IoT

Internet of Trouble

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Das Internet der Dinge leidet an Kinder­krank­heiten. Der Markt ist fragmentiert, die Daten­sicherheit nicht gewährleistet. Sogar die Schweizer Armee ist alarmiert.

Mitte März hat Swisscom für Aufsehen gesorgt: Der Telko kündigte an, ein Netz für das Internet der Dinge zu bauen. Es soll Geräte und Maschinen intelligent vernetzen und Ende 2016 etwa 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung im Freien versorgen. Mit rund 300 Empfangsstationen, unabhängig vom Stromnetz, auf Basis von LoraWAN. Auch die Post baut ein solches Netz mit Funkempfängern auf und setzt dabei auf das gleiche Protokoll.

Ein riesiges Potenzial

Deloitte erwartet, dass die globalen Umsätze im Bereich der Anwendungen für das Internet der Dinge von 217 Milliarden Euro 2015 auf eine Billion im Jahr 2020 steigen. McKinsey spricht gar von einem weltweiten Mehrwert von bis zu 11 Billionen Dollar bis 2025. Dies entspräche rund 11 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Den grössten Einfluss werde das Internet der Dinge in Fabriken, Städten und im Gesundheitswesen haben.

90 Prozent des Mehrwerts wird laut McKinsey Firmen und Verbrauchern zugute kommen, durch tiefere Preise oder Zeitersparnisse. Es brauche aber günstige Datenspeicher und RFID-Chips, neue rechtliche Rahmenbedingungen und Mitarbeiter, die Big Data verstehen.

Fragmentierter Markt behindert Wachstum

LoraWAN ist nur eine Lösung für das Internet der Dinge. Andere heissen Sigfox, Weightless, Wi-Fi Halow oder Ingenu RPMA. Die Technologien nutzen die ISM-Bänder zwischen 400 MHz und 1 GHz, selten auch die WLAN-Frequenz 2,4 GHz. Die «Low Power Wide Area Networks» (LPWANs) sind für Hardware optimiert, die kaum Daten und Strom braucht. Sie nutzt meist günstige Chipsets und hat Akkus verbaut, die oft über zehn Jahre halten.

Viele der Geräte für das Internet der Dinge kommunizieren auch über Bluetooth, 3G, 4G/LTE – und zudem bald über 5G. Die Situation ist chaotisch: Es gibt keinen einheitlichen Standard, der Markt ist fragmentiert, die Kompatibilität zwischen den Netzen mässig. Laut McKinsey könnte darum bis 2025 bis zu 40 Prozent des potenziellen Mehrwerts des Internets der Dinge verloren gehen.

Mangelnde Sicherheit mindert Kauflust

McKinsey nennt noch eine weitere Voraussetzung für den Erfolg des Internets der Dinge: Datensicherheit. Die Anbieter sollten transparent machen, welche Daten sie erheben und wie sie diese nutzen. Darüber hinaus müssten die Anbieter kritische, über das Internet vernetzte Infrastrukturen – wie die Wasser- und Energieversorgung – wirksam gegen Cyberangriffe schützen. Eine Studie von Accenture zeigt, dass die Sicherheit tatsächlich ein Problem ist.

Accenture befragte zwischen Oktober und November 2015 rund 28 000 Konsumenten in 28 Ländern zum Internet der Dinge. 47 Prozent der Befragten gaben an, keine Hardware für das Internet der Dinge zu kaufen, weil sie sich Sorgen um ihre privaten Daten und die Sicherheit der Geräte machen würden.

Über zwei Drittel der Studienteilnehmer gaben an, über kürzlich erfolgte Hackerangriffe auf das Internet der Dinge informiert zu sein. Das ist positiv, mindert aber die Kauflust. Accenture befragte aus dieser Gruppe zusätzlich die Konsumenten, die bereits ein Gerät für das Internet der Dinge hatten oder sich in den nächsten fünf Jahren eines zulegen wollen. 18 Prozent hörten wegen Sicherheitsbedenken auf, Geräte und Services zu nutzen, und 24 Prozent sahen von einem geplanten Kauf ab.

Zahnbürste verrät persönliche Daten

Wie einfach es sein kann, das Internet der Dinge zu hacken, zeigte sich im Juni in Zürich an der Area41 im Komplex 457. Axelle Apvrille, Sicherheitsforscherin bei Fortinet, hackte an der Konferenz eine Bluetooth-Zahnbürste, eine Smart-Brille und ein Alarm- und Überwachungssystem für Häuser und Wohnungen.

Reverse Engineering sei bei Geräten für das Internet der Dinge zwar schwierig, sagte Apvrille. Die Communitys im Internet seien klein und Dokumentationen oft nur schwer oder gar nicht zu finden. Es gebe zudem sehr viele unterschiedliche Protokolle, Dateiformate und Betriebssysteme. Wer sich beim Hacking aber auf die Mobile-Apps konzentriere, könne schnell Erfolg haben.

Apvrille gelangte über eine Mobile-App an Namen, ­Adresse und Alter des Käufers einer Bluetooth-Zahnbürste. Vernetzte Geräte ermöglichten neuartige Viren und Ransomware, die uns bald nerven würden. Die Hersteller würden das Thema Sicherheit zu wenig ernst nehmen. «Das Internet der Dinge ist ein Paradies für Hacker», sagte Apvrille. «Und wir stehen erst am Anfang der Ent­wicklung.»

Schweizer Armee ist alarmiert

Das Internet der Dinge stellt aber nicht nur Private und Unternehmen vor neue Herausforderungen. Auch die Schweizer Armee hat nicht nur Freude an den vernetzten Geräten. Das zeigte ein Vortrag von Oberst i Gst (im Generalstab) Gérald Vernez am Fujitsu Storage Day in Remigen. Er referierte über die Cyberdefense-Strategie der Schweizer Armee.

Vernez ging dabei auf den Cyberspace ein. Er umfasse heute auch Software (Firmware, Betriebssysteme, Apps), Daten, Netzwerke, Verbindungen und Hardware wie Computer, Server und Peripherie. Die Armee habe subsidiär die Aufgabe, die Infrastruktur der Schweiz zu schützen. Sie müsse darum auch Trends wie selbstfahrende Autos und vernetzte Medizingeräte im Auge behalten, die neue Probleme und Herausforderungen schafften.

«Wir sind von der Technik abhängig geworden», sagte Vernez. «Das Internet der Dinge ist für uns eine Katastrophe.» Die Schweiz müsse auf diese Entwicklungen reagieren – je früher, desto besser. «Sicherheit ist kein Produkt, sondern ein Prozess», schloss Vernez sein Referat. Viele Hersteller hätten wohl gut daran getan, an dieser Veranstaltung ebenfalls präsent zu sein.

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