Schweizer Softwarefirmen coden mit KI – aber viel Potenzial lassen sie ungenutzt
Die Schweizer Softwarebranche experimentiert mit künstlicher Intelligenz. Besonders häufig entwickelt, dokumentiert oder wartet sie Softwarecode damit. Auf strategischer Ebene läuft dagegen nur wenig, wie der aktuelle Swiss Software Industry Survey zeigt.
Schweizer Softwareunternehmen und künstliche Intelligenz (KI) finden zueinander – aber langsam. Das zeigt der aktuelle Swiss Software Industry Survey (SSIS), eine regelmässig von der Universität Bern in Zusammenarbeit mit Sieber & Partners und dem Swico durchgeführten Studie. Grundlage der 10. Untersuchung ist eine von 368 Softwareunternehmen in 20 Kantonen und 3 Sprachregionen beantwortete Umfrage.
Für die meisten ist KI Neuland
Die Resultate zeigen, dass die hiesige Softwareindustrie mit KI experimentiert. 46,8 Prozent der Unternehmen nutzen demnach KI, um Softwarecode zu entwickeln und zu dokumentieren, wie es in der Medienmitteilung zur Studie heisst. In der Softwarewartung setzen 41,5 Prozent auf KI. Weniger verbreitet ist dagegen der Einsatz in Design, Testing und Analyse. Und besonders auffällig ist laut den Studienautoren, dass in vielen Unternehmen das Wissen über KI-Technologien in den Bereichen Planung und Integration fehle.
Überhaupt zögern viele, KI vollständig zu integrieren, wie es weiter heisst. 58 Prozent der Befragten begründeten das damit, dass sie ihre KI-Systeme nicht mit eigenen Daten trainieren. Dies erschwere die Anpassung an unternehmensspezifische Bedürfnisse und lasse das volle Potenzial der KI ungenutzt, heisst es dazu.
Die Resultate zeigen auch, dass für die meisten Softwareunternehmen KI noch Neuland ist: Von den Firmen, die KI einsetzen, gaben über 86 Prozent an, dies erst seit den vergangenen 18 Monaten zu tun. "Doch um Schritt zu halten, müssen Schweizer Softwareunternehmen weiterhin Zeit und Ressourcen investieren", kommentieren die Autoren.
Einsatz von KI-Technologien in Unternehmen. (Source: Swiss Software Industry Survey 2024)
KI kommt von unten
Viel Luft nach oben offenbart der SSIS im strategischen Bereich. Zwar sehen zwei Drittel der Befragten Unternehmen in KI einen erheblichen Mehrwert für ihre Geschäftstätigkeit. In der strategischen Planung spiegle sich dieses Potenzial aber kaum wider. Nur ein Drittel der Unternehmen habe eine klare Vision für den Einsatz von KI und über eine konkrete Strategie verfügen sogar weniger als 30 Prozent.
Die Autoren sehen in diesem Befund ein Anzeichen dafür, dass viele KI-Initiativen von unten, also durch die Entwickler, vorangetrieben werden. "Dennoch wäre es wichtig, das Thema stärker auf strategischer Ebene zu verankern, um langfristig Wettbewerbsvorteile zu sichern", fügen sie hinzu.
Einsatzgebiete von KI-Technologien in Unternehmen. (Source: Swiss Software Industry Survey 2024)
Mehr Budget, mehr Schulungen
Zurückhaltend zeigen sich Schweizer Softwareunternehmen auch hinsichtlich der Governance. Nur 12,4 Prozent der Unternehmen haben spezielle Steuerungsgremien für KI, und in 31 Prozent sind klare Zuständigkeiten festgelegt.
Weit verbreitet seien informelle Ansätze wie Förderung des Austauschs zwischen Abteilungen und Mitarbeiterschulungen. Die Zurückhaltung bei der Governance könnte daran liegen, dass der Umgang mit KI noch viele Unklarheiten berge und informelle Praktiken als flexibler und innovationsfördernder gelten, erklären die Autoren.
