Insane in the Mainframe
Versteckt und im Hintergrund laufen und laufen sie, die Grossrechner. Mainframes sind nach wie vor in vielen grösseren Unternehmen die Leistungsträger, wenn es um geschäftskritische Transaktionen geht. Dafür gibt es gute Gründe, wie Daniel Liebhart schreibt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass jeder von uns ein Mal am Tag mit einem Mainframe in Kontakt kommt, ist gross. Noch heute werden neun von zehn Kreditkartentransaktionen über diese Art von Rechnern abgewickelt. Etwas über zwei Drittel der gesamten weltweit genutzten IT-Arbeitsleistung wird von Grossrechnern bewältigt und das bei nur 6 Prozent der gesamten Kosten. Das zumindest sind die Zahlen, die im Auftrag von IBM von verschiedenen Analysten eruiert wurden.
Hohe Verfügbarkeit, grosse Sicherheit, zentrale Datenbereitstellung und sehr hoher Transaktionsdurchsatz sind die Stärken einer Technologie, die eigentlich in der Midlife-Crisis stecken sollte. Denn sie ist über 50 Jahre alt. Am 7. April 1964 brachte IBM das System/360 auf den Markt, das erste System, das die traditionelle Trennung zwischen Rechner für kommerzielle und Rechner für wissenschaftliche Anwendungen aufhob. Seither ist die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt worden und in die Jahre gekommen. Als Legacy-Systeme werden diese Systeme heute bezeichnet. Also als "… grosse Softwaresysteme, von denen wir nicht wissen, wie wir mit ihnen fertig werden sollen, die jedoch lebenswichtig für unsere Organisation sind", wie es der Reengineering-Experte Professor K.H. Bennett einmal so treffend definiert hat. Grossrechner scheinen also Systeme zu sein, die generell gross und schwer zu verstehen und daher auch schwer zu unterhalten sind – und eigentlich abgelöst werden sollten.
Die Zukunft der Mainframes
Die Legacy-Problematik ist ein Aspekt der Entwicklung, die nur in eine Richtung zu weisen scheint: abwärts. Beschleunigt wird diese durch die rasche Verbreitung des Cloud Computing, die zunehmende Dezentralisierung der Funktionalität und den zunehmenden Mangel an Spezialisten.
Der Eindruck täuscht jedoch. Gemäss der jährlichen, weltweit durchgeführten Umfrage "Mainframe Research Report" von BMC gehen 91 Prozent der über 1000 Befragten aus Industrie, Handel, Dienstleistung und Verwaltung davon aus, dass der Einsatz der Grossrechner zunehmen wird. "The Mainframe’s Bright Future" ist sogar der Titel der diesjährigen Umfrage. Selbst das ansonsten nicht gerade auf Rosen gebettete IBM weist in diesem Bereich seit Jahren gute Zahlen aus. So leistet der "Big Iron"-Bereich nach wie vor einen signifikanten Beitrag zu den Einnahmen und dem Gewinn des Unternehmens.
Die Gründe dieser Entwicklung sind vielschichtig. Ein wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass die Modernisierung von Legacy-Software heute "in place" möglich ist. Es muss also nicht mehr die Plattform gewechselt werden, um alte Systeme auf den neuesten Stand zu bringen. Auf Grossrechnern werden bereits in über 80 Prozent der Fälle modernste Programmiersprachen (unter anderem Java) eingesetzt und das auch in zwei Drittel der Fälle mit modernsten Umsetzungsmethoden (DevOps).
Weitaus wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass Mainframes seit vielen Jahren über grundlegende Funktionen verfügen, die wir noch heute in anderen Umgebungen mühsam und mit grossem Engineering-Aufwand bereitstellen müssen. Vom Auswechseln von Hardwarekomponenten im laufenden Betrieb über die Erhöhung der Leistungsfähigkeit ohne Einbau zusätzlicher Hardware oder das gleichzeitige Laufenlassen verschiedenster Betriebssysteme bis hin zur leistungsfähigen Virtualisierung, der enormen I/O-Bandbreite und Memory bis zum Abwinken – alles ist da.