Diese Fähigkeiten braucht es auf dem Arbeitsmarkt von morgen
Soft Skills, Upskilling, Reskilling: Die Arbeitswelten Konferenz 2021 hat sich mit den Anforderungen des künftigen Arbeitsmarkts befasst. Dabei werden Soft Skills wichtiger, so der Tenor. Trotzdem ist der Fachkräftemangel nach wie vor aktuell.
Am 9. September 2021 hat die Arbeitswelten Konferenz von SwissICT stattgefunden. Dieses Mal drehte sich die Konferenz um das Thema "Future Skills" – Fähigkeiten respektive Skills, die in den nächsten Jahren zusätzlich an Bedeutung gewinnen werden. "Für das Thema 'Post-Corona' war es noch zu früh", erklärte SwissICT-Geschäftsführer Christian Hunziker zur Begrüssung.
Christian Hunziker, Geschäftsführer von SwissICT. (Source: Netzmedien)
Der Tenor der Keynotes, Referate und Workshops: Die Arbeitswelt der Zukunft priorisiert Soft Skills. Natürlich, spielen auch fachspezifische Skills eine Rolle. Der Fachkräftemangel ist real und war am Event auch ein Thema. Doch Fähigkeiten wie Agilität, Resilienz und Kreativität braucht es in den meisten Jobprofilen - besonders, da sich diese Profile im stetigen Wandel befinden, wie Thomas Straessle, Managing Director beim Beratungsunternehmen Kienbaum, verdeutlichte.
Fachkompetenzen sind lernbar, bei Sozialkompetenzen ist das schwieriger
Gemäss Straessle handelt es sich bei diesem Umstand um die "fluide Funktionsentwicklung". Nach sechs bis zwölf Monaten ändern sich Jobbeschreibungen vielerorts und Mitarbeitende machen nicht mehr genau dieselben Arbeiten, für die sie sich beworben hatten. Damit Arbeitnehmende mit solchen Veränderungen mithalten können, brauche es Agilität, Resilienz und Kreativität. Je nach Änderung des Jobprofils braucht es auch neue Kompetenzen, die etwa mit Aus- oder Weiterbildungen erworben werden können - also durch sogenanntes Upskilling.
Thomas Straessle, Managing Director bei Kienbaum. (Source: Netzmedien)
Weiter hatte Straessle die These, dass Sozialkompetenzen den Fachkompetenzen übergeordnet seien. Dazu zitierte er Henry Ford: "Jeder Job ist in 6 Monaten lernbar." Persönlichkeit hingegen sei eine Konstante. Deshalb sollten Unternehmen Sozialkompetenzen höher gewichten. Dazu gehören etwa Kreativität, Teamfähigkeit, Offenheit und Neugier, Resilienz oder Projektmanagement-Fähigkeiten. Für Arbeitnehmende mache es deshalb auch Sinn, ein "Personal Branding" zu machen und hervorzuheben, was sie gut und auch gerne tun.
Ausserdem stellte Straessle die These auf, dass Entwicklungspotenzial bei Mitarbeitenden wichtiger als die eigentliche Berufserfahrung ist. Unternehmen sollten nicht nach Personen suchen, die bei ihnen genau das machen, was sie vorher schon Jahre getan haben. Es sei sinnvoller zu überlegen, was eine Person basierend auf ihren Erfahrungen alles machen könnte - auch abseits ihrer exakten Tätigkeit der vergangenen Jahre. Das Potenzial sollte im Vordergrund stehen. Mitarbeitende sollten deshalb auch Offenheit und Neugier an den Tag legen.
