Wie sich die Payment-Branche für die Zukunft rüstet
Vom digitalen Franken zur konfigurierbaren Bezahlkarte – die Referierenden des Swiss Payment Forums 2024 präsentierten ihre Visionen und Projekte für die Payment-Branche von morgen. Heute schon feiert mobiles Payment einen Triumph und der Bezahlchip klebt am Finger.
Traditionsgemäss treffen sich einmal im Herbst alle wichtigen Player der Schweizer Payment-Branche, um Trends, Visionen und Herausforderungen zu diskutieren. Dieses Jahr ging das Swiss Payment Forum am 18. und 19. November 2024 im Zürich Marriott Hotel über die Bühne. Insgesamt war es die 13. Ausgabe – "am ersten Swiss Payment Forum konnte ich noch ohne Lesebrille teilnehmen", bemerkte Sandro Graf, Head Center for Customer Experience & Service Design an der ZHAW, in seiner Begrüssung.
Sandro Graf, Head Center for Customer Experience & Service Design an der ZHAW (links) moderierte das Payment Forum. (Source: zVg)
Komplizierte Gebühren
Während Graf als Moderator des Swiss Payment Forums viele noch anstehende Entwicklungen ansagte, verfolgt er als Forschender schon länger empirisch, welche Payment-Trends sich ganz real in der Schweiz durchsetzen. Demnach ist das Bezahlen per Smartphone – also Mobile Payment – nicht nur in der hiesigen Bevölkerung angekommen. Über den gesamten Markt sei Mobile Payment erstmals die am häufigsten genutzte Bezahlmethode, sagte Graf bei der Präsentation einiger Ergebnisse des Swiss Payment Monitors. Hoch im Kurs sind auch die Debitkarte, die Barzahlung (zumindest im Präsenzgeschäft) und die Rechnung (vor allem im Distanzgeschäft). Insbesondere zum Begleichen von Beträgen bis 100 Franken bezahlen Schweizerinnen und Schweizer immer öfter per Smartphone. Die Meinung zum Bargeld fasste Graf mit den Worten zusammen: "Ich benutze es immer weniger, aber nehmt es mir nicht weg!" Gepusht worden sei das Bezahlen per Handy insbesondere durch die Twint-App, bemerkte der Referent.
Marcel Stadelmann, Dozent an der ZHAW (links) und Treibauf-Geschäftsführerin Dominique Bächler. (Source: zVg)
Im Auftrag des Payment-IT-Dienstleisters Treibauf befragt die ZHAW seit ein paar Jahren auch Händler in der Schweiz. Auch sie bestätigten Debitkarten und Bargeld als oft benutzte Zahlungsmittel, erklärte ZHAW-Dozent Marcel Stadelmann, räumte aber auch ein, dass nicht alle Befunde empirisch gleich belastbar seien. Twint mache dagegen einen relativ kleinen Teil des erzielten Umsatzes aus.
Einer der Hauptzwecke der Händlerbefragung sei es, das Händlerwissen zu bargeldlosen Zahlungen abzufragen, wie Treibauf-Geschäftsführerin Dominique Bächler erklärte. Dieses Wissen ist gering, wie die Ergebnisse zeigen: So konnten viele Befragte nicht beantworten, welches Gebührenmodell ihr Zahldienstleister nutzte. Dies, "obwohl wir sie gebeten hatten, in den Verträgen nachzusehen", wie Stadelmann betonte. Bächler ergänzte, die Hälfte der Befragten nannten den Zugang zu Informationen als Herausforderung. Auch steigende Kosten, mangelnde Transparenz oder die Abhängigkeit vom Acquirer machen Händlern zu schaffen. In Deutschland, so Bächler, herrsche mehr Transparenz, nicht zuletzt dank ähnlichen regelmässigen Befragungen. Entsprechend sind auch in der Schweiz weitere Händlerbefragungen geplant, "um die Diskussion voranzutreiben", wie Bächler es ausdrückte.
Bedürfnisse abdecken
In weiteren Referaten präsentierten Unternehmen und Organisationen zwar meist nicht komplett neue, aber doch erneuerte Ideen und Produkte. Thomas Fromherz, Fellow bei Netcetera, stellte etwa die aktuelle Version von "Click to Pay" vor, mit dem – wie der Name sagt – ein Kunde mit einem Klick die Einkäufe im Onlineshop bezahlen kann. Das sei erheblich schneller als der oft genutzte "als Gast auschecken" Prozess, wie der Referent betonte, folglich komme es bei "Click to pay" auch zu weniger Prozessabbrüchen.
