KPIs für die Digitalisierung

Employee Engagement – die Kristallkugel für den (Unternehmens)erfolg

Uhr
von Silvan Winkler, Leiter Diagnostik und Projekte, Jörg Lienert

Kaum ein HR-KPI hat die letzten Jahrzehnte so breit Fuss gefasst wie das Employee Engagement. Wissenschaftliche ­Studien belegen eindrücklich die Prognosekraft dieser vermeintlich "weichen" Messgrösse – doch wie lässt sie sich ­steuern? Und welche Gefahren verbergen sich hinter ihrer Nutzung als Zielvorgabe?

Ich arbeite seit bald zwei Jahrzenten mit Kennzahlen und Metriken im Bereich Human Resource Management. In dieser Zeit hat sich die bereits damals in Unternehmen oft anzutreffende HR-Kennzahl des Mitarbeiterengagements (auch Employee Engagement oder Commitment) weiter etabliert und kann inzwischen als eine Art Industriestandard betrachtet werden. Klassischerweise werden je zwei bis drei Fragen im Rahmen einer Mitarbeitendenbefragung zu den Komponenten "Say" (spreche ich positiv mit anderen über meinen Arbeitgeber), "Stay" (beabsichtige ich, bei meinem Arbeitgeber zu bleiben) und "Serve" (bin ich bereit, mich über das geforderte Mass für meine Arbeitgeberin zu engagieren) erhoben.

Werde ich heute gefragt, welche HR-Kennzahl ich wählen würde, wenn ich nur eine einzige wählen könnte, um ein Unternehmen zu steuern oder zu bewerten, so würde ich das Mitarbeiterengagement wählen. Und zwar aus folgenden Gründen:

  1. Es ist einfach zu erheben im Rahmen einer Mitarbeitendenbefragung.

  2. Es ist unmittelbar handlungsrelevant – ich kann nämlich die Faktoren, die erwiesenermassen das Engagement beeinflussen (Vorgesetzte, Entwicklungsmöglichkeiten, Arbeitssituation etc.) verhältnismässig einfach steuern und kontrollieren.

  3. Sie ist eine stabilere und robustere Messgrösse als die Mitarbeitendenzufriedenheit, die deutlich volatiler und anfälliger ist für kurzfristige Ereignisse.

  4. Es ist eine der wenigen bekannten Variablen, die zuverlässig den künftigen Geschäftserfolg hervorsagen kann (z. B. den Gewinn in Banken; die Patientensterblichkeit in Spitälern; die Zufriedenheit und Wiederkaufsbereitschaft von Kunden in Service- und Verkaufsorganisationen).

  5. Zudem gibt es wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Engagement kausal dem Erfolg von Unternehmen vorgelagert ist.

Im Kontext von Digitalisierungsprojekten (z. B. eine digitale Transformation) ist diese Messgrösse interessant, weil sie einerseits Hinweise auf den Schub und die Energie der Mitarbeitenden liefert, die Transformation tatsächlich im Kopf und im Bauch mitzutragen. Andererseits kann sie als Frühwarnindikator gelten und Hinweise auf sich abzeichnende Kündigungswellen oder erhöhte krankheitsbedingte Absenzen durch Überlastung geben. Noch wertvoller wird sie, wenn in der Befragung sogenannte Treiber inkludiert werden, die direkt auf das ­Digitalisierungsprojekt Bezug nehmen (Transparenz in der Kommunikation; Art und Weise, wie Betroffene eingebunden werden etc.). Professionelle Befragungsinstitute können hier Schützenhilfe leisten beim Formulieren der Fragen.

Bei all diesen Vorteilen und Nutzenaspekten stellt sich berechtigterweise die Frage, warum nach wie vor nicht alle Unternehmen diese Kennzahl erheben. Dies dürfte unter anderem der Tatsache geschuldet sein, dass sich viele Unternehmen mit der Umsetzung von Massnahmen schwertun, die aus Mitarbeiterengagement-Befragungen entstehen können.

  • Die Interpretation und Umsetzung der Erkenntnisse sind oft sehr viel aufwändiger als die Messung an sich. Als Folge davon verschwinden die Befragungsresultate in der Schublade.

  • Setzt ein Unternehmen Engagement-Ziele, beginnt oft ein schwer zu vermeidender Wettstreit um möglichst hohe Werte – Manipulationsversuche inklusive. Die Messgrösse wird dann leider schnell unbrauchbar.

  • Werden die Teams mit tiefem Engagement Score dazu verdonnert, mittels Workshops Massnahmen zu definieren, so kann die Befragung relativ leicht manipuliert werden – Mitarbeitende setzen die Kreuzchen in der Erhebung extra etwas positiver als es der Realität entspricht, um die lästigen Workshops zu vermeiden.

Man sieht: Fingerspitzengefühl ist gefragt. Am erfolgreichsten sind meiner Erfahrung nach diejenigen Unternehmen, die bewusst zwischen Messung und Umsetzung von Massnahmen hin und her pendeln, die zeitnah und kontinuierlich über Resultate und Massnahmen informieren, und welche die Messung des Engagements als Teil ihrer Unternehmens-DNA bereits etabliert haben und sie regelmässig durchführen.

Webcode
DPF8_276157