Dossier

Netzwoche Nr. 15/2015

Von George Sarpong

Das Smartphone wird zum Personalphone

Das Smartphone hat das Verhalten vieler Menschen verändert. Sie wachen morgens auf und prüfen ihre Social-Media- und Nachrichtenkanäle auf Neuigkeiten bevor sie aufstehen. Wenn sie Fotos schiessen wollen, zücken sie das Smartphone, kaum noch die Kamera. Passbook sammelt Flug- und Hoteltickets, und Gesundheits-Apps trimmen uns auf eine gesunde Lebensweise.

Sensoren machen das Smartphone zu einem Gerät, so individuell wie sein Träger, insbesondere durch das Lesen des Fingerabdrucks. Nun wird das Handy noch schlauer und noch persönlicher. Mobile Bezahllösungen sollen das Smartphone in einen digitalen Geldbeutel verwandeln. Ein Ziel, das Entwickler, Telkos und andere Unternehmen immer wieder anpackten – und scheiterten. Diesmal könnte alles anders werden. Denn die neuen Mobile-Payment-Dienste sind mehr als Testballons einzelner IT-Firmen oder ergänzende Angebote von Telkos. Diesmal verbünden sich IT-Firmen mit der Schweizer Finanzbranche und dem Handel. Gemeinsam entwickeln sie Lösungen, mit denen die Kunden ihr Brot an der Kasse bezahlen oder ihren Bekannten einen kleinen Betrag überweisen können. Dabei vereint die Branchen vor allem eines: die Befürchtung, Apple könnte ihnen künftig das Geschäft zerstören oder ihnen zumindest die Bedingungen für eine Zusammenarbeit diktieren. Die bisherigen Ergebnisse können sich sehen lassen: Twint, Paymit, Mobino, mCashier, Sumup funktionieren relativ einfach.

Sie profitieren von den Lehren, die aus den Fehlern bei der Entwicklung der ersten Generation mobiler Bezahllösungen gezogen wurden. Ausserdem nutzen Handybesitzer ihre Geräte für fast alles. Der Griff zum Smartphone ist zur natürlichen Bewegung geworden. Warum also nicht an der Kasse zum Smartphone greifen? Oder gar zur Smartwatch? Die grosse Unbekannte beim Projekt Mobile Payment Schweiz ist tatsächlich die Akzeptanz der Kunden. Zwar spricht einiges für den Erfolg, da die Einstiegshürde für neue User niedrig ist. Allerdings warnen Experten davor, die Nutzer der Apps zu überfordern, etwa mit zu viel Werbung. Aber auch die Bezahlpunkte werden es den Kunden leicht machen müssen. Wie es nicht laufen sollte, zeigte eine Situa­tion neulich am Euro-Airport Basel: Ein Mann wollte auf seinem Weg zum Gate eine Flasche Wasser in einem Shop bezahlen. Die Kassiererin fragte nach seinem Flugticket. Der technikaffine Kunde aktivierte seine Smartwatch und zeigte sein Flugticket. Leider war das Kabel am Kassenscanner zu kurz, was zu einer amüsanten Szene führte. Der Kunde musste sich so weit über die Kasse beugen, dass er fast auf dem Tresen vor der Kassiererin lag.

Es wird spannend sein, zu sehen, welche Lösungen sich am noch jungen Markt für mobile Bezahldienste durchsetzen werden. Das Thema ist sehr komplex. Die Redaktion hat deshalb einen Schwerpunkt online zusammengestellt. Darin erklären Experten von IT-Dienstleistern, Finanzforscher Schweizer Hochschulen und Exponenten der Finanzbranche die Chancen von Schweizer Bezahllösungen.