Wenn selbstfahrende Autos über Leben und Tod entscheiden
Die datenschutzrechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit selbstfahrenden Fahrzeugen sind vielfältig. Doch eine Debatte darüber gibt es kaum, trotz dass es schon heute grosse Sicherheitsrisiken gibt. Die Sensibilität der Fahrzeughersteller bezüglich der Datensicherheit ist verbesserungswürdig.
Die Technik, die in Autos steckt, wandelt sich rasant. Neue Autos ohne Einparkhilfen kommen kaum noch auf den Markt. Der nächste Schritt sind autonome, selbstfahrende Fahrzeuge. Das verändert die Mobilität – und die Art der Fahrzeuge. Das "Google-Auto" hat in den USA bereits über 2 Millionen Kilometer zurückgelegt. Dabei gab es nicht mehr Unfälle als mit Fahrzeugen, die Menschen lenken. In Kalifornien unterzeichnete der Gouverneur schon 2012 ein Gesetz, das "autonome Gefährte" erlaubt.
Selbstfahrende Autos auf Schweizer Strassen
Auch in der Schweiz gab es 2015 einen Versuch mit selbstfahrenden Fahrzeugen. Swisscom testete ein solches Auto gemeinsam mit dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation und den Autonomos Labs, einem Spin-off der Freien Universität Berlin.
Aktuell läuft auch im Wallis ein Versuch mit einem selbstfahrenden Postauto – im Auftrag der Postauto AG, der ETH Lausanne, der Stadt Sitten und des Kantons Wallis.
Fahrzeugdaten sind überall verstreut
Es dürfte unbestritten sein, dass solche selbstfahrenden Fahrzeuge eine Vielzahl von Daten benötigen und gleichzeitig auch generieren. Wem aber gehören diese Daten? Oder, provokativer formuliert: Wem gehört das Auto? Bereits heute generiert ein Fahrzeug permanent Daten. Angefangen beim Kilometerstand über Sevicedaten bis hin zum letzten Ölwechsel oder Assistenz- und Infotainmentdaten, etwa bei der Nutzung von Smartphones.
Daten über Fahrzeuge und indirekt über den Fahrzeughalter finden sich bereits heute beim Strassenverkehrsamt, dem Fahrzeugimporteur, dem Garagisten, allenfalls dem Leasinggeber etc. Nach einem Unfall werden die Fahrzeugdaten, abhängig von der Schwere des Unfalls, unter anderem von der Polizei, der beteiligten Versicherungsgesellschaften, der Staatsanwaltschaft und von Gutachtern ausgewertet.
Sicherheit und "Schadenminderung" bei Unfällen
Bereits heute gibt es grosse Sicherheitsrisiken – Angriffe auf Fahrzeuge sind möglich. Hacker können via Bluetooth Bremsen oder Lenkrad manipulieren. In der Tendenz lässt sich feststellen: Je jünger ein Fahrzeug, desto höher die Angreifbarkeit durch Hacker. Bezüglich der Datensicherheit ist die Sensibilität der Fahrzeughersteller verbesserungswürdig. Es wird zu wenig darauf geachtet, dass die Systemarchitektur nicht von aussen beeinflusst werden kann.
Wichtig ist das Thema Datenschutz. Vor allem, wenn Fahrzeuge bei einer Verwicklung in einen Unfall "richtig" entscheiden sollen. Wenn zwei Personen gleichzeitig die Strasse betreten und trotz Vollbremsung mindestens eine Person getötet wird, wie soll dann das Auto ausweichen? Und soll es überhaupt ausweichen? Es besteht ein Konsens, dass ein selbstfahrendes Fahrzeug bei einem Unfall möglichst eine "Schadenminderung" vornehmen soll. Ist ein Zusammenprall nicht vermeidbar, sollten statt zwei Personen nur eine Person getötet oder verletzt werden? Welche? Wer entscheidet bei einem selbstfahrenden Fahrzeug? Und welche Daten und Informationen dürfen für eine "Entscheidungsfindung" des Fahrzeuges genutzt werden?
Datenschutzrechtliche Herausforderungen
Ein Auto der Zukunft kann das Alter der Personen "abschätzen". Aufgrund der Vernetzung werden allenfalls auch Daten über die Vermögensverhältnisse und mögliche Folgeschäden für die Versicherer eruierbar sein. Je nach Alter, Einkommen und Versicherungslösung kann die allfällig geschuldete Schadenssumme für Rentenleistungen unterschiedlich gross sein. Schnell handelt es sich um Zahlen im Millionenbereich. Nach welchen Kriterien ist ein Auto zu programmieren?
Auch wenn auf den ersten Blick Versicherer Unternehmen darstellen, darf nicht vergessen werden, dass die Schadenszahlungen letztlich auf Kosten der Versichertengemeinschaft gehen. Die Versicherung geht aus dem Bedürfnis hervor, Schadenereignisse, die für eine Einzelperson ruinös wären, auf ein möglichst grosses Kollektiv zu verteilen. Ursprünglich wurden Risiken durch Schadentragungsgemeinschaften getragen (Selbsthilfe), heute handelt es sich mehrheitlich um gewinnorientierte Aktiengesellschaften. Folglich ist es im allgemeinen Interesse, dass ein Schaden möglichst gering gehalten wird.
Die datenschutzrechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit selbstfahrenden Fahrzeugen sind vielfältig, Lösungen müssen dringendst erarbeitet werden.