Bundesrat schickt umstrittenes Leistungsschutzrecht in die Vernehmlassung
Im Rahmen einer Änderung des Urheberrechtsgesetzes will der Bundesrat grosse Onlinedienste wie Google verpflichten, Medienunternehmen für die Nutzung kleiner Textschnipsel zu entschädigen. Dieses so genannte Leistungsschutzrecht erntet Kritik.
Geht es nach dem Bundesrat, sollen grosse Onlinedienste wie Google oder Facebook künftig dafür zahlen, wenn sie Text- und Bildvorschauen von Medienhäusern in ihre Angebote einbinden. Eine entsprechende Änderung des Urheberrechtsgesetzes (URG) hat er Ende Mai in die Vernehmlassung geschickt.
Bisher, erklärt die Exekutive, seien die etwa in Google-Suchergebnissen angezeigten Textschnipsel aufgrund ihrer Kürze nicht durch das Urheberrecht geschützt. Die Angebote von Suchmaschinen, sozialen Medien und Multimedia-Plattformen basierten weitgehend auf den journalistischen Leistungen klassischer publizistischer Medien. Medienunternehmen und Medienschaffende erhielten jedoch von den Anbietern der Online-Dienste heute keine Vergütung für die Nutzung dieser Leistungen.
Konkret schlägt der Bundesrat vor, dass grosse Online-Dienste den Medienunternehmen für die Nutzung von Snippets eine Vergütung entrichten müssen. Zeigt beispielsweise eine grosse Suchmaschine in ihren Suchresultaten Ausschnitte aus Zeitungsartikeln, soll der Online-Dienst dafür künftig eine Vergütung bezahlen. Vergütungspflichtig wären ausschliesslich Online-Dienste, die eine durchschnittliche Zahl von Nutzerinnen und Nutzern von mindestens 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung pro Jahr aufweisen.
Die Verwertung der Rechte an den Medieninhalten soll über eine Verwertungsgesellschaft erfolgen. Diese vertritt die Interessen der Medienunternehmen und Medienschaffenden kollektiv und handelt mit den vergütungspflichtigen Online-Diensten die Höhe und Modalitäten der Vergütung aus. Man setze damit auf eine bewährte und im internationalen Vergleich unbürokratische Lösung, argumentiert der Bundesrat. Sie stelle zugleich sicher, dass auch die kleineren und regionalen Medienunternehmen von der Vergütung profitieren.
Offen lässt der Bundesrat die Frage, ob auch das Teilen von Snippets durch die Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien zu einer Vergütungspflicht der Anbieter führt. Er hat dazu zwei Varianten in die Vernehmlassung geschickt. Das Setzen von reinen Hyperlinks soll vergütungsfrei bleiben, wie der Bundesrat weiter mitteilt.
Gemischte Reaktionen
Medienhäuser zeigen sich in ihren Stellungnahmen grundsätzlich zufrieden mit dem bundesrätlichen Vorstoss. So erklärt etwa der Verband Schweizer Medien (VSM), den Schweizer Medien würden heute Werbe- und Aboeinnahmen abgeschöpft, während die internationalen Internet-Plattformen ihren Gewinn dank der journalistischen Inhalte stetig steigerten, wie die "Werbewoche" zusammenfasst. Die Allianz "Pro Leistungsschutzrecht", der unter anderem die Nachrichtenagentur Keystone-SDA, die SRG sowie Verbände privater Radios und TV-Sender angehören, fordert derweil eine faire Vergütung seitens internationaler Tech-Konzerne.
Kritik kommt derweil vom Swico. Es sei "befremdlich, dass der Bundesrat die vom Stimmvolk verworfene staatliche Medienfinanzierung nun mit einem Leistungsschutzrecht auf Private abwälzen will", schreibt der Verband der Digitalbranche in einer Mitteilung. Ferner widerspreche die angestrebte Linksteuer "dem Wesen eines freien Internets, das seine Vielfalt der Beisteuerung von Inhalten und Links verdankt". In anderen Ländern habe ein Leistungsschutzrecht keine spürbaren Auswirkungen auf die Qualität des Journalismus gebracht, merkt der Swico an.
Eine Bedrohung für den Qualitätsjournalismus sieht derweil die Digitale Gesellschaft: Ein solches Recht führt laut ihrer Mitteilung "zu einer weiteren Konzentration der Medienverlage und zu einer noch stärkeren Verdrängung von demokratierelevantem Qualitätsjournalismus durch einen Sensations- und Schlagzeilenjournalismus, der viele Klicks generiert und die Kultur der öffentlichen politischen Debatten zerstört".
Die Versuche der Umsetzung eines solchen Systems in einigen Ländern in Europa hätten gezeigt, dass der behauptete Effekt, die Stärkung des politischen und regionalen Journalismus, oder der Förderung der Berichterstattung über Kultur in keiner Art und Weise eintrete, fügt die Organisation hinzu.
Tech-Konzern Google kündet laut der Werbewoche an, sich in der Vernehmlassung einbringen zu wollen. Das Unternehmen hält fest, dass Betreiber von News-Websites schon heute selbst entschieden, ob und wie Schlagzeilen und Links in der Google-Suche erschienen.
Die Vernehmlassung zum geänderten Urheberrechtsgesetz dauert bis zum 15. September 2023.
Im Sommer 2021 verhängte die französische Kartellbehörde eine 500-Millionen-Euro-Busse gegen Google. Der Konzern habe Verlage nicht für Inhalte vergütet, die in der Suchmaschine auftauchten. Mehr dazu lesen Sie hier.