Hybrid Work aus rechtlicher Sicht: Das sollten Firmen beim mobilen Arbeiten beachten
Seit der Coronapandemie ist das mobile Arbeiten in vielen Firmen verbreitet. Vom rechtlichen Standpunkt aus gibt es dabei aber einige Punkte zu beachten. Welche, erklärt Rechtsanwältin und Dozentin Franziska Pertek.
Nach der Coronapandemie ist für viele Unternehmen das mobile Arbeiten ihrer Arbeitnehmenden eine Selbstverständlichkeit geworden. Fraglich ist nur, ob die Unternehmen rechtlich auf dieses Arbeitsmodell vorbereitet sind.
Hat der Arbeitnehmende Anspruch auf mobiles Arbeiten?
Was die Form des mobilen Arbeitens betrifft, kann der Arbeitnehmende seine Arbeitsleistung ganz oder teilweise ortsunabhängig verrichten (Homeoffice, Co-Working-Space, Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers u. a.). Diese Arbeitsform bedarf aber einer ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, denn grundsätzlich hat der Arbeitnehmende gemäss Gesetz kein Anspruch auf mobiles Arbeiten.
Wenn aufgrund der Ausgestaltung der Arbeit mobiles Arbeiten möglich ist, ergibt es Sinn, dem Arbeitnehmenden im Arbeitsvertrag unter dem Punkt "Arbeitsort" das Recht zum mobilen Arbeiten einzurichten. Als Hauptarbeitsort sollten die Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers definiert werden, aber mit der expliziten Erlaubnis zum mobilen Arbeiten für den Arbeitnehmenden. Diese Klausel sollte widerrufbar ausgestaltet sein, damit der Arbeitgeber diese Vereinbarung einseitig rückgängig machen kann. Das nützt in Fällen, in denen diese Freiheit für den Arbeitnehmenden (z. B. wegen zu wenig Struktur) oder für den Arbeitgeber (z. B. Kommunikation und Interaktion) nicht funktioniert.
Zur Unterstützung und Präzisierung dieser arbeitsvertraglichen Vereinbarung ist zusätzlich eine interne Richtlinie als Teil des Arbeitsvertrags sinnvoll. In dieser Richtlinie sind beispielsweise folgende Punkte zu regeln: Arbeitszeit, Arbeitssicherheit, Vertraulichkeit, Kostentragung, Arbeiten im Ausland etc. – ohne den eigentlichen Arbeitsvertrag mit diesen Vorgaben unnötig zu verlängern.
Im mobilen Arbeitsmodell umfasst die Erreichbarkeit nicht 24 Stunden
Es sind stets die gesetzlichen Vorschriften zu Arbeits- und Ruhezeiten sowie Arbeitsverbote für Sonn- und Feiertage etc. zu beachten. Um die Arbeits- und Ruhezeiten für den Arbeitnehmenden sicherstellen zu können und sich gleichzeitig zu vergewissern, dass der Arbeitnehmende seine Leistung ordnungsgemäss erbringt, ist es empfehlenswert, eine klare Arbeitszeitenregelung mit einem Arbeitszeiterfassungssystem zu führen. Um der Gefahr des Gefühls der ständigen Erreichbarkeit für den Arbeitnehmenden entgegenzuwirken, sollten feste Zeiten in der internen Richtlinie festgelegt werden, wann der Arbeitnehmende definitiv (telefonisch) zu erreichen ist (z. B. 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr). Mit solchen Kernzeiten kann ferner eine bessere Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem erzielt und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers entsprechend nachgegangen werden.
Gesundheitsschutz gehört zum mobilen Arbeiten
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bezieht sich nicht nur auf eine normale Work-Life-Balance und damit auf die psychische Verfassung des Arbeitnehmenden, sondern auch auf die physische Gesundheit. Die Schutzpflicht umfasst unter anderem Regelungen und Vorkehrungen zur Einrichtung eines Arbeitsplatzes im Hinblick auf dessen Lichtverhältnisse, die Belüftung und die Ergonomie (z. B. Abstand zum Bildschirm des Arbeitnehmenden). Ausserdem können Betriebsunfälle auch zuhause passieren, zum Beispiel durch ein nicht ordnungsgemäss verlegtes Stromkabel, das zur Stolperfalle werden kann.
Aufgrund der räumlichen Trennung und somit der fehlenden direkten Aufsicht durch den Arbeitgeber ist dieser auf die aktive Beteiligung des Arbeitnehmenden angewiesen. Grundanforderungen an den Arbeitsplatz und dessen Umfeld könnten zum Beispiel in der internen Richtlinie festgehalten werden.
Sensible Daten müssen auch ausserhalb der Büroräumlichkeiten sicher sein
Dem Thema Vertraulichkeit und Datenschutz kommt sowohl innerhalb wie auch ausserhalb der gewohnten Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers eine grosse Bedeutung zu. Es ist im Interesse beider Parteien, sensible wie persönliche Daten, vertrauliche Dokumente oder Informationen in angemessenem Rahmen zu schützen.
