Warum die ZKB auf die Cloud von Microsoft setzt
Die ZKB steht kurz vor dem grossen Sprung in die Public Cloud von Microsoft. Remo Schmidli, Leiter IT, Operations & Real Estate bei der Zürcher Kantonalbank, spricht über die Hintergründe des Projekts, über die Kundenkritik an der aktualisierten E-Banking-App und die Blockchain-Pläne der ZKB.
Letztes Jahr haben Sie eine Auszeichnung als "Top-CIO" der Schweiz gewonnen. Was macht einen guten CIO aus?
Remo Schmidli: Die Auszeichnung ist gleichzeitig mit einer Anerkennung der Leistung verbunden, die unsere Mitarbeitenden im täglichen Zusammenspiel für den Erfolg unserer Bank erbringen. Für uns stehen die Menschen im Mittelpunkt – sie machen auch in einer digitalen Welt den entscheidenden Unterschied. Ohne sie gäbe es auch keinen Top-CIO Award. Dafür braucht es eine gemeinsame Wertebasis – denn sie sind die unverzichtbare Grundlage unserer täglichen Zusammenarbeit. Mein Antrieb ist der Wunsch, einen zukunftsorientierten Ort für Menschen zu schaffen. Zusammen mit meinem Team wollen wir etwas gestalten, woran wir glauben. Dafür ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung zum fortwährenden Lernen unverzichtbar, daher gehe ich in meiner Rolle gerne als gutes Beispiel voran. Lebenslanges Lernen hat für mich eine grosse Bedeutung. Über meine Erfahrungen berichte ich in meinem Blog, der allen Mitarbeitenden der Zürcher Kantonalbank zur Verfügung steht – verbunden mit der Aufforderung, sich selbst damit zu beschäftigen.
Sie arbeiten seit 21 Jahren für die ZKB. Welche Entwicklung hat die Informatik der Bank in dieser Zeit am stärksten geprägt?
Die Technik hat sich ständig verändert – doch auch die Feedback-Kultur ist wichtiger geworden. Unser Umfeld verändert sich mit hoher Dynamik, somit verändern sich die Anforderungen an unsere Mitarbeitenden, Kunden und mich. Mit meinem Führungsteam reflektieren wir daher unsere Kompetenzen kontinuierlich und richten diese wo nötig neu aus – denn neue Technologien bieten Chancen für veränderte Geschäftsmodelle. Als flexible und vorausschauende Enabler forcieren wir unsere IT-Innovationen, weil wir von der Notwendigkeit dieses Vorgehens für die Weiterentwicklung unserer Bank überzeugt sind. Neben diversen Projekten und den strategischen Schwerpunkten ist die Kulturtransformation ein wichtiges Thema. Wir entwickeln und betreiben mit viel Expertise die Applikationen und Systeme unserer Bank mitten in Zürich im Kreis 5. "IT made in Chreis 5" und das damit verbundene Commitment der Bank zur internen IT und zum Standort Zürich machen uns besonders stolz.
Kürzlich hat die ZKB ihre E-Banking-App aktualisiert – und dafür harsche Kritik kassiert. Das Update sei ein Rückschritt, monierte die Kundschaft in den App-Store-Bewertungen. Was sagen Sie dazu?
Das aktualisierte ZKB Mobile Banking steht seit Anfang Mai 2022 im App Store respektive Play Store zur Verfügung. Die neue technische Basis ermöglicht eine kontinuierliche, modulare Weiterentwicklung der App. Der vielfältige Funktionsumfang wird stetig um zusätzliche Funktionalitäten erweitert. Beim Redesign der App wurden Kundinnen und Kunden in einem mehrstufigen Prozess in den Entwicklungsprozess eingebunden – so sind auch die neu entwickelten Kategorien entstanden. Es ist richtig, dass es Hinweise und Rückmeldungen unserer Benutzer gab. Derzeit sind die Anfragen bei unserem Kundensupport leicht erhöht, entsprechen jedoch dem üblichen Niveau nach einem solchen Update.