Demografie, Digitalisierung, Pandemie und der Fachkräftemangel
Ob Soft Skills vorhanden sind oder nicht: An Fachkräften herrscht ein Mangel. Gery Bruederlin, Professor an der Hochschule für Wirtschaft der FHNW, analysierte drei "Megatrends" und ihre Auswirkungen auf den Fachkräftemangel. Ein Problem sei die Demografie, die quantitative Lücken verursache: Die Lebenserwartung wird höher, während eine konstant niedrige Geburtenrate vorliegt. Die grosse Generation der Babyboomer hat seit 2020 angefangen, in den Ruhestand zu gehen, und das hinterlässt Lücken - in allen Branchen. Am schlimmsten vom Fachkräftemangel betroffen sei die Gesundheitsbranche, am wenigsten vermutlich die Finanzbranche.
Gery Bruederlin, Professor an der Hochschule für Wirtschaft der FHNW. (Source: SwissICT)
Der Megatrend Digitalisierung hingegen hat gemäss Bruederlin kaum einen Einfluss auf die verfügbare Menge an Stellen. Die Geschichte habe schon mehrfach gezeigt, dass Technologie nicht zu weniger Arbeitsplätzen führt - eher im Gegenteil. Vielmehr ändert Technologie die bestehende Arbeit und führt zu Strukturwandel respektive zu Verschiebungen zwischen den Branchen. Automatisierung und Digitalisierung können gemäss Bruederlin höchstens rund 50 Prozent der fehlenden Arbeitskräfte ersetzen, was also nur begrenzt gegen die quantitativen Lücken hilft. Dafür ist der qualitative Einfluss auf die vorhandenen Stellen gross.
Welchen Einfluss nun die Pandemie auf die verfügbaren Stellen und den Fachkräftemangel hat? Natürlich gingen Stellen verloren - besonders etwa in den Gastro- und Tourismus-Branchen. In der EU verloren innerhalb von 6 Monaten rund 280'000 Menschen ihre Arbeit. Gleichzeitig florierte zum Beispiel das Geschäft von Amazon. In den USA stellte das Unternehmen in nur sechs Monaten 300'000 neue Mitarbeitende ein - wieder ein Beispiel für die Verlagerung der Stellen. In der Schweiz gebe es dafür unterdessen offene Stellen in Rekordhöhe - und das gegenüber vielen Langzeit-Arbeitslosen. Fazit: Die Pandemie verstärkt lediglich die schon bestehenden Trends der Demografie und der Digitalisierung: Die quantitativen Auswirkungen auf die Stellen sind auf einzelne Branchen beschränkt, während grosse qualitative Änderungen vonstattengehen.
Massnahmen gegen den Fachkräftemangel - und der Beitrag von SwissICT
Was kann man nun gegen den Fachkräftemangel tun? Gemäss Bruederlin kann man zwei Strategien verfolgen, um die quantitative Problematik anzugehen: Die Nachfrage senken oder das Angebot an Arbeitskräften erhöhen. Um die Nachfrage zu senken, könnte man etwa die Produktivität erhöhen, outsourcen oder Near- und Offshoring-Strategien verfolgen. Doch wären das alles keine langfristigen Lösungen.
Um das Arbeitskräfte-Angebot zu erhöhen, gebe es ebenfalls mehrere Möglichkeiten. Zum Beispiel die Geburtenrate erhöhen - wobei das eher unwahrscheinlich sei. Eine weitere Möglichkeit sei, die Immigration zu erhöhen - wobei die Möglichkeiten hier beschränkt seien. Das Erhöhen des Frauenanteils könnte helfen, doch ist das alleine nicht die Lösung. Immerhin müssten gerade in der IT so viele Frauen beschäftigt werden wie Männer, was derzeit eher unrealistisch sei. Die beste Möglichkeit sieht Bruederlin darin, ältere Arbeitnehmende - also über 55-Jährige - öfters zu behalten und zu binden. Darin liege ein grosses Potenzial, doch brauchen sie Möglichkeiten für Reskilling und Upskilling - Umschulungen und Weiterbildungen, um wieder auf dem Stand der Dinge zu sein.