Um die Einhaltung der Vertraulichkeit sicherzustellen, gilt es, geeignete technische und organisatorische Massnahmen zu treffen. Dazu gehören unter anderem gesicherte Zugänge zu internen Systemen etwa via VPN, oder eine Clean-Desk-Policy, die eine Bildschirm- und Passwortsperre beim Verlassen des Arbeitsplatzes sowie das Verwenden eines Blickschutzfilters beinhaltet, falls mehrere Personen zuhause oder in einem öffentlichen Working-Space arbeiten. Es sollte zudem eine klare Regelung zur Aufbewahrung vertraulicher Unterlagen bestehen und die Arbeitnehmenden sollten darauf sensibilisiert werden, dass vertrauliche Gespräche nicht in der Öffentlichkeit (Zug, öffentliches Café) zu führen sind. Genauso wenig dürfen Arbeitsdokumente mit dem Haushalt oder unbeteiligten Dritten geteilt oder im normalen Altpapier entsorgt werden.
Wer trägt die Kosten für das mobile Arbeiten?
Bei dieser Frage kommt es ganz darauf an, ob dem Arbeitnehmenden in den Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers ein Arbeitsplatz zu jeder Zeit zur Verfügung steht oder nicht. Hat sich der Arbeitgeber im Rahmen des mobilen Arbeitens für eine alternierende Arbeitsplatz-Lösung entschieden (z. B. zwei Arbeitnehmende teilen sich einen Arbeitsplatz), dann sind zusätzliche Kosten, die dem Arbeitnehmenden ausserhalb der Büroräumlichkeiten entstehen, zu ersetzen. Dies kann mit einer angemessenen Spesenpauschale monatlich abgedeckt werden. Kann der Arbeitnehmende hingegen jeden Tag selbst entscheiden, ob er an den Arbeitsplatz im Büro geht oder nicht, entfällt aufgrund der ständigen Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes die Kostentragung für den Arbeitgeber. Dazu muss es sich nicht um einen festen Arbeitsplatz handeln.
Arbeiten im Ausland ist in engen Grenzen möglich
Im Zusammenhang mit dem mobilen Arbeiten stellt sich auch die Frage, ob ein Arbeiten ausserhalb der Schweiz möglich ist. Hier sind aber gerade mit dem Sozialversicherungsrecht enge Grenzen gesetzt.
Bis zu 25 Prozent des Beschäftigungsumfangs können ausserhalb der Schweiz erbracht werden. Bis zu dieser Grenze wird der Arbeitnehmende aus sozialversicherungsrechtlicher Perspektive so behandelt, als ob seine Arbeitstätigkeit insgesamt in seinem Wohnsitzstaat ausgeführt wurde. Sämtliche Sozialabgaben fallen dann in der Schweiz an. Will man negative Auswirkungen auf die Sozialversicherungen vermeiden (wie Sozialabgaben in einem anderen Land), muss darauf geachtet werden, dass der Arbeitnehmende nicht mehr als 25 Prozent seines Pensums ausserhalb der Schweiz arbeitet.
Fragestellungen zu Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung müssen beim Arbeiten im Ausland ebenso beantwortet werden. Dies sollte ausdrücklich in der internen Richtlinie geregelt werden. Am besten ist es, ein Erlaubnisvorbehalt der Personalabteilung zu definieren, die dann die rechtlichen Grundlagen für das Arbeiten ausserhalb der Schweiz vor dem Weggang des Arbeitnehmenden ins Ausland prüft.
Wenn vom Arbeiten aus dem Ausland die Rede ist, muss explizit die Grenzgänger-Thematik angesprochen werden. Galten noch Ausnahmeregelungen für diese bis Juni 2022, so muss zumindest aufgrund der Sozialversicherungsregelung festgehalten werden, dass sich Grenzgänger mit einem 100-Prozent-Pensum lediglich einen Tag pro Woche zum Arbeiten in ihrem Heimatland aufhalten dürfen. Gerade im Hinblick auf diese unflexible Konstellation ist auf eine Gesetzesanpassung zu hoffen.
Was ist zu tun?
Es ist empfehlenswert, die Rahmenbedingungen für Arbeiten ausserhalb der Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers, soweit noch nicht geschehen, im Einzelarbeitsvertrag zu regeln sowie eine interne Richtlinie für mobiles Arbeiten einzuführen. In der Richtlinie können unter anderem Grundsätze zur und Erwartungen an die Arbeitszeit, Grundsätze des Gesundheitsschutzes und der Vertraulichkeit sowie für das Arbeiten im Ausland festgehalten werden. Doch selbst wenn eigene Grundlagen für mobile Arbeitsformen in einem Unternehmen geschaffen werden, müssen diese auch bis zu den Arbeitnehmenden durchdringen und verstanden werden. Es ist daher ratsam, die Arbeitnehmenden diesbezüglich zu informieren und zu schulen.
Bei allen Veränderungen, die das mobile Arbeiten mit sich bringt, ist die aktive Beteiligung sowohl von Arbeitgebern wie Arbeitnehmenden gefragt. Auf der einen Seite muss Vertrauen des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmenden gegeben sein und auf der anderen Seite darf dieses Vertrauen auch nicht ausgenutzt werden.