Fachkräftemangel bedroht Wachstum der Technologiebranche weltweit
Unternehmen weltweit suchen händeringend nach Talenten - der Fachkräftemangel in der Technologiebranche hat ein Rekordhoch erreicht. Die Wirtschaft steht vor einem dreifachen Problem.
Das Wachstum der globalen Technologiebranche ist aufgrund des Fachkräftemangels bedroht. Zu diesem Schluss kommt Harvey Nash. Der englische Personalvermittler befragte rund 2100 Führungskräfte in 87 Ländern über vier Monate hinweg.
Gemäss Mitteilung gefährden derzeit verschiedene Faktoren des Fachkräftemangels die Branche. So habe der Mangel an Fähigkeiten ein Allzeithoch erreicht. Gleichzeitig planen 60 Prozent der Unternehmen weltweit, Investitionen in Technologien auf Rekordhöhe zu steigern. Auch die Anzahl Angestellter in den Tech-Teams soll bei 61 Prozent der befragten Firmen auf Rekordhöhe vergrössert werden.
Dreifaches Problem für Unternehmen
Mitarbeitende lassen sich aufgrund anderer Prioritäten nicht mehr so stark ans Unternehmen binden - dies gaben 8 von 10 der befragten Führungskräfte an. 40 Prozent der Befragten haben den Ergebnissen zufolge Mühe damit, wichtige Mitarbeitende zu halten, weil diese von Konkurrenten abgeworben werden. Nur 32 Prozent der Unternehmen hätten die Arbeitsbedingungen angepasst, um sie für Angestellte in der hybriden Arbeitswelt attraktiver zu machen.
"Da die Unternehmen digitale Investitionen in Rekordhöhe planen, könnten wir an der Schwelle zu einer 'zweiten Renaissance' der Technologie stehen", sagt Bev White, CEO der Harvey Nash Group. "Die Unternehmen wollen ihre digitale Transformation weiter und schneller als je zuvor vorantreiben und die Technologie in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Dies wird dazu führen, dass sie nicht mehr nur 'technikzentriert' sind: Technologie wird buchstäblich im ganzen Unternehmen verteilt sein, überall."
Doch würden diese Ambitionen vom akuten Fachkräftemangel bedroht: "In der Tat sind die Unternehmen mit einem dreifachen Problem konfrontiert. Ihnen fehlt es an den qualifizierten Ressourcen, die sie benötigen; sie haben noch kein neues und effektives Mitarbeiterangebot für die hybride Arbeitswelt entwickelt; und die Fähigkeiten, die sie benötigen, ändern sich mit der rasanten technologischen Entwicklung selbst", fasst White zusammen. "Die Verantwortlichen für den digitalen Bereich müssen ihren Bedarf rasch einschätzen und Lösungen finden, wenn ihre Pläne nicht durch diesen potenten Cocktail von Herausforderungen zum Scheitern gebracht werden sollen."
Cybersecurity-Skills werden am meisten vermisst
In der Cybersicherheit mangelt es gemäss Harvey Nash ganz besonders. 43 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie zu wenig entsprechende Fachkräfte hätten. Das sei fast ein Viertel mehr als noch vor einem Jahr. Danach fehlt es mit 40 Prozent am meisten an Fachkräften im Bereich Big Data respektive an Analysten und an technischen Architekten mit 32 Prozent.
Auch Entwickler und Entwicklerinnen werden zunehmend vermisst. Mit 32 Prozent wuchs die Anzahl Nennungen dieser Fachkräfte am meisten innerhalb der letzten 12 Monate. Gemäss Harvey Nash deckt sich diese Beobachtung damit, dass Unternehmen sich darauf konzentrieren wollen, neue Produkte und Dienste zu kreieren. Dazu brauchen sie mehr Entwickler und Entwicklerinnen.
Die Unternehmen möchten den Spiess umdrehen und daran etwas ändern. Rund die Hälfte der Befragten plant, ihre Mitarbeitenden in anderen Teilen der Organisation in bestimmten Themen und Fähigkeiten zu trainieren. Zudem soll die Anzahl der angebotenen Lehrgänge erhöht werden: 39 Prozent der digitalen Führungskräfte wollen mehr Weiterbildungsplätze anbieten.
Anzahl Frauen steigt im Schneckentempo
Es gibt immer mehr Frauen in der Technologiebranche. Die Zahl der Frauen in Führungspositionen ist auf 12 Prozent gestiegen, der durchschnittliche Frauenanteil in Tech-Teams liege bei knapp einem Viertel. Das verspricht gemäss Mitteilung einiges für die Führungskräfte der Zukunft. Trotzdem wächst der Anteil nur langsam. Gegen die schleichende Entwicklung brauche es Massnahmen zur Verbesserung der Vielfalt. Allerdings zeigen nicht alle von Führungskräften ergriffenen Mittel dafür tatsächliche Wirkung. Harvey Nash's Untersuchungen kommen aber zum Schluss, dass die erfolgreichsten Strategien durch Kultur, Schulung, Unterstützungsnetze und Berichte vorangetrieben werden.
Nachwehen der Pandemie
Zwar hat der Remote-Betrieb die Work-Life-Balance und Produktivität verbessert, gleichzeitig haben aber das Wohlbefinden, das Engagement, die Zusammenarbeit und Inklusion innerhalb der Teams einbüssen müssen. 6 von 10 Unternehmen spüren einen deutlichen Rückgang des Wohlbefindens ihrer Mitarbeitenden. Um das zu bekämpfen, haben 39 Prozent der digitalen Führungskräfte angegeben, mehr in die Gesundheit und das Wohlergehen der Angestellten zu investieren.
Nicht nur die Mitarbeitenden mussten sich mit dem Lockdown abmühen. Zwei Drittel der digitalen Führungskräfte haben mit den Veränderungen der Pandemie zu kämpfen. Dennoch steht zum ersten Mal seit Beginn der Studie die Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen ganz oben auf der Prioritätenliste der Geschäftsführung.
Die Pandemie setzte viele Wirtschaftszweige unter Druck - das Geschäft mit der Cloud floriert hingegen. Die Technologie ist im Hoch: Bereits 90 Prozent der befragten Firmen haben die Cloud in einer Art und Weise in ihrem Unternehmen implementiert. Auch die Implementierung von neuen Technologien wie das Internet of Things (IoT) und Robotic Process Automation (RPA) hat sich im Vergleich zur Umfrage in 2019 verdoppelt.
Nachhaltigkeit in der Tech-Branche lässt zu wünschen übrig
"Nachhaltigkeit braucht mehr Zugkraft", heisst es seitens der Harvey Nash Group. Denn: Umweltfreundliche Technologien stehen ganz zu hintertst in der Warteschlange der Tech-Teams und der Geschäftsführung. Nur ein Fünftel, also rund 22 Prozent, habe den CO2-Fussabdruck ihrer Techniken in einem grösseren Umfang reduziert. Zwar stelle die Reduzierung des CO2-Fussabdrucks eine grosse Herausforderung dar, biete aber auch eine Chance für Unternehmen und ihre digitalen Führungskräfte.
Die vollständigen Ergebnisse der Umfrage sind online hier einsehbar.
Auch in der Schweiz mangelt es an Fachkräften – und zwar in der Informatik. Die Nachfrage nach IT-Spezialisten in der Schweiz ist auf einem Rekordhoch, wie der aktuelle Swiss Job Market Index von Adecco zeigt. Hier können Sie mehr darüber lesen.