Wichtige Features wie die "Saldovorschau" sind aus der App verschwunden. Warum?
Die Anliegen und Bedürfnisse unserer Nutzerinnen und Nutzer sind uns sehr wichtig. Deshalb prüfen wir Rückmeldungen konsequent und implementieren diese wenn möglich – zusätzlich zu den sowieso bereits vorgesehenen Neuerungen. So werden wir beispielsweise die Saldovorschau optimieren und die Kundinnen und Kunden können diese bereits in den kommenden Wochen erneut nutzen. Ebenfalls ist der Totalbetrag sämtlicher Vermögenswerte ab Mitte Juni 2022 verfügbar.
Dieses Jahr beginnt die ZKB damit, erste Applikationen und Daten in die Public Cloud von Microsoft zu verlagern. Warum haben Sie sich für Microsoft entschieden?
Wir haben sowohl Schweizer Unternehmen als auch globale Hyperscaler evaluiert. Microsoft hat zum Zeitpunkt der Ausschreibung, die im Rahmen einer Due Diligence gemäss Finma-Vorgaben erfolgte, als einziger Anbieter unsere Anforderungen erfüllt. Darum haben wir uns für Microsoft entschieden.
Was hat Microsoft zu bieten, was beispielsweise Google nicht hat?
Für uns waren verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Dazu zählen die Abdeckung unserer Muss-Anforderungen gemäss Pflichtenheft, die Auswahl der verfügbaren Services, die Portierbarkeit unserer bestehenden eingekauften Applikationen, die Möglichkeit eines Preferred Hyperscaler bei neuen Applikationen und zu guter Letzt das Preismodell.
Was hat gegen die Schweizer Anbieter gesprochen?
Die Evaluation der Private-Cloud-Technologien hat uns gezeigt, dass Schweizer Anbieter bei der Innovationskraft und Investitionen mit den grossen Cloud-Providern nicht vollständig mithalten können. Neue und umfassende Businessfunktionalitäten werden in hoher Kadenz primär und vorranging von den Hyperscalern angeboten.
Der Cloud Act verpflichtet US-amerikanische Unternehmen wie Microsoft, auch im Ausland gespeicherte Kundendaten unter Umständen an US-Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Das Risiko eines Zugriffs von US-Behörden lässt sich also nicht ausschliessen. Wie gehen Sie damit um?
Als Zürcher Kantonalbank verfügen wir über ein umfassendes, integriertes und mehrstufiges Risikomanagement. Daher haben wir mit verschiedenen technischen, organisatorischen und vertraglichen Massnahmen das Risiko angemessen mitigiert.
Remo Schmidli, Leiter IT, Operations & Real Estate bei der Zürcher Kantonalbank. (Source: zVg)
Die Cloud-Migration soll etappenweise erfolgen. Für jede Applikation will man abwägen, ob der richtige Zeitpunkt für den Wechsel gekommen ist. Das klingt nach viel Arbeit. Von wie vielen Applikationen sprechen wir ungefähr?
Die Bank besitzt rund 750 Business-Applikationen, die wir in sogenannte Workbenches einteilen. Eine dieser "Werkbanken" ist beispielsweise Java. Sie beinhaltet sämtliche Eigenentwicklungen auf Basis von Java – was rund die Hälfte unserer Applikationen ausmacht. Im Rahmen der Cloud-Transformation werden die Applikationen gruppiert und priorisiert, um dann anhand des Kriterienkataloges einzelne Tranchen für die Migration zu definieren.
Wie sieht der Fahrplan für die Cloud-Migration aus?
Los geht es mit den Java-Eigenentwicklungen, da ein Grossteil schon "Cloud-ready" ist. Seit mehreren Jahren werden Eigenentwicklungen in dieser Workbench als Microservices mit definierten Vorgaben entwickelt. Das macht eine Migration in die Cloud jetzt sehr einfach.
