Lenovo steht mit Kritik allein da
Anfang Januar hat Lenovo-CEO Yang Yuanqing Microsofts Upgrade-Politik scharf kritisiert. Das kostenlose Update auf Windows 10 habe der Branche nicht geholfen. Die Redaktion fragte bei anderen Herstellern und bei Microsoft nach.
Microsofts Entscheidung, Windows 10 als kostenloses Update für ältere Geräte anzubieten, hatte damals unter Endkunden einige Begeisterung ausgelöst. Für Hardware-Händler glich die Ankündigung allerdings einer Hiobsbotschaft.
Das PC-Geschäft vermag schon seit geraumer Zeit nicht mehr aus seiner Abwärtsspirale auszubrechen. In der Branche hofften einige, dass Konsumenten aufgrund des neuen Betriebssystems auch zu neuer Hardware greifen würden.
Dieser Kaufanreiz blieb jedoch aus, wie die Marktzahlen zeigen. Gemäss den Analysten von Gartner und IDC schrumpfte der PC-Markt 2015 um bis zu 8 Prozent im Jahresvergleich. In absoluten Zahlen entspricht dies einem Rückgang von rund 280 Millionen Einheiten.
Microsoft zeigt sich derweil erfreut über die wachsende Nutzerbasis seines neuen Betriebssystems. Anfang des Jahres gab das Unternehmen bekannt, dass mittlerweile 200 Millionen Geräte weltweit Windows 10 verwenden – dabei handelt es sich jedoch nicht ausschliesslich um PCs.
"Die Upgrade-Politik war nicht richtig"
Bei Lenovo sorgten diese Zahlen anscheinend für Unmut bis ganz in die Führungsspitze. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (DPA) zeigte CEO Yang Yuanqing seinen Frust ganz offen, wie einige Medien berichteten.
"Windows 10 ist ein wirklich gutes System", zitierte ihn etwa Channelobserver.de. "Ich glaube allerdings nicht, dass die Upgrade-Politik von Microsoft richtig war." Mit seiner Entscheidung habe Microsoft der gesamten Branche "nicht geholfen", ergänzte Yang.
Yang argumentierte mit dem Nutzererlebnis. Das neue System hätte auf neuen Geräten eingeführt werden sollen. "Das beschert den Kunden dann auch ein Erlebnis, mit dem sie zufrieden sind", sagte der CEO. Auf älteren Systemen bringe das neue OS gemäss Yang hingegen häufiger Frust als Freude. Laut dem CEO erhielt Lenovo daher Beschwerden von seinen Kunden.
Keine Beschwerden bei anderen Herstellern
Auf Anfrage der Redaktion hielten sich andere Hersteller jedoch bedeckt. "Vereinzelt haben sich Kunden an Retailer gewandt, wir haben aber keine Kundenbeschwerden erhalten", sagte Christopher Erz, Country General Manager Personal Systems bei HP Schweiz. Auch von Geschäftskunden erhielt das Unternehmen nach eigenen Angaben keine Beschwerden.
Erz selbst geht von einem positiven Einfluss auf den PC-Markt aus. "Dieser ist nicht wie in der Vergangenheit geballt auf wenige Quartale nach den neuen Windows Releases, sondern verteilt sich über einen längeren Zeitraum", sagte der Country Manager.
Auch Acer verneinte die Frage nach Beschwerden von Kundenseite. "Die Anfragen an unseren Support sind auf ihrem üblichen Niveau", sagte Thomas Berli, Country Manager Acer Computer Schweiz. "Kritik gab es dabei nicht, denn unsere Geräte harmonieren sehr gut mit dem neuen Betriebssystem von Microsoft."
Der Hersteller führt dies darauf zurück, dass er seine Kunden bereits sehr früh über Upgrade-Möglichkeiten und über die Kompatibilität älterer Geräte informiert hatte.
Windows 10 als Innovationstreiber
Berli sieht die Stärke des neuen Betriebssystems auch in einem anderen Bereich: "Aus unserer Sicht liegt das grosse Potenzial von Windows 10 in den Möglichkeiten, die das Eco-System geräteübergreifend bietet", sagte Berli. Ferner soll das OS auch Innovationen auf der Hardwareseite beflügeln. Berli nannte etwa die 3-D-Kamera Hello. Diese wird etwa im Lumia 950 XL verbaut.
Windows 10 könnte die Verkaufszahlen auch auf diese Weise wieder ankurbeln. "Langfristig brauchen Nutzer damit immer wieder Geräte, die die Möglichkeiten des sich entwickelnden Betriebssystems auch ausschöpfen", sagte der Country Manager.
"Ein zufriedenstellender Erfolg"
Microsoft selbst wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen zu Yangs Kommentar. Gemäss Tina Møller Tellefsen, Windows & Surface Business Group Lead bei Microsoft Schweiz, sehe das Unternehmen Windows 10 und dessen bisherige Verbreitung aber als "zufriedenstellenden Erfolg".
Positiv war laut Tellefsen auch die Reaktion der Geschäftskunden. Diese würden im Vergleich zu vorherigen neuen Betriebssystemen schneller migrieren. "Derzeit befinden sich global gesehen 76 Prozent unserer Geschäftskunden in aktiven Migrationsprozessen auf Windows 10", sagte sie. Weltweit seien über 22 Millionen Windows-10-Geräte im Geschäfts- und Bildungsbereich im Einsatz.
Die einjährige Phase, in der Microsoft das Upgrade auf Windows 10 kostenlos anbietet, neigt sich bereits wieder dem Ende zu. Ab diesen Sommer müssen Kunden für ihr neues Windows zahlen. Ob dies dem PC-Markt neue Energie verleiht, bleibt aber fragwürdig.