Update: Bundesverwaltungsgericht tritt nicht auf Beschwerde gegen "Justitia.Swiss" ein
2023 soll die Justizplattform "Justitia.Swiss" in Betrieb gehen. Die rechtliche Grundlage dafür wird erst nach Einführung der Plattform geschaffen. Die Digitale Gesellschaft hat Beschwerde gegen das Projekt erhoben. Das Bundesverwaltungsgericht tritt darauf jedoch nicht ein.
Update vom 14.01.2022: Das Bundesverwaltungsgericht befasst sich nicht mit der Beschwerde der Digitalen Gesellschaft gegen die Plattform "Justitia.Swiss". Es hat entschieden, nicht auf die Beschwerde einzutreten, wie aus einer Mitteilung der Digitalen Gesellschaft hervorgeht. In seiner Beurteilung kommt das Gericht zum Schluss, dass weder die Digitale Gesellschaft noch ein an der Beschwerde beteiligtes IT-Unternehmen legitimiert seien, Beschwerde einzureichen.
Als "Bürgerrechts- und Konsumentenschutzorganisation mit gemeinnützigem Charakter" bezwecke die Digitale Gesellschaft offensichtlich nicht den Schutz potenzieller Anbieter in der Vorliegenden Ausschreibung, und sie sei auch selber kein potenzieller Anbieter, urteilt das Gericht unter anderem.
Die zweite Beschwerdeführerin habe nicht konkret dargelegt, inwiefern sie von der Ausschreibung besonders berührt sein bzw. ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung der Ausschreibung haben solle. Sie habe auch nicht aufgezeigt, für welches Los der Beschreibung sie sich interessiert habe oder inwiefern sie den ausgeschriebenen Auftrag überhaupt erfüllen könne.Vielmehr ergebe sich aus Beschwerde und Stellungnahme "der Eindruck, dass sie das Projekt Justitia 4.0 generell kritisch beurteilt und dieses verhindern oder zumindest verzögern möchte", schreibt das Gericht.
In ihrer Stellungnahme zum Gerichtsentscheid wirft die Digitale Gesellschaft dem Gericht vor, wesentliche Punkte zu unterschlagen. Darunter jener, dass eine gesetzliche Grundlage die – eigentlich rechtsstaatlich selbstverständliche – Voraussetzung gewesen wäre, um die Ausschreibung zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt durchführen zu können.
"Es gilt eine gerichtliche Praxis, wonach die Nichtigkeit jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beachten ist. Indem das Bundesverwaltungsgericht die potentielle Nichtigkeit der Ausschreibung nicht berücksichtigt, bleibt als plausible Erklärung für das Urteil, dass es sich nicht in das Minenfeld begeben wollte und letztlich seinerseits einen politischen Entscheid gefällt hat”, lässt sich Erik Schönenberger, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft, zitieren.
Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts kann binnen 30 Tagen ans Bundesgericht weitergezogen werden. Auf Anfrage teilt die Digitale Gesellschaft mit, dass man diese Möglichkeit aktuell prüfe.
Originalmeldung vom 11.08.2021: Digitale Gesellschaft protestiert gegen "Justitia.Swiss"
Die Schweizer Justizplattform "Justitia.Swiss" soll den Informationsaustausch zwischen allen an Justizverfahren beteiligten Stellen digitalisieren und vereinfachen. Das entsprechende Bundesgesetz soll erst 2025 oder 2026 folgen, die Verantwortlichen des Projekts haben dieses jedoch bereits auf Simap.ch ausgeschrieben. 2023 sollen schon 200'000 Akten im System gespeichert sein - ohne gesetzliche Grundlage, wie die Digitale Gesellschaft Schweiz kritisiert. Dadurch werde der "demokratische und rechtsstaatliche Prozess unterminiert", schreibt die Digitale Gesellschaft, die nun Beschwerde gegen das Projekt erhebt.
"Weiteres Millionengrab"
Neben der geplanten Implementierung ohne gesetzliche Grundlage kritisiert die Digitale Gesellschaft auch die geplante Umsetzung. So seien für die Plattform etwa weder Ende-zu-Ende-Verschlüsselung noch freie Open-Source-Lizenz vorgesehen. Die Mindestanforderung einer sicheren und vertraulichen Kommunikation fehle ebenso wie eine Langzeitarchivierung und Veröffentlichung von Urteilen, schreibt die Gesellschaft weiter.
"Mit diesem Vorgehen wird der demokratische und rechtsstaatliche Prozess auf den Kopf gestellt: Anstatt zuerst das Gesetz zu beraten und zu verabschieden, wird bereits die Plattform mit detaillierten Anforderungen beschafft und in Betrieb genommen", bekrittelt die Gesellschaft. Dies würde ein gesetzliches Dilemma erzeugen. So müsse der Gesetzgeber entweder die geschaffenen Tatsachen übernehmen, oder die neu eingeführte Plattform müsse kostspielig überarbeitet werden, um dem Gesetz zu entsprechen. "Im schlimmsten Fall droht ein weiteres Millionengrab bei einem IT-Projekt", heisst es weiter. Zusammen mit einem betroffenen IT-Unternehmen, von der Gesellschaft nicht namentlich erwähnt, fordert diese nun die Aufschiebung des Projekts.