Das EPD verspätet sich noch mehr
Stammgemeinschaften aus den Kantonen Aargau und Graubünden haben den Start des EPDs erneut verschoben. Zu optimistische Zeitpläne, die Pandemie und stockende Zertifizierungsverfahren lassen die Lancierung immer wieder nach hinten rücken.
Das elektronische Patientendossier (EPD) lässt vielerorts weiter auf sich warten. Zu optimistische Zeitpläne, die Pandemie und Verzögerungen beim Zertifizierungsverfahren lassen den Start des EPD immer wieder nach hinten rücken. So haben auch die Stammgemeinschaften Aargau und Südost die Lancierung erneut nach hinten verschoben, wie "Medinside" berichtet.
Aargau hat Zeitbedarf falsch eingeschätzt
Die Stammgemeinschaft eHealth Aargau hat ihre Zertifizierung für das EPD Mitte November 2020 abgeschlossen. In der Folge eröffnete der Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati das erste EPD der Schweiz - bereits zu diesem Zeitpunkt: Monate später als geplant. Aber nun sollte es endlich soweit sein: Die Aargauer Bevölkerung hätte ab Anfang 2021 die Möglichkeit erhalten sollen, das eigene EPD zu eröffnen.
Doch es sollte noch nicht sein. Nicolai Lütschg, Geschäftsführer der Stammgemeinschaft eHealth Aargau, gibt gemäss "Medinside" zu, nach der Zertifizierung durch KPMG etwas zu optimistisch gewesen zu sein. Um nicht erneut falsche Hoffnungen zu wecken, legt Lütschg den neuen Startzeitpunkt nun auf "bald".
Zurzeit gehe es vor allem darum, die Eröffnungsstellen für das EPD auf ihre Aufgaben vorzubereiten. Für den Anfang handelt es sich dabei um die Poststellen Aarau und Baden. Eine Online-Eröffnung wird gemäss Bericht nicht möglich sein. Benötigt werden nebst der Anwesenheit vor Ort eine unterschriebene Einwilligungserklärung und ein persönlicher Ausweis.
Pandemie lenkt ab
Auch die Stammgemeinschaft Südost hat die Zertifizierung durch die KPMG bereits hinter sich. Wie die Aargauer Kollegen musste sie den optimistisch gesetzten Start verschieben, wie es weiter heisst. Statt dem zweiten Quartal 2021 wird es nun Herbst.
Im Unterschied zu anderen Stammgemeinschaften soll das EPD im Kanton Graubünden nicht nur in Poststellen eröffnet werden können. Auch in den 25 Spitälern und Kliniken soll die Bevölkerung diese Möglichkeit haben.
Gemäss "Medinside" werden in diesen Spitälern und Kliniken nun die Prozesse eingeübt, um eine reibungslose Dossiereröffnung zu gewährleisten. Richard Patt, Geschäftsführer von eSanita, habe aber eingeräumt, dass die Spitäler derzeit "aus bekannten Gründen" auch noch andere Prioritäten haben.
Zertifizierungsverfahren kommt nur schleichend voran
Für die entsprechenden Zertifizierungen sind die Gesellschaften KPMG und SQS verantwortlich. Gemäss Bericht hat die KPMG den Ruf, dass sie es etwas genau nimmt, was wieder zu Verzögerungen führt. Diese Genauigkeit hänge vermutlich mit einem Postautoskandal zusammen, in welchen die KPMG als Revisionsstelle involviert gewesen sei. Sie wolle sich nun keine weitere Blösse geben.
Was die SQS (Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme) betrifft, kann sie offiziell noch gar niemanden zertifizieren. Dazu müsste das Unternehmen erst von der Schweizerischen Akkreditierungsstelle SAS akkreditiert werden, einer Bundesbehörde des SECO. Doch die Akkreditierung kommt nicht. Zunächst hätte sie im November 2020 erfolgen sollen, dann im Januar 2021, nun werde es Ende März.
EPD stolpert über jeden Stein
Von der fehlenden Akkreditierung betroffen ist gemäss "Medinside" unter anderem die Stammgemeinschaft Xsana, bei der 14 Kantone angeschlossen sind, darunter Zürich und Bern. Xsana soll dafür sorgen, dass vor allem in Apotheken das Dossier eröffnet und die E-ID registriert werden könne.
Eigentlich hat SQS das Zertifikat für Xsana schon bereit und wartet nur noch auf die Akkreditierung der SAS. Xsana-Geschäftsführer Samuel Eglin habe auf Anfrage von "Medinside" geantwortet: "Das Zertifikat ist gedruckt, befindet sich aber in der Schublade der SQS. Ich habe keine Ahnung, wann wir loslegen können."
Die Pandemie verzögert die Etablierung des Schweizer EPD nicht nur. Sie macht auch erbarmungslos auf den Rückstand der Schweiz in der Digitalisierung des Gesundheitssystems aufmerksam. Nach dem Nationalrat hat am vergangenen Montag deshalb auch der Ständerat einer Motion zugestimmt, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu beschleunigen.