Partner-Post Experteninterview mit Alexander Vegh, DeepCloud

"Das Wissen über die automatisierten Prozesse muss intern vorhanden bleiben"

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Prozessautomatisierung verändert die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten, und ermöglicht effizientere Abläufe. Was es beim Einsatz von KI-Tools zu beachten gilt und weshalb eine übermässige Automatisierung Gefahren birgt, veranschaulicht Alexander Vegh, Chief Technology Officer bei DeepCloud. Interview: Tanja Mettauer

" Das grösste Risiko bei der Automatisierung ist die Gefahr, ineffiziente Prozesse zu automatisieren, ohne sie vorher ­verbessert zu haben", Alexander Vegh, Chief Technology Officer, DeepCloud. (Source: zVg)
" Das grösste Risiko bei der Automatisierung ist die Gefahr, ineffiziente Prozesse zu automatisieren, ohne sie vorher ­verbessert zu haben", Alexander Vegh, Chief Technology Officer, DeepCloud. (Source: zVg)

Welche Kriterien helfen Unternehmen dabei, zu entscheiden, ­welche (Teil-)Prozesse automatisiert werden sollten?

Alexander Vegh: Die wichtigsten Kriterien für die Automatisierung von Prozessen sind Häufigkeit, Risiko, Komplexität und Kosten. Eine hohe Prozessfrequenz und ein geringes Risiko machen einen Prozess besonders geeignet für die Automatisierung, da dies sowohl Effizienzgewinne als auch Kostensenkungen ermöglicht. Ein Beispiel ist die Spesenverwaltung – ein einfacher, oft wiederkehrender Prozess, der durch Automatisierung Entlastung bringt. Anders sieht es bei komplexen, seltenen Prozessen aus. Diese zu automatisieren, ist oft teuer und sollte nur erfolgen, wenn dies einen messbaren Vorteil bringt, etwa durch eine Risikominimierung oder Effizienzsteigerung.

Wie entwickeln Unternehmen eine erfolgreiche Strategie zur ­Prozessautomatisierung?

Eine erfolgreiche Automatisierungsstrategie beginnt mit einer gründlichen Analyse der bestehenden Arbeitsabläufe. Zunächst sollten Unternehmen ihre zentralen Prozesse identifizieren und Potenziale für Effizienzsteigerungen aufdecken. Es ist entscheidend, die Mitarbeitenden von Anfang an einzubinden, da sie oft die besten Einblicke in die täg­lichen Abläufe haben und wichtige Informationen zu den tatsächlichen Bedürfnissen und Herausforderungen liefern können. Mit einer klaren Strategie, die auf konkreten Prozessanalysen basiert, können Unternehmen eine strukturierte und zielgerichtete Automatisierung etablieren.

Wie trägt Prozessautomatisierung zur Mitarbeiterzufriedenheit bei?

Im Idealfall reduziert die Automatisierung monotone, sich wiederholende Aufgaben und fördert die Mitarbeiterzufriedenheit, indem sie den Beschäftigten ermöglicht, sich auf komplexere und interessantere Tätigkeiten zu konzentrieren. Wenn Routinearbeiten durch Automatisierung abgedeckt werden, haben die Mitarbeitenden mehr Raum für kreative, strategische oder kundenorientierte Aufgaben. Dies führt zu einer höheren Motivation und schafft einen Mehrwert sowohl für die Mitarbeitenden als auch für das Unternehmen.

Welche Risiken birgt eine übermässige Automatisierung?

Das grösste Risiko bei der Automatisierung ist die Gefahr, ineffiziente Prozesse zu automatisieren, ohne sie vorher verbessert zu haben. Die Automatisierung eines fehlerhaften Prozesses kann dazu führen, dass Fehler nun schneller und automatisiert auftreten. Ein weiteres Risiko ist die mangelnde Überwachung von Fehlern und Abweichungen, besonders bei Prozessen wie der automatisierten Verarbeitung eingehender Rechnungen. Probleme bei der Datenübermittlung können unbemerkt bleiben, bis schwerwiegende Konsequenzen wie Mahnungen folgen. Eine durchdachte Planung und regelmässige Kontrolle der Prozesse sind daher unerlässlich.

Wie können Unternehmen sicherstellen, dass automatisierte ­Prozesse flexibel genug bleiben, um sich an zukünftige Veränderungen oder Wachstum anzupassen?

Flexibilität ist ein zentraler Aspekt in der Prozessautomatisierung. Um sicherzustellen, dass automatisierte Prozesse auch zukünftig anpassbar sind, sollte ein regelmässiges Review der Automatisierungen erfolgen. Das Wissen über die automatisierten Prozesse muss intern vorhanden bleiben, um Änderungen schnell umzusetzen. Externe Berater können wertvolle Unterstützung bieten, jedoch besteht die Gefahr, dass zu komplexe Strukturen geschaffen werden, Stichwort Overengineering, die schwer zu warten sind.