Gibt es bestimmte Anwendungen oder IT-Systeme, die Sie auf keinen Fall in die Cloud auslagern würden? Zum Beispiel das Kernbankensystem?
Basis des Entscheides, ob und wann wir eine Applikation in die Cloud migrieren, ist ein Kriterienkatalog, der in Abhängigkeit zur Cloud-Strategie und der Governance die Migrations-Strategie und den Plan definiert. Für uns steht durch die Transformation, neben dem Business-Nutzen, auch die Modernisierung der IT-Architektur im Zentrum. Es wird also Applikationen geben, die wir weiterhin on-Prem betreiben – auch wenn zukünftig eine Ablösung geplant wäre, sich nach heutigen Berechnungen eine Migration noch nicht lohnt oder wir dies bewusst aus Risikoüberlegungen nicht wollen.
Was bedeutet die Cloud-Migration für die IT-Mitarbeitenden der ZKB?
Auf sie kommt sicherlich eine Veränderung zu, aber wir lassen sie auf dem Weg nicht allein. Wer heute für den Infrastrukturbetrieb zuständig ist, wird sich morgen um das Management von Cloud-Ressourcen kümmern. Dafür machen wir unsere Mitarbeitenden fit. Gleichzeitig wollen wir auch für den Nachwuchs attraktiv bleiben: Die Absolventen werden heute schon für Cloud-Technologie ausgebildet. Da wir nun auf die Cloud setzen, steigt unsere Attraktivität für Studienabgänger – und das beobachten wir bereits. Technisch wird es ebenfalls zu Veränderungen kommen: Statt die eigenen Systeme zu steuern und zu überwachen, kontrollieren wir in Zukunft die Ressourcen und Workloads in der Cloud. Wenn die Systeme nicht mehr bei uns im Rechenzentrum laufen, müssen wir die Business Continuity und die Sicherheit im Blick behalten. Neu überwachen wir zusätzlich Leitungen und den Traffic ausserhalb unseres eigenen Netzwerks. Ausserdem haben unsere Architekten und Programmierer die Vorgabe, Neuentwicklungen immer Cloud-ready zu entwerfen. Oder sie direkt mit Cloud-Technologien wie Containern umzusetzen.
Wie viele Mitarbeitende sind heute in der IT der ZKB beschäftigt? Und wie viele werden es wohl nach Abschluss des Cloud-Projekts sein?
Mir ist wichtig zu betonen: Die Cloud-Migration ist für uns kein Grund für einen Stellenabbau. Vielmehr wollen wir mit den neuen Technologien auch künftig ein attraktiver Arbeitgeber für IT-Talente sein. Heute arbeiten rund 1000 Mitarbeitende in unserer IT – wie erwähnt alle im Kreis 5. Auch nach Abschluss des Cloud-Projekts wird sich die Zahl in diesem Rahmen bewegen.
Abgesehen von der Cloud-Migration: Welche Digitalisierungsprojekte sind bei der ZKB sonst noch in Planung respektive Umsetzung?
Die Digitalisierung verändert die Bedürfnisse, Gewohnheiten und Verhaltensweisen aller Menschen. Mit der Weiterentwicklung unserer Rolle als Bank tragen wir dieser Veränderung Rechnung, daher entwickelten wir uns vom Finanz-Experten zum Lebensbegleiter, der immer da ist. Wir sind die nahe Bank, wir begleiten, beraten und bieten Lösungen: Immer, überall, ein Leben lang. Als traditionelles Unternehmen ist es für uns unumgänglich, den Wandel mit neuen Playern wie Fintechs und Neobanken mitzugehen, um auch in Zukunft eine wichtige Rolle für die Menschen im Kanton zu spielen.
Vor zwei Jahren lancierte die ZKB ihre Vorsorge-App Frankly. Andere 3a-Apps wie Freya und Sparbatze sind kürzlich gescheitert und haben ihre Geschäftstätigkeit eingestellt – das Geschäft mit Vorsorge-Apps ist also offensichtlich kein Selbstläufer. Woran liegt das?
