Tanzende Neuronen
Schlafstörungen sind verbreitet. Insbesondere Menschen mit Parkinson und Alzheimer leiden darunter. Forschende an UZH, USZ und ETH entwickeln ein Gerät, das den Schlaf vertieft und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten verbessert.
Nacht für Nacht tragen sich in unserem Kopf wundersame Dinge zu. Dann tanzen die Nervenzellen in unserem Hirn quasi im Gleichtakt. In den Tiefschlafphasen, die sich jede Nacht mehrmals wiederholen, synchronisieren sich die Neuronen und schwingen gemeinsam in langsamen elektrischen Wellenbewegungen. In dieser Zeit wird in unserem Kopf aufgeräumt, die Eindrücke des Tages werden verarbeitet, das Gedächtnis gestärkt. Körper und Geist können sich erholen und sich wieder fit machen für den nächsten Morgen. "Je grösser diese Wellenbewegungen sind, das heisst, je grösser ihre Amplitude ist, desto tiefer und erholsamer schlafen wir", sagt Psychologin und Biologin Angelina Maric, die an der UZH und am Universitätsspital erforscht, wie sich das Schlafverhalten auf unsere Gesundheit und speziell auf unser Hirn auswirkt.
Gerädert und unausgeruht
Ist der Schlaf gestört, kann das negative Folgen für unsere Leistungsfähigkeit und unsere Gesundheit haben. Wer zu wenig tief schläft, fühlt sich am nächsten Tag gerädert und unausgeruht. Die Konzentrationsfähigkeit ist reduziert, die Impulskontrolle verringert, das Immunsystem geschwächt und die Tendenz zu Sekundenschlaf erhöht. Damit steigt auch das Unfallrisiko. Längerfristig kann zu wenig Tiefschlaf auch das Hirn belasten und es anfälliger machen für neurodegenerative Krankheiten wie etwa Parkinson und Alzheimer. "Zur Prävention ist es deshalb wichtig, dass wir auch in jüngeren Jahren bereits drauf achten, dass wir gut und genug schlafen", sagt Angelina Maric.
Stress und unruhige Beine
Das ist zuweilen einfacher gesagt als getan. Schlafstörungen sind heutzutage weit verbreitet. Die Ursachen dafür können ganz unterschiedlich sein. Zu viel Stress, aber auch physiologische Gründe wie das Restless-Legs-Syndrom – ein unangenehmer Bewegungsdrang der Beine – können Menschen am Ein- und Durchschlafen hindern. Mit zunehmendem Alter wird unser Schlaf zudem immer leichter – ältere Menschen schlafen weniger lang und weniger tief als jüngere.
Mit Alzheimer und Parkinson verknüpft
Schlafstörungen können auch krankheitsbedingt sein. Sie machen insbesondere Parkinson-, aber auch Alzheimer-Patientinnen und -Patienten zu schaffen. "Ein gestörter Schlaf ist eng mit diesen beiden Krankheitsbildern verknüpft", sagt Angelina Maric. Das hat in zweierlei Hinsicht negative Konsequenzen: Denn einerseits kann der mangelnde Tiefschlaf dazu führen, dass sich in den Blutgefässen vermehrt unerwünschte Proteine ablagern, die den Verlauf dieser neurodegenerativen Krankheit weiter beschleunigen; andererseits erhöht die Übermüdung die Sturzgefahr von Menschen mit Parkinson.
Um die Gefahr von Unfällen zu verringern und die weitere negative Entwicklung der Krankheit zu hemmen, ist es deshalb wichtig, dass Parkinson- und Alzheimer-Patientinnen und -Patienten möglichst gut und tief schlafen. Angelina Maric arbeitet daran, dies mit einer neuen medizinischen Methode zu unterstützen. Die UZH-Forscherin ist Teil des Flagship-Projekts "Sleeploop" der Hochschulmedizin Zürich, das die beiden Schlafforscher und UZH-Professoren Christian Baumann und Reto Huber gemeinsam mit Walter Karlen, der heute an der Universität Ulm forscht, vor rund sechs Jahren lanciert haben.
Schlafmittel sind problematisch
Im Sleeploop-Projekt entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universität, ETH und Universitätsspital Zürich eine neue, nichtmedikamentöse Therapie, mit der die Qualität des Tiefschlafs verbessert werden soll. Bislang waren Medikamente das einzige Mittel gegen einen gestörten Schlaf. Doch Schlafmittel sind problematisch: Sie haben unerwünschte Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit am Tag, können abhängig machen, und sie beeinflussen nicht gezielt den Tiefschlaf, sondern wirken sich ganz allgemein auf das Schlafverhalten aus. Wer Schlafmittel nimmt, kann zwar besser schlafen, gleichzeitig schläft er oder sie aber nicht sehr tief. Mit "Sleeploop" liessen sich diese unerwünschten Effekte vermeiden.
