Pilotstudie

Wie KI die Palliativmedizin unterstützen kann

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von Lia Perbo und jor

Ein US-amerikanisches Spital testet den Einsatz von KI in der Palliative Care und kommt zu vielversprechenden Ergebnissen. Auch im Schweizer Gesundheitswesen sind Innovationen in diesem Bereich bitter nötig.

(Source: Annie Spratt / unsplash.com)
(Source: Annie Spratt / unsplash.com)

KI und Palliativpflege - das klingt nach einer unpassenden Kombination. Gerade in einem Feld, das nach grossem menschlichen Feingefühl fragt, scheinen Automatisierung und digitale Auslagerung nichts verloren zu haben. Doch es gibt Gründe, diese Einschätzung zu hinterfragen. So hat das Massachusetts General Hospital in einer Pilotstudie Hinweise darauf gefunden, dass künstliche Intelligenz Patienten erkennen kann, bei denen Palliativmedizin, also die medizinische Betreuung unheilbar kranker Menschen an ihrem Lebensende, in Frage kommt. Und damit ist nicht nur den Betroffenen und deren Angehörigen geholfen - es entlastet das gesamte Gesundheitswesen. 

Konkret testete das Spital im Jahr 2023 während sechs Monaten ein System namens "Smart Hospice". Das KI-Tool identifizierte 17 Patienten, die von einer Überweisung in ein Hospiz profitieren würden und die ansonsten nicht bemerkt worden wären. Das sei als Erfolg zu werten: Betten für die stationäre Behandlung werden frei, wodurch sich laut Schätzungen jährlich 2 Millionen US-Dollar einsparen lassen, wie das Fachmagazin "Fierce Healthcare" berichtet. Gleichzeitig verbessere eine rechtzeitige Überweisung zur Palliativpflege oder in Hospize die Lebensqualität der Patienten, die dadurch von intensiven und teils unnötigen Eingriffen verschont werden.

Das Smart-Hospice-Tool ist laut eigenen Angaben eine "Echtzeit-Entscheidungshilfe" und nutzt Gesundheitsdaten und -werte, um "On the border"-Patienten zu identifizieren, die unnötige Eingriffe riskieren. Denn Interventionen seien in der Medizin der Standard - sie würden automatisch verschrieben, wenn man nicht aktiv etwas dagegen unternimmt. 

Auf die Frage nach der Ethik dieses Vorgehens hat die Ärztin Amy Baughman gegenüber "Fierce Healthcare" eine klare Antwort: Das Tool solle keineswegs menschliche Entscheidungen ersetzen. "Es ist ein Werkzeug, das die bereits bestehenden Arbeitsabläufe ergänzt und das Personal dabei unterstützt, blinde Flecken zu erkennen." Palliativberatungen seien besonders schwierige Gespräche. Das Personal schätze es deshalb umso mehr, die Einschätzungen der KI im Rücken zu haben, um eine Überweisung zu rechtfertigen. Das ergaben laut "Fierce Healthcare" interne Umfragen vor und nach der Pilotstudie. 

Palliativmedizin auch in der Schweiz unterfinanziert

Auch in der Schweiz ist ein würdevolles und selbstbestimmtes Sterben ohne zwecklose Interventionen keine Selbstverständlichkeit. Obwohl die allermeisten Menschen zu Hause sterben wollen, wird dieser Wunsch am Ende den wenigsten gewährt, wie eine repräsentative Befragung des Bundesamts für Statistik zeigt. Stattdessen prägen unnötige Spitaleinweisungen, ungewollte Behandlungen und unzählige Verlegungen die letzte Lebenszeit. Die Palliative Care kämpfe hierzulande auch Jahrzehnte nach ihrer Etablierung noch mit den verkrusteten Strukturen im Gesundheitswesen und müsse dringend besser finanziert werden, schreibt die "NZZ". 

Dass die Palliativversorgung nicht als belangloser Nischenbereich abgetan werden sollte, zeigen auch Studienergebnisse der Universität Bern: Demnach liessen sich allein mit einer besseren ambulanten Palliativ-Versorgung jährlich mindestens 150 Millionen Franken an Gesundheitskosten sparen. 

Gerade in Zeiten von ständig steigenden Gesundheitskosten und Burnout-gefährdetem Gesundheitspersonal scheint es unabdingbar, nach unkonventionellen Lösungen zu suchen. Vielleicht in Form von KI-Tools wie "Smart Hospice". 

 

Dass KI im Gesundheitswesen viel Potenzial hat, zeigen andere Einsatzfelder: So haben etwa Forschende der Johns Hopkins Universität ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Frühwarnsystem entwickelt, das die Überlebenschancen von Patientinnen und Patienten mit einer Sepsis verbessert, wie Sie hier lesen.

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