Personalisierte Medizin mit bestmöglichem Datenschutz
Forschende aus der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Luxemburg wollen mit künstlicher Intelligenz die Versorgung von Menschen mit Autoimmunerkrankungen verbessern. Das Ziel: massgeschneiderte Therapien bei Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen ermöglichen.
Die gleiche Therapie funktioniert nicht bei jedem und jeder gleich gut. Jeder Mensch ist verschieden, hat einen individuellen Krankheitsverlauf oder spricht unterschiedlich gut auf bestimmte Wirkstoffe an – mit mehr oder weniger Nebenwirkungen. Deshalb schürt der Begriff "Big Data" Hoffnung im Gesundheitswesen. Die Analyse grosser Mengen an Daten von Patientinnen und Patienten könnte neue Erkenntnisse bringen, wer von welcher Therapie am meisten profitiert.
Eine der grossen Hürden dabei sind die sehr heterogenen Daten: Spitäler haben mitunter ihre eigenen Prozesse, wie sie Proben nehmen und analysieren oder welche Messungen sie vornehmen. Das macht die Daten verschiedener Gesundheitszentren schwer vergleichbar.
Ein anderes Problem: Um ausreichende Datenmengen zusammenzubekommen, mit denen sich eine Künstliche Intelligenz (KI) trainieren liesse, müssten Patientendaten über Grenzen hinweg zusammengebracht werden. Das ruft Bedenken über den Datenschutz auf den Plan.
Dezentrales KI-Training
Das Forschungskonsortium Clinnova will diese Hürden überwinden und das Potenzial von KI für die Präzisionsmedizin erschliessen. Dafür verfolgt das internationale Projekt ein Konzept, das Datenqualität und Datenschutz sicherstellen soll: Zum einen etablieren die beteiligten Institutionen gemeinsame Prozesse, um während der kommenden Jahre eine Reihe klar definierter Daten zu sammeln. Dazu zählen klinische Daten, Bioproben wie etwa Blut und Urin, Messungen mit digitalen Sensoren sowie medizinische Bilddaten. Die Forschenden rekrutieren hierfür Patientinnen und Patienten, um mehrere Kohorten aufzubauen und diese über die kommenden Jahre zu begleiten.
Das Clinnova-Konsortium umfasst Partnerinstitutionen in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Luxemburg. (Source: zVg)
Zum anderen entwickeln sie die digitale Infrastruktur für "Federated Learning" – ein dezentrales Training für KI. Das Prinzip dahinter: Die Daten aus verschiedenen Gesundheitszentren fliessen nicht in eine grosse Datenbank ein, um darauf die KI zu trainieren. Stattdessen werden Teile des Algorithmus auf die jeweiligen Daten der einzelnen Institutionen angewandt. Die Daten bleiben dezentral und die KI wird anhand der gesammelten statistischen Parameter der Daten trainiert.
Unlängst hat der Kanton Basel-Stadt das Projekt mit vier Millionen Franken finanziert. "Jede beteiligte Institution muss ihre eigene Finanzierung stellen", erklärt Prof. Dr. Cristina Granziera von der Universität Basel, die die Verantwortung für das Clinnova Projekt im Basel hat und den Bereich der Multiple Sklerose-Forschung innerhalb von Clinnova leitet. "Nur dank dieser Unterstützung durch den Kanton können wir uns an diesem Konsortium beteiligen, von dem sowohl unsere Patientinnen und Patienten als auch die Universität und das Universitätsspital Basel noch lange profitieren werden." Cristina Granziera vertritt auch die Schweiz und Basel im internationalen Führungskonsortium von Clinnova.
Vorhersagen über Wirksamkeit und Timing
Das Potenzial einer solchen digitalen Infrastruktur für personalisierte Medizin sei gewaltig, ist Dr. Bram Stieltjes, Leiter des Forschungsnetzwerks "Personalized Health Basel" überzeugt. Im Rahmen von "Clinnova-MS" beispielsweise sollen Algorithmen trainiert werden, um personalisierte Therapielösungen für Patientinnen und Patienten zu generieren. MS gilt als "Krankheit mit tausend Gesichtern", weil sie individuell sehr unterschiedliche Verläufe und Merkmale aufweisen kann.
"Die Daten, die wir mit unserer MS-Kohorte sammeln werden, und die KI-gestützte Analyse derselben könnten beispielsweise Merkmale aufzeigen, welche mit früher MS und Übergangsphasen zu progressiver MS verbunden sind", erklärt Cristina Granziera. Diese und weitere Erkenntnisse aus dem Projekt sollen helfen, Patientinnen und Patienten künftig noch besser zu begleiten, indem Fachleute auf dieser Basis die bestmöglichen Therapieoptionen sowie den besten Zeitpunkt für die Therapie wählen können.
"Dieses Projekt wird für den Gesundheitsbereich international einen wegweisenden Charakter haben", betont Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel. "Es wird uns ermöglichen, digitale Gesundheitsdaten von grossen, internationalen Patientenkohorten mittels KI in der Forschung zu nutzen und so einen erheblichen Mehrwert für die universitäre Forschung, die Industrie und die Gesellschaft zu schaffen."
Dieser Beitrag ist zuerst auf der Website der Universität Basel erschienen.