Pink Noise im Ohr
Das "Sleeploop"-Stirnband unterstützt oder hemmt den Tiefschlaf mit einem Geräusch, dem "Pink Noise". (Source: UZH)
Die Sleeploop-Forscherinnen und -Forscher entwickeln dazu ein Gerät, das mittels auditiver Hirnstimulation für intensiveren Tiefschlaf sorgen soll. Es besteht aus einem mit Elektroden und einem Mikrochip bestückten Stirnband, das beim Schlafengehen getragen wird. Die Elektroden messen die Hirnaktivitäten der Schlafenden und leiten die Messdaten an einen integrierten Mikrochip weiter, wo sie mit einer eigens dafür entwickelten Software in Echtzeit ausgewertet werden. Sobald die Nervenzellen im Gleichtakt zu tanzen beginnen und sich die langsamen Wellenbewegungen des Tiefschlafs einstellen, sendet "Sleeploop" periodisch ein kaum hörbares, kurzes Geräusch ins Ohr der Trägerinnen und Träger aus – so genannten Pink Noise, der entfernt nach Meeresrauschen klingt. Durch dieses Signal lässt sich der Verlauf der Wellenbewegung beeinflussen. "Wird dieses Geräusch kurz vor dem Wellenmaximum abgespielt, gibt das der Welle einen zusätzlichen Schub und lässt sie weiter anwachsen, anders gesagt: Die Amplitude wird verstärkt", sagt Angelina Maric. Dadurch wird der Schlaf vertieft und die Regeneration von Körper und Geist mutmasslich verbessert.
Taktgeber für die Tiefschlafwellen
Sleeploop ist eine Art Taktgeber für die elektrischen Tiefschlafwellen in unserem Kopf, sagt Angelina Maric. In Studien mit gesunden Testpersonen konnten die Sleeploop-Forscherinnen und -Forscher bereits zeigen, dass ihre Methode funktioniert und sich positiv auf den Schlaf auswirken kann. Vor kurzem konnte Angelina Maric nun auch in einer Untersuchung mit Parkinson-Patientinnen und -Patienten einen positiven Effekt nachweisen. Für ihre experimentelle Studie nutzten Testpersonen, die an Parkinson leiden, das smarte Stirnband zwei Wochen lang zuhause – mit einem erfreulichen Resultat. "Sie waren morgens weniger schläfrig und fühlten sich insgesamt wohler als zuvor", sagt Angelina Maric. Trotz diesem ermutigenden Befund ist noch nicht klar, ob die Therapie mit dem Schlaftaktgeber auch längerfristig wirkt und sich wie von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermutet auch positiv auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Deshalb plant Maric nun eine über mehrere Jahre laufende Langzeitstudie, in der diese Fragen geklärt werden sollen.
Tiefschlafwellen hemmen
Nützlich sein könnte Sleeploop aber nicht nur für Patientinnen und Patienten, die an an einer Parkinson- oder Alzheimer-Erkrankung leiden, sondern auch bei der Behandlung von Depressionen. Denn mit der auditiven Hirnstimulation kann der Tiefschlaf nicht nur vertieft, sondern im Gegenteil auch abgeschwächt werden. Wird nämlich das Signal kurz vor einem Wellental abgespielt, hemmt es den Verlauf der nächsten Tiefschlafwelle – sie wird weniger hoch. Und damit der Schlaf weniger tief. Dieser Effekt könnte für die Therapie bei depressiven Verstimmungen genutzt werden. "Untersuchungen haben gezeigt, dass der Tiefschlaf bei Depressionen in bestimmten Hirnregionen zu stark ausgeprägt sein kann und weniger tief zu schlafen die Symptome mildern könnte", sagt Angelina Maric. Wie und ob das mit Sleeploop möglich ist, untersucht momentan ein Team von Forschenden an der ETH.
Zurzeit läuft die Sleeploop-Forschung, an der sechzehn wissenschaftliche Teams aus ganz unterschiedlichen Gebieten von der Neurologie über die Psychiatrie bis zur Biomedizinischen Technik beteiligt sind, auf Hochtouren. Parallel dazu arbeitet die Spinoff-Firma Tosoo daran, auf Basis der Sleeploop-Methode ein kommerzielles Produkt zu entwickeln. "Im Gegensatz zu Lifestyleprodukten zur Schlafstimulation, die heute bereits auf dem Markt erhältlich sind, steht Sleeploop auf dem Fundament ausführlicher Forschung und ist auf eine klinische Anwendung ausgerichtet", sagt Angelina Maric. Bis das medizinische Gerät jedoch breit in der Praxis angewendet wird und die Tiefschlafwellen von Patientinnen und Patienten damit angeregt oder besänftigt werden, wird es wohl noch einige unruhige Nächte lang dauern.
Schlaftipps
Wer gut schläft, ist leistungsfähiger und gesünder. Für eine gute Schlafhygiene rät Schlafforscherin Angelina Maric, die folgenden Punkte zu beachten:
- Regelmässige Bettzeiten einhalten: Jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett gehen und zur gleichen Zeit aufstehen stärkt den inneren Schlaf-Wach-Rhythmus.
- Positive Einstellung zum Zubettgehen: Erst bei Müdigkeit ins Bett gehen. Schlafrituale helfen, das Schlafengehen positiv zu sehen und so Stress zu vermeiden, der sich negativ auf das Einschlafen auswirken kann.
- Anstrengungen direkt vor dem Zubettgehen vermeiden: Anstrengende körperliche und geistige Aktivitäten können aktivierend wirken und das Einschlafen erschweren. Deshalb ist es besser, entspannenden und nichtaufregenden Tätigkeiten nachzugehen.
- Eine gute Schlafatmosphäre schaffen: Eine gut temperierte, dunkle und ruhige Schlafumgebung hilft, zur Ruhe zu kommen.
- Auf stimulierende Substanzen am Abend verzichten: Koffein, Nikotin und auch Alkohol können den Schlaf stören.
Dieser Beitrag ist zuerst bei "UZH News" erschienen.
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