Thomas Fromherz, Fellow bei Netcetera. (Source: zVg)
Santosh Ritter, Schweiz-Chef von Visa, präsentierte eine Karte, die mehrere alte Bezahlkarten überflüssig machen soll. Sie vereine Debit- und Kreditkartenfunktion und der User könne die Karte beliebig konfigurieren, wie Ritter erklärte. So können Kunden etwa einstellen, dass alle Beträge von unter 100 Franken direkt dem Bankkonto (Debitkarte) und alle höheren Beträge dem Kreditkonto belastet werden sollen. Banken wiederum könnten für bestimmte Beträge die Möglichkeit von Ratenzahlungen anbieten. Die Karte befindet sich laut Ritter in der Pilotphase. Kommendes Jahr schon werde sie offiziell lanciert und "in fünf Jahren werden wir klassische Kreditkarten nur noch in Ausnahmefällen nutzen", gab sich der Referent überzeugt.
Etwas abstrakter wirkte dagegen die Präsentation der ehemaligen Parlamentarierin Pascale Bruderer, Gründerin von Swiss Stablecoin. Das Unternehmen arbeitet unter anderem mit der Schweizerischen Nationalbank am "digitalen Schweizer Franken". Der Stablecoin soll die digitale Transformation im Finanzsektor vorantreiben und souverän für die Schweiz geschaffen sein. Bruderer sprach auch von einem "tokenisierten Abbild des Schweizer Frankens für Zahlungszwecke" und betonte, es handle sich nicht um eine unregulierte Kryptowährung. Solche tokenisierte Zahlungsmittel seien für künftige Use Cases wichtig, erklärte die Referentin. Im Gegensatz zu Kryptowährung würde ein Stablecoin mehr Vertrauen schaffen.
Pascale Bruderer, Gründerin von Swiss Stablecoin. (Source: zVg)
Den Kern der Infrastruktur gebe es bereits, erklärte Bruderer. In puncto Innovation werde ihr Unternehmen keine spezifischen Use Cases vorantreiben, sondern aus der Branche kommende Innovationen unterstützen. Als Nächstes will Swiss Stablecoin übrigens eine Stiftung gründen, um dem digitalen Franken ein neues Dach zu geben.
Chip am Finger
Am Swiss Payment Forum 2023 ging es unter anderem um Embedded Finance. Die Gäste thematisierten das Metaverse oder ein mit Zahlungs-Hardware ausgerüstetes Auto. Dagegen hinterliessen die Referate 2024 beim schreibenden Redaktor tendenziell einen etwas weniger ausgeflippten, aber auch ausgereifteren Eindruck. Das Spannungsfeld zwischen Digitalisierung und Regulierung, in dem die Payment-Branche operiert, war deutlich zu spüren. Zudem zeigten sich die Gäste bemüht, echte Kundenbedürfnisse abdecken zu wollen.
Florian Astor von Campo Golf. (Source: zVg)
Traditionsgemäss bildete die Keynote am Swiss Payment Forum einen Gegenpol zu allen technischen Referaten. Dieses Jahr gab Florian Astor von Campo Golf einen Einblick in ein Sabatical: In zwei Jahren legte er wandernd mehr als 8000 Kilometer zurück. Dabei war er oft tagelang alleine und wortwörtlich nur mit sich selbst beschäftigt. "Es kam alles hoch und drangsalierte mich, bis ich fast nicht mehr weitermachen wollte", sagte er. Dass sich das Durchhalten für ihn lohnte, stellte er fünf Monate nach seinem ersten Wandertag fest: "Ich war noch nie so zufrieden mit mir selbst", schilderte er seinen Eindruck. Dem Publikum gab er auf den Weg, sich aus der Comfort Zone zu trauen, neues auszuprobieren, aber auch den Weg zum Ziel zu geniessen, anstatt sich nur auf das Ziel zu konzentrieren.
Für eine ganz praktische Erfahrung sorgte derweil das Start-up Smart Chip Switzerland. Wer will, dem klebt das Team nämlich einen voll funktionsfähigen Bezahl-Chip auf den Daumennagel. Am Zahlterminal muss damit nicht mehr ein Smartphone oder eine Karte gezückt, sondern nur noch mit dem Daumen auf den kontaktlosen Chipleser getippt werden. Der Chip werde nach 3 Monaten automatisch deaktiviert und fällt mit dem Wachsen des Daumennagels nach einiger Zeit ohnehin von alleine ab, wie beim Unternehmen zu erfahren war. Das Konzept des Start-ups wirkte futuristisch. Und es funktioniert schon heute, wie der schreibende Redaktor persönlich herausfand.
Das aktuelle Fintech&Insurtech beleuchtet das Thema künstliche Intelligenz in der Finanzbranche. Hier geht’s zum Themendossier.