Die Initiatoren des Programms "SwissICT Booster 50+": Martin Karrer, Abteilungsleiter beim Amt für Wirtschaft vom Kanton Zürich, Christian Hunziker, Geschäftsführer SwissICT und Reto Bättig, CEO M&F Engineering. (v.l., Source: SwissICT)
Etwas vor Bruederlins Keynote hatte SwissICT diesbezüglich gerade eine Ankündigung gemacht. Der Fachverband bietet das Programm "SwissICT Booster 50+" an, um ICT-Fachkräften ab 50 Jahren dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten auf den aktuellen Stand zu bringen und sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Nun konnte die Initiative das Seco bis 2024 als Drittmittelgeber gewinnen. Ausserdem wurde beim RAV des Kantons Zürich ein Pilotversuch gestartet, bei dem die Mitarbeitenden des RAV Arbeitssuchende nun direkt an das Programm von SwissICT vermitteln können. Sollte sich das Konzept bewähren, wird es auch auf weitere Kantone ausgeweitet. Mehr zu der Initiative "SwissICT Booster 50+" erfahren Sie hier auf der Webseite von SwissICT.
Deshalb interessiert die Generation Z
Eine Keynote der Arbeitswelten Konferenz befasste sich mit der anderen Hälfte des Altersspektrums: der Generation Z (GenZ). Die Skills der Zukunft erfordern auch die richtigen kommunikativen Fähigkeiten, um mit der nächsten grossen Generation auf dem Arbeitsmarkt zu interagieren. Auch damit die Vertreter und Vertreterinnen dieser Generation zu potenzieller Kundschaft werden, braucht es bestimmte Skills. Mehr dazu sagte Jo Dietrich, Mitgründer des Beratungsunternehmens Zeam.
Die GenZ ist zwischen 1995 und 2010 geboren und für Unternehmen unter anderem deshalb interessant, weil es die "grösste Generation" ist, welche rund 3 Milliarden Menschen umfasse. Dazu gehören auch rund 1,4 Millionen Schweizerinnen und Schweizer. Als Kundschaft seien sie auch deshalb von Interesse, weil sie noch nicht so sehr an bestimmte Marken gewöhnt respektive gebunden seien. Mitglieder der GenZ zeichnen sich gemäss Dietrich unter anderem dadurch aus, dass sie auf Prestige, Verantwortung und ein kompetitives Umfeld achten. Kommuniziere man mit der GenZ, seien Authentizität, klare Botschaften, Kommunikation auf Augenhöhe und die Vermittlung von Werten und Visionen wichtig. Das kann man sich wie eine Pyramide vorstellen, mit der Authentizität als unterster Schicht.
Jo Dietrich, Mitgründer vom Zeam. (Source: Netzmedien)
Informiere sich jemand aus der GenZ nun über Arbeitgeber, laufe das zuerst über Social Media. Existiere ein Unternehmen nicht auf Social Media, existiere es grundsätzlich auch für die GenZ nicht. Danach werde das Image der Firma gegoogelt und darauf etwa im Bekanntenkreis oder auf Linkedin nach Erfahrungen gefragt. Erst zuletzt werde die Webseite des Unternehmens konsultiert. Hier sei es wichtig, mehr über die Werte des Unternehmens herauszufinden. Punkten könne ein Unternehmen auch damit, fünf statt vier Wochen Ferien zu geben, einen 13. Monatslohn zu zahlen oder etwa interne Weiterbildungen, Rabatte und Provisionen anzubieten. Bei der Gestaltung der Webseite könne es sich für Unternehmen lohnen, Input von einem GenZ einzuholen.
Hat eine Firma jemanden aus der GenZ angestellt und möchte ihn oder sie nun halten, helfe es, etwa Networks für Junge des Unternehmens zu fördern und Weiterentwicklungsmöglichkeiten anzubieten, die Skills vermitteln, die nicht nur in der Arbeitgeberfirma etwas nützen. Es sei tendenziell unwahrscheinlich, dass sich jemand aus der GenZ 10 Jahre der gleichen Firma verschreibe. Doch mache das Unternehmen seine Sache gut, gebe es Chancen, dass ehemalige Mitarbeitende aus der GenZ zum Unternehmen zurückkehren.