managing Director von Core, in seinem Referat. Er zitierte ein Strategiepapier der EU-Kommission. Demnach soll jede Transaktion grundsätzlich instant und ohne entsprechende Zuschläge erfolgen. Die Schweiz tue gut daran, sich in die Entwicklung einzuschalten und etwa den Ebill-Standard mit dem europäischen System kompatibel zu machen.
Eine Lösung, um mit der eigenen Kreditkarte nicht nur Geld auszugeben, sondern auch zu empfangen, entwickelt Swiss Bankers mit der "Mastercard Send" App. Dies sei insbesondere für Leute interessant, die Geld in ein Land ausserhalb Europas schicken wollten, sagte CEO Hans-Jörg Widiger. Zum Start seien Transaktionen in 27 Länder möglich – besonders oft senden Schweizer Geld nach Serbien oder in den Kosovo.
Weniger tippen, mehr tappen
Schweizer zahlen zunehmend kontaktlos. Die Pandemie hat das Verhalten gepusht, und der Trend dürfte anhalten, sagte Tobias Trütsch von der Universität St.Gallen. Bargeld als Zahlungsmittel sei aber nach wie vor beliebt, und meistens sei die Verschiebung von regulärem Kreditkartengebrauch hin zu kontaktlos.
Ein Plädoyer für NFC-Tags präsentierte Netcetera-Fellow Thomas Fromherz. Er könne sich viele Anwendungsszenarien vorstellen, in denen die kleinen Chips den heute verbreiteten QR-Codes vorzuziehen seien, zumal inzwischen auch Apple die NFC-Schnittstelle für Drittanbieter geöffnet habe. Es reiche, einmal mit dem Handy einen NFC-Tag zu "tappen", um eine App und darin sogar eine bestimmte Funktion zu öffnen. Alle QR-Codes eliminieren will Fromherz jedoch nicht. Man solle sich jedoch überlegen, wann sich welches System besser eigne.
Aufwühlende Keynotes
Eine Sicht fernab von Produkten und Zahlen offerierten die beiden Keynotes. Kommunikationswissenschafter und asiatischer Kampfkünstler Marc Gassert sprach über Selbstdisziplin. Er beschrieb drei Techniken, diese zu fördern.
Körperlich, mit Isostatischem Training: Schon drei Minuten am Tag helfen, sich länger auf ein Thema zu fokussieren.
Mental, mit Meditation: Zwei Minuten am Tag bewusst jeden Gedanken zuzulassen, zu akzeptieren und bewusst wegzuschicken reduziert den innerlichen Druck deutlich.
Achtsam, mit Gedankenhygiene: Aufhören mit Jammern und die unangenehmsten Aufgaben sofort anpacken seien förderlich, führte Gassert auf. Man soll aber auch die Systemmässigkeiten verstehen, um unter minimalem Energieaufwand die maximale Wirkung zu erzielen.
Wie sehr wir von unserem Smartphone abhängig sind, thematisierte Payment-Forscher und Buchautor Key Pousttchi. Bezüglich der Digitalisierung gäbe es viel zu wenig Wissen und viel zu viel Meinung in der Gesellschaft, sagte er. Grosse Tech-Konzerne kennen "die Wahrheit" zwar, hätten aber kein Interesse, sie uns zu sagen. Konsumenten versorgten sie via Handy mit Daten und verhelfen ihnen so zu Macht, führte er aus. Hierzulande müsse man sich nicht damit abfinden. Er glaube an die Ingenieurskunst Deutschlands und auch der Schweiz, und plädierte dafür, Digitalisierung neu zu denken und unabhängige, robuste Lösungen zu entwickeln.
Sandro Graf, der das diesjährige Swiss Payment Forum moderierte, beschrieb im Interview, welche Trends er im Payment-Markt sieht und warum Kreditkartenherausgeber unter der Pandemie leiden.