Netzwoche Nr. 3/2016
Editorial von George Sarpong
Im Land hinter dem Tunnel
Ende Februar wird über die Zukunft des Gotthards abgestimmt. Zweite Röhre oder keine zweite Röhre, schrittweise Sanierung der bestehenden Röhre: Die Vorschläge sind zahlreich. Ein Architekt will sogar einen neuen Tunnel bauen lassen. Wie auch immer die stimmberechtigte Schweizer Bevölkerung über die Zukunft des Gotthard-Tunnels befinden wird, an eines wird wohl kaum jemand denken: Mit der Abstimmung über den Gotthard-Tunnel entscheidet die Schweiz auch über den Zugang zu einem der interessantesten IT-Märkte des Landes, dem Tessin. Aus IT-Sicht könnte man das Tessin auch als unentdecktes Land bezeichnen. Selbst bei den grossen Verbänden wie ICT-Switzerland konnte man unsere Fragen zum italienischen Kanton nicht ohne Weiteres beantworten. Seltsam: Das Tessin zählt doch zur Schweiz, und im März will der Dachverband der Schweizer ICT-Branche das gesamte Land als Partner an der Cebit präsentieren. Lesen Sie dazu die Titelgeschichte ab Seite 18.
Mit der Università della Svizzera Italiana (USI) ist immerhin eine der bedeutendsten Einrichtungen für IT-Fachkräfte der Schweiz in Hannover vertreten. Viele der Absolventen der USI könnten im Tessin wertvolle Impulse für die künftige IT-Wirtschaft geben. Wenn sie nicht abwandern würden. Weshalb das so ist, erklärt der Dekan der Fakultät für Informatik der USI, Kai Hormann auf Seite 21. Doch es gibt Hoffnung. Denn Tessiner wie auch Deutschschweizer Unternehmen investieren in Start-ups und wetten somit auf die Zukunft des Sonnenkantons. Dass diese Wette aufgehen könnte, zeigt etwa der Blick auf die Beschäftigtenzahlen. In den letzten drei Jahren stieg die Zahl der Mitarbeiter in der IT-Branche stark. Im Kanton Tessin wuchs sie um 16 Prozent, gesamtschweizerisch waren es etwa 4 Prozent. Nur in den Kantonen Zürich, Genf, Bern und Waadt arbeiten mehr Festangestellte in der IT-Branche.
Aber auch im übrigen Land zog die Nachfrage nach IT-Fachkräften wieder an, wie das Job-Barometer des Personaldienstleisters Hays zeigt. Besonders IT-Berater waren im letzten Quartal 2015 gesucht. Im Schnitt bewegt sich der Bedarf an Fachkräften aber noch deutlich unter dem Durchschnitt der letzten Jahre.
Vielleicht kann der Auftritt als Gastland an der Cebit dem Schweizer IT-Job-Markt neue Impulse liefern. Ansonsten bietet das Tessin Wachstumschancen und Jobs. Eine Region voller Möglichkeiten, gleich hinter dem Tunnel.
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