Partner-Post Kosten und Energie

Die unmittelbare Zukunft von Datenspeicherung und Rechenzentren

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von Boris Siegenthaler, Gründer und strategischer Direktor, Infomaniak

Laut dem Marktforscher IDC soll der europäische Public-Cloud-Markt bis 2026 jährlich im Schnitt um 22 Prozent wachsen. Folglich drängt sich angesichts der Energiekrise eine grundlegende Frage auf: Ist es in unmittelbarer Zukunft vertretbar, in Rechenzentren, die einen Grossteil, ja sogar die Gesamtheit ihrer Energie verschwenden, immer mehr Daten zu speichern?

Boris Siegenthaler, Gründer und strategischer Direktor, Infomaniak. (Source: zVg)
Boris Siegenthaler, Gründer und strategischer Direktor, Infomaniak. (Source: zVg)

Rechenzentren sind Wärmeerzeuger

In der virtuellen Welt speichert ein Rechenzentrum Daten und führt Berechnungen aus. Doch in Wirklichkeit wandeln diese Infrastrukturen elektrische Energie lediglich in thermische Energie um. Und diese Wärme verpufft im Winter wie im Sommer und am Tag und in der Nacht ungenutzt. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich entweder um kleine Projekte oder um einen kleinen Anteil am Stromverbrauch der gesamten Infrastruktur. Schlimmer noch: Die überwiegende Mehrheit der Cloud-Anbieter klimatisiert ihre Serverräume noch. Das erhöht ihren Stromverbrauch noch weiter und erzeugt noch mehr Wärme. Und doch sind professionelle Server seit mindestens neun Jahren so ausgelegt, dass sie während ihrer gesamten Lebensdauer Temperaturen über 30 Grad verkraften.

 

Vorbildliche Lösungen bestehen und funktionieren

Beim Bau eines Rechenzentrums geht es vorrangig darum, einen geeigneten Standort zu finden. Entgegen den üblichen Praktiken sollte sich ein Rechenzentrum im Herzen einer Stadt oder in der Nähe eines Ballungsgebiets befinden, damit es an ein Fernwärmenetz mit ausreichender Leistungsfähigkeit angeschlossen werden kann. Da Städte im Sommer deutlich weniger Wärme benötigen als im Winter, muss es möglich sein, die gesamte vom Rechenzentrum produzierte Wärmeenergie das ganze Jahr über aufzufangen, um jegliche Verschwendung zu vermeiden.

Das Prinzip dabei ist ganz einfach: Ein Rechenzentrum besteht aus Kalt- und Warmgängen, damit die Server nur mit gefilterter und nicht klimatisierter Luft auf optimaler Betriebstemperatur gehalten werden können. Wenn die Aussentemperatur im Sommer auf bis zu 38 Grad klettert, reicht es, den Luftstrom zu erhöhen, um die von den Servern produzierten Wärmekalorien abzuführen. Allein durch die Beseitigung der Klimaanlage eines Rechenzentrums lässt sich ein PUE von unter 1.1 erreichen, wohingegen der europäische Durchschnitt bei 1.8 liegt. Konkret werden von den 100 W, die von Servern verbraucht werden, 80 W für den Betrieb des Rechenzentrums verwendet.

Statt die 45 Grad warme Luft der Server in die Atmosphäre abzugeben, muss diese mit Wärmepumpen aufgefangen werden, die die Temperatur der Luft auf 67-82 Grad steigern und für die Warmwasserbereitung nutzen. Analog zu einem Kühlschrank, der Wärme abführt und Kälte erzeugt, produziert eine Wärmepumpe Kälte, um die Temperatur zu erhöhen. Folglich genügt es, diese Kälte aufzufangen, in die Kaltgänge zu blasen und die um die Server strömende Luft auf rund 28 Grad zu halten. Im Gegensatz zu bereits bestehenden vergleichbaren Modellen ist ein solches System geschlossen, und die gesamte Energie des Systems wird vollständig genutzt, darunter auch die Energie der Wärmepumpen. Das Warmwasser wird letztlich in das Fernwärmenetz eingespeist und von Haushalten oder Industriebetrieben genutzt. Doch das ist kein theoretisches Konzept: Infomaniak setzt dieses aktuell mit seinem dritten Rechenzentrum um, das bis Ende 2023 in Betrieb gehen dürfte und an 365 Tagen pro Jahr 100 Prozent seiner Abwärme einer Wiederverwendung zuführt.

Gewiss bestehen teilweise vergleichbare Projekte, bei denen Server mit Seewasser gekühlt werden oder unter der Meeresoberfläche platziert werden. Doch ist es nicht absurd, zur Erwärmung der Ozeane oder Seen beizutragen, obwohl es möglich ist, ein geschlossenes System zu betreiben und die von den Servern verbrauchte Energie einer zweiten Verwendung durch Haushalte und Industriebetriebe zuzuführen?

Um die Umweltbilanz weiter zu verbessern, ist es ebenfalls erstrebenswert, Infrastrukturen mit reinem Ökostrom zu betreiben und bevorzugt nachhaltige Materialien zu verwenden. Cloud-Anbieter belasten die Umwelt am meisten durch den Kauf neuer Server, die pro Einheit durchschnittlich für 2 t CO2-Äquivalente verantwortlich sind. So kann ein professioneller Server nach sieben Jahren Nutzung mit gebrauchten Komponenten aktualisiert (Kreislaufwirtschaft) und bis zu 15 Jahre betrieben werden, ohne die Leistung und Zuverlässigkeit von Diensten in einer über mehrere Standorte redundanten Cloud-Infrastruktur zu beeinträchtigen.

 

Warum sind solche Praktiken nicht Pflicht?

Die elektrische Energie, die in Form von Wärme wiederverwendet wird, kann weiterverkauft werden. Folglich ermöglicht die erforderliche Erstinvestition, die Stromrechnung um mindestens 20 Prozent zu verringern. Langfristig zahlt sich das wirtschaftlich aus – ganz zu schweigen von den positiven Aspekten für die Umwelt.

Wie also ist die Trägheit bei der Entwicklung unserer Industrie zu erklären? Schuld sind die Praktiken von Unternehmen, die Segmente von Rechenzentren mieten, und die unzureichende Aufsicht seitens der Behörden. Um die Einführung derartiger Praktiken zu beschleunigen, muss unsere Industrie gezwungen werden, die Wärme von Rechenzentren wiederzuverwenden. Ausserdem müssen Letztere an Fernwärmenetze angeschlossen werden, die auf ihre Energiekapazität zugeschnitten sind. So wie der Kanton Genf gerade sein Gesetz über Energie (LEn) (PDF) geändert hat, sind auch Anreizmassnahmen über Programme für Subventionen und die Modernisierung von Infrastrukturen denkbar.

 

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