Wie verändert künstliche Intelligenz die Prozessautomatisierung?

KI revolutioniert die Prozessautomatisierung, indem sie nicht nur strukturierte, sondern auch unstrukturierte Daten verarbeiten kann. Während herkömmliche Automatisierung strukturierte Daten wie XML-Dateien benötigt, ermöglicht künstliche Intelligenz die Analyse von komplexeren Daten wie Rechnungen direkt aus Bildern. Ein Chatbot kann etwa als Kundenservice agieren und direkt mit Kunden kommunizieren, was die Prozessautomatisierung weiter vereinfacht und erweitert. Die Flexibilität und Vielseitigkeit der KI-Technologien bieten hier enorme Möglichkeiten.

Welche ethischen Aspekte gibt es beim Einsatz von KI-basierten Automatisierungstools zu berücksichtigen?

Ethische Überlegungen sind bei KI-basierten Automatisierungstools besonders wichtig, da diese Technologien potenziell sensible Daten verarbeiten und weitreichende Entscheidungen treffen können. In der EU legt der AI Act klare Regeln fest, die für bestimmte Anwendungen verpflichtend sind. So wird zwischen verschiedenen Anwendungsbereichen unterschieden: Eine einfache Bestellung ist weit weniger sensibel als die automatisierte Mitarbeiterbeurteilung. In der Schweiz gelten die Regeln des Datenschutzgesetzes (nDSG), das eine Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Einwilligung und Information verbietet und die Unternehmen zur Auskunft verpflichtet. Diese Regelungen befinden sich noch in der Entwicklung und erfordern kontinuierliche Anpassungen, um mit dem Fortschritt der KI mitzuhalten.

Mit DeepBox und DeepO stellen Sie eine Dokument-Sharing-Plattform beziehungsweise eine Datenerfassungs-KI zur Verfügung. Wie unterscheidet sich der Automatisierungsgrad bei einer Stand-alone-Lösung im Vergleich zur Nutzung des gesamten DeepCloud-Ökosystems?

Mit dem DeepCloud-Tool lässt sich ein aussergewöhnlich hoher Automatisierungsgrad erreichen. Während Stand-alone-Lösungen einzelne Funktionen abdecken, ermöglicht das DeepCloud-Ökosystem eine durchgängige Prozessautomatisierung. Diese reicht von der sicheren Dokumentübermittlung über die Identifikation des Absenders durch Zertifikate bis zur regelbasierten Datenweiterverarbeitung und Genehmigung durch digitale Signaturen. Auch die direkte Kommunikation mit Banken für Zahlungen oder Kontoauszüge wird unterstützt, was den Automatisierungsgrad und die Effizienz im Vergleich zu Stand-alone-Lösungen erheblich steigert.

DeepO hat dieses Jahr bereits mehr als 5 Millionen Dokumente analysiert und verarbeitet. Was bedeutet dieser Meilenstein für die weitere Entwicklung?

Die Analyse und Verarbeitung von inzwischen fast 6 Millionen Dokumenten zeigt die wachsende Nachfrage und das Vertrauen der Kunden in unsere Lösung. Dieser Meilenstein bestärkt uns darin, dass wir auf dem richtigen Weg sind und unsere Technologie die Bedürfnisse des Marktes erfüllt. Diese Entwicklung motiviert uns, DeepO weiterzuentwickeln und neue Anwendungsfelder zu erschliessen, um den Kunden kontinuierlich optimierte und zukunftsfähige Lösungen zu bieten.

Welche Massnahmen ergreifen Sie bei der Signaturlösung ­DeepSign, um die Integrität und Vertraulichkeit der Signaturen ­sicherzustellen?

Unsere Signaturlösung DeepSign wird auf einer hochgesicherten Infrastruktur in der Schweiz betrieben. Wir nutzen Swisscom als Certificate Authority (CA), die strenge Anforderungen an Anbieter stellt. Technische und organisatorische Sicherheitsmassnahmen werden regelmässig extern geprüft, und unsere ISO27001-Zertifizierung belegt die Einhaltung hoher Standards. Die Identifikations­lösung DeepID wird zusätzlich jährlich von KPMG auf ZertES-Konformität auditiert, um gesetzliche Anforderungen sicherzustellen. Durch regelmässige Penetrationstests decken wir potenzielle Schwachstellen auf und verbessern kontinuierlich die Sicherheit der Plattform.

 

Zur Person

Alexander Vegh ist Chief ­Artificial Intelligence Officer (CAIO) bei Abacus Research, bei der er nun seit fast 30 Jahren tätig ist. Seit November 2021 ist er zudem Chief Technology Officer bei DeepCloud, einem Spin-off von Abacus, das modernste KI-basierte ­digitale Dienste bereitstellt.

 

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