KI erreicht den Schweizer Web-Olymp
Präsenz lohnt sich: Dank Stimmen aus dem Saalvoting holt sich das Projekt von Arosa Tourismus den Master-Titel. Die 24. Ausgabe von Best of Swiss Web war geprägt von künstlicher Intelligenz. Es regnete haufenweise Auszeichnungen – 11 goldene, 28 silberne, 54 bronzene.
Best of Swiss Web hat zum 24. Mal gezeigt, wer unter den Schweizer Digitalagenturen den Takt vorgibt. Die Branche traf sich im Dübendorfer Eventlokal "The Hall", um die besten Webprojekte des Jahres und sich selbst zu feiern.
Insgesamt stemmten die Gewinnerinnen und Gewinner 93 Auszeichnungen in die Höhe: 11 goldene, 28 silberne und 54 bronzene – plus die Goldbach Crossmedia Awards und die Trophäe der Trophäen: den Master of Swiss Web 2024.
Eine Trophäe fehlte an diesem Abend jedoch: die Boje im "eidgenössichen Rot" für herausragende Projekte mit ".swiss"-Domain. Aufgrund der bevorstehenden Öffnung der Domain für Private entschied sich das Bundesamt für Kommunikation (Bakom), dieses Jahr auf eine Vergabe zu verzichten. Nächstes Jahr soll es aber wieder zur Verleihung des Spezialpreises kommen, wie Rolf Boesch vom Bakom sagte.
KI-Kampagne ganz oben
Die Qualität der eingereichten Projekte zeigte sich insbesondere in der Unentschlossenheit der Jurys. Bei der Best-of-Swiss-Web-Fachjurytagung am 4. März hatte das Projekt "Carmarket - Autos von Profis" die Nase vorn. Die Abonnentinnen und Abonnenten des Netztickers sahen "ParcelCity" vorn.
Drei Jurys, drei Favoriten: Am Ende machte Arosa Tourismus das Rennen. (Source: Netzmedien)
Doch den Unterschied machte letztlich das Publikum an der Award Night in Dübendorf aus. Dank dem Saalvoting holte sich "Arosa Tourismus - Arosa macht Träume wahr" den Titel Master of Swiss Web 2024.
Dazu gewann das Master-Projekt auch Gold in der Kategorie "Brand Experience" und Silber in der Kategorie "Marketing". In seiner Laudatio sagte "Brand Experience"-Jurypräsident Roman Hirsbrunner: "Die Arosa-Winterkampagne 2024 rief dazu auf, den eigenen persönlichen Bergtraum von einem KI-Tool in ein Bild umsetzen zu lassen. Als erste Crowd-generierte KI-Kampagne der Schweiz sorgte sie für Aufmerksamkeit."
Mysteriöses Spiel - ernstes Spiel
Trotz verpassten Master-Titel ging "ParcelCity" nicht leer aus. Das Serious Game des Logistikunternehmens Planzer holte sich Gold in der Kategorie "Innovation". Das Game richtet sich an Jugendliche, die man für eine Karriere in der Disposition gewinnen will. Dieser "neuartige Ansatz" überzeugte die Jury, wie Jurypräsidentin Sibylle Peuker sagte. "Die Umsetzung ist zielgruppengerecht, wartet mit viel Liebe zum Detail auf und ist mit vielen Interaktionen versehen."
Mit "The FlipCode Mystery" gewann ein weiteres Gamification-Projekt Gold in der Kategorie "Marketing". Jurypräsident Andreas Widmer bezeichnete das Projekt als "hervorragende Zusammenarbeit zwischen Samsung und der TV-Serie ‘Tschugger’". Das Projekt habe die Verknüpfung von klassischem TV und digitaler Aktivierung gekonnt geschafft, indem es das Publikum zum Teil der Story mache. "The FlipCode Mystery" gewann zudem Gold bei den Goldbach Crossmedia Awards.
Ein Gold-Benchmark und die persönliche Energiewende
In der Kategorie "Business" holte sich die neue Website des Maschinenbauunternehmen EAO den Sieg. Die Website umfasst einen 3-D-Produktkatalog, der 1 Million konfigurierbare Varianten von EAO-Produkten abbildet. Das Projekt "setzt neue Massstäbe im digitalen Verkauf", sagte Jurypräsidentin Maud Hoffmann. "Die Plattform brilliert mit messbaren Erfolgen und ist so ein klarer Gold-Benchmark für die Schweizer Industrie."
Gewinner in der Kategorie "Technology" ist "Frontify – Marketplace und Brand SDK". Das Software Development Kit (SDK) ermöglicht es Unternehmen, eigene Content Blocks für ihre Markenauftritte zu entwickeln. Über den Marketplace lassen sich diese anschliessend auch Dritten zur Verfügung stellen. "Die schnelle und umfassende Lösung erlaubt es, solche Bausteine produktiv, zeitnah und massgeschneidert zu realisieren", sagte Jurypräsident Daniel Liebhart. "Besonders begeistert hat die Jury die Möglichkeit, neue Elemente in Rekordzeit über den Marketplace zur Verfügung stellen zu können."
"Helion - Mit Digitalisierung zur Energiewende" heisst das Siegerprojekt in der Kategorie Digital Commerce. Mit dem Online-Offerten-Generator kommen Interessierte mit wenigen Klicks zu einem Angebot für die eigene Photovoltaik- oder Wärmepumpenanlage. "Nach dem Zuschlag stehen die Informationen und entsprechende Software auch für die Planung und Montage zur Verfügung", führte Jurypräsident Pascal Sieber aus. "Die Plattform bildet somit den Anbahnungs-, Verkaufs- und Umsetzungsprozess digital ab und leistet damit einen grossen Beitrag zur Energiewende."