Trotz aktuell begrenztem Einsatz planen die meisten Unternehmen, ihre Investitionen in KI deutlich zu steigern. 69,9 Prozent gaben an, den Einsatz von KI in der Softwareentwicklung ausweiten zu wollen, und 65,8 Prozent beabsichtigen, dafür die Ausgaben spürbar zu erhöhen. Zudem setzen 62,3 Prozent darauf, ihre Mitarbeitenden besser im Umgang mit KI zu schulen, um die Technologie effektiver in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Druck auf die Margen hält an
Wie üblich befragten die Uni Bern und ihre Partner die hiesigen Softwareunternehmen auch nach der allgemeinen Geschäftslage. Laut der Erhebung bleiben die Wachstumserwartungen positiv. Die Schweizer Softwareunternehmen erwarten einen steigenden Umsatz von 5,3 Prozent im Jahr 2024 und 8,3 Prozent im Jahr 2025. Der Druck auf die Margen bleibe jedoch hoch: Gleich wie im Jahr 2022 blieben die EBIT-Margen im Jahr 2023 unter zehn Prozent (konkret: 9,1 Prozent).
An der Medienkonferenz vom 28. Oktober 2024 nannten die Verantwortlichen der Studie zwei mögliche Gründe für die verbesserte EBIT-Marge bei Standard-Softwareanbietern. Einerseits könnte die Implementierung grosser Cloud-Projekte abgeschlossen sein und sich in höheren Umsätzen niederschlagen. Ein Zusammenhang könnte aber auch mit den rückläufigen Investitionen in Forschung und Entwicklung bestehen. Nach Segmenten aufgeschlüsselt, verzeichnen Anbieter von Individualsoftware und Consultingdienstleiter einen Rückgang in der Marge. Dagegen verbuchen Standardsoftwareanbieter, Technology- und Service-Provider sowie Integratoren eine Steigerung.
EBIT-Margen 2023. (Source: Swiss Software Industry Survey 2024)
Die Investitionen in die Forschung und Entwicklung nahmen leicht ab (von 5,9 Prozent im Jahr 2022 auf 4,4 Prozent im Jahr 2023). Besonders die Hersteller von Standardsoftware investierten im Jahr 2023 deutlich weniger ihres Umsatzes in die Forschung und Entwicklung, nämlich 15,3 Prozent, wie es in der Mitteilung heisst.
Einen leichten Anstieg vermeldeten die Befragten beim Umsatz mit dem Auslandsgeschäft, nämlich von 7 auf 7,5 Prozent - "insgesamt auf niedrigem Niveau", kommentieren die Autoren.
Im Inland spielt die öffentliche Hand weiterhin eine grosse Rolle, allerdings ging der Umsatzanteil in diesem Bereich zurück: 2022 machte die Schweizer Softwareindustrie noch 22,5 Prozent ihres Umsatzes mit öffentlichen Aufträgen, 2023 waren es nur noch 16,1 Prozent.
Damit erzielten Softwareunternehmen vergangenes Jahr am meisten Umsatz mit IT-Services, während E-Gov-Projekte an zweiter Stelle rangieren. Dies könnte einerseits mit dem Spardruck in öffentlichen Verwaltungen zusammenhängen, interpretierten die Forschenden an der Medienkonferenz. Es könne aber auch daran liegen, dass IT-Services aufgrund des KI-Hypes vermehrt gefragt seien.
Die Studien finden Sie auf der Website der Uni Bern.
KI spart Angestellten laut einer Adecco-Umfrage im Schnitt eine Arbeitsstunde pro Tag. Das verschafft mehr Zeit für Kreativität, strategisches Denken oder eine bessere Work-Life-Balance. Adecco befragte für die Studie 35'000 Arbeitnehmende in 27 führenden Wirtschaftsnationen. Details finden Sie hier.