Autonom fahrende Autos bleiben (noch) Zukunftsmusik
Ende März haben 73 Staaten Änderungen am Wiener Übereinkommen abgesegnet. Damit fiel eine wichtige Hürde auf dem Weg zum autonomen Auto. In der Schweiz ändert das vorerst nichts.
Am 7. und 8. Oktober 1968 erarbeitete die UN-Konferenz in Wien die Wiener Strassenverkehrskonvention. Es ist eine internationale Vereinbarung, die inzwischen 73 Staaten unterschrieben haben. In der Schweiz trat diese Konvention am 11. Dezember 1992 in Kraft.
Am 23. März 2016 haben diese Vertragsstaaten nun Änderungen abgesegnet, die den Weg für vollautomatisierte Autos freimachen. Bisher hiess es in Artikel 8, Absatz 5 des Wiener Übereinkommens nämlich:
"Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen können."
In Artikel 13, Absatz 1 steht zudem:
"Jeder Fahrzeugführer muss unter allen Umständen sein Fahrzeug beherrschen, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um ständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen."
Die beiden Passage gelten noch immer. Die Vertragsstaaten ergänzten allerdings Artikel 8 um einen weiteren Absatz:
"Fahrzeugsysteme, die einen Einfluss auf das Führen des Fahrzeugs haben, gelten mit Absatz 5 dieses Artikels und mit Absatz 1 des Artikels 13 als konform, sofern sie den Vorschriften bezüglich Bauweise, Montage und Benutzung nach Massgabe der internationalen Rechtsvorschriften für Kraftfahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände und Teile, die in Kraftfahrzeuge eingebaut und/oder dafür verwendet werden können, entsprechen.
Fahrzeugsysteme, die einen Einfluss auf das Führen eines Fahrzeugs haben und die nicht den oben erwähnten Vorschriften bezüglich Bauweise, Montage und Benutzung entsprechen, gelten mit Absatz 5 dieses Artikels und mit Absatz 1 des Artikels 13 als konform, sofern die Fahrzeugsysteme vom Fahrzeugführer übersteuert oder deaktiviert werden können."
Änderungen haben keinen direkten Einfluss auf Schweizer Rechtslage
Zu deutsch: Das Wiener Übereinkommen verzichtet darauf, Vorschriften für Assistenz- oder Steuerungssysteme selbst zu erlassen. Mit dem neuen Absatz geht die Verantwortung an die Economic Commission for Europe, kurz ECE. Sie legt die entsprechenden Richtlinien im Übereinkommen zu Fahrzeugteilen fest, die sogenannten ECE-Regelungen.
Was bedeutet das konkret für Autos auf Schweizer Strassen? Laut Thomas Rohrbach vom Bundesamt für Strassen, Astra, erst einmal nichts. "Die jetzige Änderung des Wiener Abkommens hat keinen direkten Einfluss auf die Tätigkeiten des Astra", schreibt er auf Anfrage.
In der Schweiz dürfen unabhängig von den Änderungen des Wiener Übereinkommens bereits Assistenzsysteme eingesetzt werden. Der Fahrer wird durch sie aber nicht von seinen Pflichten entbunden. Etwas, an dem laut Rohrbach auch das Wiener Übereinkommen weiterhin festhält. "Der Fahrer darf keine Nebentätigkeiten vornehmen und die Lenkvorrichtung nicht loslassen", schreibt er.
Definition von autonomen Fahrzeugen ist ausschlaggebend
Grundsätzlich sei es entscheidend, was man unter autonomem Fahren überhaupt versteht. Fahrzeuge, die über eine "automatisierte Längs- und Quersteuerung sowie eine Umgebungsüberwachung verfügen", seien seit Oktober 2015 auf Schweizer Strassen unterwegs.
Autos, die unabhängig vom Fahrer oder den anderen Insassen und ohne deren Eingriffsmöglichkeit auf allen Arten von Strassen fahren, gibt es in der Schweiz noch nicht, wie Rohrbach schreibt. Die Entwicklung dürfte hierzulande weit länger als zehn Jahre dauern, schätzt er. Es seien auch weitergehende Anpassungen des internationalen Rechts nötig.
Rohrbach geht davon aus, dass sich das autonome Fahren stufenweise entwickeln wird. Er sieht vor allem Autobahnen als "naheliegenden ersten Anwendungsbereich". Autofahrer würden auf bestimmten Stecken etwa von ihren Pflichten entlastet oder gar befreit werden können.
Nachweis, dass autonome Autos sicher sind, fehlt bislang
Damit das Recht in diesem Sinne angepasst werden könne, sei allerdings der Nachweis erforderlich, dass die Autos im autonomen Modus tatsächlich sicher fahren können. Dieser Nachweis sei bisher nicht erbracht worden. Rohrbach rechnet aber damit, dass dies in den nächsten Jahren der Fall sein werde.
Innerhalb des Bundesamtes beschäftigte sich die Arbeitsgruppe "intelligente Mobilität" mit genau solchen Rechtsfragen. Es gehe etwa um Haftungsfragen, die "für viel Diskussionsstoff sorgen dürften". Die Regelung des "Nebeneinanders von autonomen und nicht-autonomen Fahrzeugen" sei so ein Fall.
Laut Rohrbach steht man aber noch am Anfang. Ein Grossteil der Arbeit bestehe darin, Fragestellungen zu formulieren. "Wir sehen grosses Potenzial für die Zukunft. Insbesondere in puncto Verkehrssicherheit und Kapazitätssteigerung überlasteter Strassen", schreibt er.
Die Änderungen am Wiener Übereinkommen haben also keinen direkten Einfluss auf die Entwicklung autonomer Autos. Durch den neuen Absatz in Artikel 8 dürften die ECE-Vorschriften aber künftig schneller geändert werden können.