Eindrücke der Best of Swiss Web Award Night. (Source: Best of Swiss Web)
Ein Portal für Lehrpersonen in spe und ein Auftritt mit Stones-Bezug
Gold in der Kategorie "User Experience" gab es für den Relaunch der Website der Pädagogischen Hochschule Zürich. Die Website biete den Usern "Joy of Use mittels sauber aufbereiteter Inhalte und einer guten Benutzerführung", sagte Jurypräsident Daniel Felix. Er lobte die Vernetzung der Themen, die flache Navigationshierarchie und das aufs Wesentliche reduzierte visuelle Design der Website. "Ein Wizard unterstützt die Benutzer beim Eingrenzen der Inhalte – eine sehr überzeugende Lösung." Auch die Accessibility sei sehr gut berücksichtigt worden.
In der Kategorie "Creativity" machte "Bullitt Productions" das Rennen. Die Produktionsfirma aus Zürich war 2017 für die Rolling Stones als Site Coordinator auf Europatour unterwegs - ein paar Jahre zuvor hatte Bullitt Productions bereits einen ähnlichen Gig mit Bruce Springsteen an Land gezogen. Die Website der Zürcher Eventagentur habe "mit ihrem frischen, eigenständigen Image, ihrem spielerischen Zugang und diversen gestalterischen Überraschungen" überzeugt, sagte Jurypräsident Mark Burow. "Das mutige, zeitgemässe Branding gibt Einblick in die Komplexität der Eventbranche, ohne sich in unnötigen Details zu verlieren, und stellt so auf sympathische Art und Weise die Stars hinter den Stars einmal auf die Bühne!"
Ufzgi-Hilfe durch KI und ein Kuratorium für den Autohandel
"Smart lernen mit der Lernplattform Evulpo" gewann Gold in der Kategorie "Public Value". Evulpo (ehemals Schlaufux) ist eine Lernplattform, die im vergangenen Januar einen KI-Tutor lancierte, der für mehr Chancengleichheit in der Bildung sorgen soll. Trainiert hat der E-Learning-Anbieter seine KI mit dem Lehrplan 21, also mit Inhalten, die Schweizer Schulen ab der 3. Primarstufe bis zum Ende der Sekundarstufe vermitteln. "Die Beta-Version des KI-gestützten, mehrsprachigen Chatbots befähigt Schülerinnen zum Selbstlernen", sagte Jurypräsident Reinhard Riedl. "Ein sehr gutes Beispiel für Public Value durch Digital Enabling!"
Die Goldboje in der Kategorie "Productivity" holte sich "Carmarket – Autos von Profis". Es handelt sich um einen Online-Automarktplatz mit ausschliesslich von Fachhändlern geprüften Fahrzeugen. Der stellvertretende Jurypräsident Michael Schroeder lobte insbesondere die Suchfunktionen wie das Match-Maker-Feature der Plattform. "Carmarket schafft sowohl für den End-User als auch für die Händler einen marken- und plattformübergreifenden, durchgehenden Prozess: Vom Aussuchen über die Testfahrt zum Angebot und Leasingvertrag ist die vollständige User Journey mit einer nahtlosen Integration in die Umsysteme abgebildet."
In der letzten Kategorie des Abends, "Performance Campaigns", heimste der Versicherer Axa den Sieg ein. Die Kampagne "Axa – Focus on what matters" bringe mit einer durchdachten Konzeption und dem gezielten Einsatz von Optimierungen den gewünschten Erfolg, sagte Jurypräsident Thomas Schrämli. "Die dynamische Darstellung der Creatives anhand von Nutzerbedürfnissen gefällt uns sehr." Die Performance-Daten lägen klar über dem Benchmark der Branche. "Die Weiterentwicklung von Kampagnen über so viele Jahre ist beeindruckend und diesen Effort belohnen wir mit Gold."
KI verdrängt Techno-Milliardär
Im traditionellen Jahresrückblick von Jury-Chairman Christof Zogg darf er natürlich nicht fehlen: Elon Musk war in den vergangenen Jahren die von Zogg wohl am häufigsten persiflierte Persönlichkeit. Doch dieses Jahr spielte Musk in der Rückschau auf das vergangene Web-Jahr nur eine Nebenrolle - und zwar als Rabauke, der Meta-Chef Mark Zuckerberg provozierte, ihn zum Showkampf herausforderte, nur um schliesslich unter Verweis auf angebliche Schulterprobleme dann doch einen Rückzieher zu machen.
Zoggs Rückblick stand ohnehin unter einem anderen Vorzeichen. "Was letztes Jahr Elon Musk war, ist dieses Jahr künstliche Intelligenz", sagte er. Der Jury-Chairman erwähnte unter anderem das KI-Wettrennen zwischen den Tech-Giganten, wobei Google, ein einstiger Pionier auf diesem Gebiet, angesichts der Erfolge von ChatGPT-Entwickler OpenAI und dessen Partnerschaft mit Microsoft plötzlich ziemlich alt aussehe.
Zogg sprach auch über die Ankunft von KI in der Schweiz. Das KI-Institut des US-Roboterherstellers Boston Dynamics eröffnete Anfang 2024 einen Ableger in der Nähe der ETH Zürich - den eigentlichen Startschuss der KI-Revolution hierzulande habe jedoch ein anderes Unternehmen gegeben: Es war im April 2023, als die Schweizer Coca-Cola-Alternative Vivi Kola vorpreschte und ein mittels generativer KI kreiertes Getränk lancierte. Der Getränkehersteller beauftragte ChatGPT damit, ein veganes Rezept mit "health benefits" zu fabrizieren. Das Resultat: ein Soda mit Chicoreewurzel-Pulver und Haskap-Beerensaft. Wohl bekomm’s!