Der Markt um Vorsorgelösungen ist recht stark umkämpft – da braucht man einen langen Atem, um vorne mitzumischen. Wir haben den Vorteil, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette, also nicht nur IT, sondern auch die Produkte, inhouse produzieren und nicht einkaufen müssen.
Apps wie Frankly sollen die Schweizer Bevölkerung davon überzeugen, dass sich Wertschriften-Investitionen in der 3. Säule lohnen. Wie kann man so etwas aus technischer Sicht unterstützen?
Neben einer einwandfreien technischen Umsetzung muss die Usability state-of-the-art sein. Mit Frankly sind wir da sicher vorne mit dabei, aber auch hier könnten wir in der Abwicklung des "Papierkrams" noch effizienter werden. Unter dem Strich muss die Hürde, sich um die 3. Säule zu kümmern, für die Kundinnen und Kunden so niedrig wie möglich sein.
Vor etwas mehr als einem Jahr führte die ZKB ein Experiment durch. Es ging darum, mittels Blockchain-Technologie grenzüberschreitende Fondstransaktionen zu beschleunigen. Was haben Sie aus diesem Versuch gelernt?
Wir glauben an die Möglichkeiten der Technologie, sehen das Potenzial und wollen diese in Zukunft gewinnbringend einsetzen. So haben wir beispielsweise die erste Bond-Emission an der Swiss Digital Exchange (SDX) begleitet. Das angesprochene Experiment hat uns geholfen, gemeinsam mit externen Partnern eine Zielbild-Architektur zu definieren, wie wir die neuen Technologien bestmöglich in unserer System-Landschaft einsetzen können.
Was für Blockchain-Pläne schweben der ZKB vor?
Wir haben für verschiedene Use Cases, darunter auch den Handel und die Verwahrung von Crypto Assets, die technischen Grundlagen getestet. Sobald eine konkrete Nachfrage bei unseren Partnerbanken vorhanden ist, werden wir in Übereinstimmung mit unserer Nachhaltigkeitspolitik – Stichwort Energieverbrauch – ein Angebot lancieren können.
Was halten Sie von Kryptowährungen? Sehen Sie in Bitcoin & Co ein Potenzial oder eher Gefahren für den Finanzplatz Schweiz?
Tendenziell habe ich bei Kryptowährungen meine Zweifel: Wir sehen, dass gerade viele Privatinvestoren sehr spekulativ unterwegs sind. Andere setzen auf Kryptowährungen als Wertschwankungsschutz. Gerade in den letzten zwei Jahren ist allerdings die Korrelation zwischen Kryptowährungen und risikobehafteten Anlagen deutlich gestiegen. Die Risikostreuung – im Sinne von weniger Schwankungen im Gesamtportfolio – funktioniert also nicht mehr. Spannender als die reinen Währungen selbst sind die verwendeten Technologien. Hier gibt es viel Potenzial und davon werden in Zukunft noch einiges hören. Da bin ich mir sicher.
Zur Person:
Remo Schmidli ist seit dem 1. Juli 2019 Leiter IT, Operations & Real Estate und Mitglied der Generaldirektion. Zuvor war er seit 2001 in verschiedenen Funktionen für die Zürcher Kantonalbank tätig, unter anderem in der IT und im Projektmanagement. Seit 2014 führte er den Bereich Multichannel Management. In dieser Funktion hat Schmidli unter anderem die Digitalisierungsroadmap der Bank mitgeprägt, gemeinsam mit seinem Team das Innovationslabor aufgebaut und erreicht, dass die Zürcher Kantonalbank im Bereich digitale Dienstleistungen eine starke Position einnimmt. Schmidli ist diplomierter Informatiker und hält einen Executive Master of Business Administration ZFH der Hochschule für Wirtschaft Zürich.