"Wir lösen das Henne-Ei-Problem"
Medidata ist ein Schweizer Informatikdienstleister für elektronische Gesundheitsdienste. Im Interview erzählt CEO Daniel Ebner von seinem Geschäftsmodell, den Vorteilen des Standorts Zentralschweiz und von Zertifizierungen.
Herr Ebner, eine Ihrer wichtigsten Lösungen ist Mediport, eine Plattform für den elektronischen Datenaustausch im Gesundheitswesen. Worum handelt es sich hierbei?
Mediport ist eine internetbasierte Datenaustauschplattform bestehend aus diversen zentralen Dienstleistungen und Clientprodukten. Es lassen sich damit administrative und medizinische Daten auf sicherem Weg elektronisch austauschen. Leistungserbringer wie zum Beispiel Ärzte, Spitäler, Labors, Apotheken oder die Spitex, Kostenträger wie Versicherer und Kantone, sowie Patienten benutzen Mediport.
Wodurch unterscheidet sich die Lösung Mediport von Produkten der Konkurrenz?
Uns geht es darum, eine Plattform zu schaffen, die eine Vernetzung der verschiedenen Mitspieler am Markt ermöglicht. Was uns im Vergleich zu unseren Mitbewerbern besonders gut gelingt, ist die Lösung des Henne-Ei-Problems. Das heisst, dass alle Akteure Teil eines Netzes für den Datenaustausch sind, und dieses Netz ist für alle vorteilhaft. Wir profitieren dabei von Skaleneffekten: je mehr Teilnehmer, desto attraktiver das Netz.
Sie meinen also im Stil von sozialen Netzwerken oder Messaging-Diensten: Je mehr Teilnehmer, desto mehr kann man auch erreichen?
Ja, absolut. Heutzutage gibt es verschiedenste Anbieter von Messaging-Dienstleistungen. Doch nur derjenige mit den meisten Benutzern wird erfolgreich sein und sich auf dem Markt auch durchsetzen können. Je grösser das Netzwerk, desto attraktiver das Angebot. Genau dies ist bei uns der Vorteil. Unser Netzwerk wächst seit zwanzig Jahren stetig und wird von verschiedensten Akteuren im Gesundheitswesen genutzt. Ein weiterer Vorteil ist, dass in unseren Gremien Leistungserbringer und Versicherer vertreten sind – Kundenwünsche und Bedürfnisse können so direkt eingebracht werden.
Ihre Firma arbeitet in einem politiknahen Bereich. Wie sieht es eigentlich in Sachen Wettbewerb aus, hat dieser Aspekt einen Einfluss?
Das hat natürlich einen Einfluss. Der Wettbewerb im Gesundheitswesen funktioniert nicht gleich wie in anderen Branchen und ist teilweise eingeschränkt oder reguliert. Trotzdem versuchen wir, Effizienzsteigerungen zu ermöglichen. Letztes Jahr zum Beispiel transportierten wir 34 Millionen Rechnungen auf elektronischem Weg. Dabei müssen wir manchmal auch gegen Widerstände kämpfen.
Die Firma Medidata hat ihren Hauptsitz in der Zentralschweiz. Welche Vorteile ergeben sich hieraus?
Ein Hauptvorteil ist die Zentralität. Wir sind in der "Mitte" – nah zum Tessin, zur Romandie, aber auch zur Ostschweiz. Der Standort ist eine gute Ausgangsposition für unsere Mitarbeiter, Kunden und Partner. Wir sind sehr zufrieden.
Erbringen Sie sämtliche Leistungen hier oder haben Sie gewisse Leistungen ausgelagert?
Wir setzen auf Swissness und hosten die Daten bei uns. Sie sind "high-level" abgesichert. Das ist heutzutage wichtig. Man muss den Datenschutz im Auge behalten. Die Kunden sind aufgrund des NSA-Skandals verunsichert und wollen wissen, wo die Daten gelagert werden. Auch unsere Mitarbeiter wählen wir daher sehr sorgfältig aus. Sie müssen unbedingt vertrauenswürdig sein.
Sie sprechen die Sicherheit an: Wie stellen Sie den Schutz beim Datenaustausch sicher?
Als Unternehmen sind wir nach internationalen und nationalen Normen zertifiziert. Zertifizierungen sind wichtig, weil sie zum Überdenken von Verhaltensmustern anregen können. Als Firma sind wir sehr schnell gewachsen in den letzten Jahren. Entsprechend war es wichtig, die internen Abläufe anzupassen. Das fällt den Leuten nicht immer leicht. Sie gewöhnen sich an etwas und wollen dann auf dem gleichen "Pfad" bleiben. Ich nenne das den "Elefantenpfad". Zertifizierungen können helfen, festgefahrene Prozesse neu zu überdenken und damit im Bereich Datenschutz den neusten Standards Genüge zu tun.
Kommen wir zurück zu Mediport. Wie sieht es mit den Schnittstellen zwischen Mediport und den elektronischen Patientendossiers aus?
Grundsätzlich können wir mit unserer Dienstleistung alles transportieren. Patientendossiers sind aber eine politische Sache. Patienten und Leistungserbringer müssen immer ihr Einverständnis geben. Man muss also Einigkeit zwischen den Involvierten herstellen. Das klappt nicht immer. Trotz unserer technischen Möglichkeiten sind wir manchmal eingeschränkt.
Und über wie viele Kunden verfügen Sie?
6840 Ärzte nutzen Mediport. Wir arbeiten auch mit Partnerfirmen zusammen. So erreichen wir bei den Krankenhäusern gut 95 Prozent. Die meisten Apotheken sind ebenfalls an unser System angeschlossen. Ausserdem haben viele Labors, sowie Kranken- und Unfallversicherer unsere Schnittstelle eingebaut. Des Weiteren verwenden sechs Kantone unser System, nämlich Aargau, Freiburg, Jura, Glarus, Luzern und St. Gallen.
Erhalten Sie von diesen Kunden positive Feedbacks?
Vor allem bezogen auf die Qualität erhalten wir sehr gute Rückmeldungen. Grundsätzlich achten wir darauf, was die Mitbewerber tun und versuchen, besser zu sein. Auch beim Thema Support erhalten wir positive Feedbacks. Unser Motto lautet dabei: "Menschen anstatt Maschinen". Wer bei uns anruft, spricht gleich mit einem Mitarbeiter, nicht mit einem elektronischen Anrufbeantworter. Manchmal haben wir aber auch Mühe, zum Beispiel, wenn es politisch wird. Dann müssen wir aufpassen, nicht ins "Sperrfeuer" zu geraten. Es handelt sich nun mal um ein heikles Feld.
Wenden wir uns ihren anderen Produkten zu: Was haben Sie nebst Mediport im Angebot?
Wir haben drei weitere Produkte. Erstens Medisync, ein Produkt für den sicheren Abgleich von Versichertendaten zwischen Leistungserbringern und Versicherern. Zweitens Mediframe, eine Referenz- und Tarifdatenbank für das Gesundheitswesen. Drittens Invoiceinspector, eine zentrale Validierungslösung für eine ganzheitliche, elektronische Rechnungsprüfung. Bei all unseren Produkten gilt: Wir sind keine Consultants, sondern Projektbegleiter. Wir versuchen, fertige Lösungen unter Einbezug der Kunden und Partner anzubieten. Das ist nicht immer einfach aufgrund der politischen Dimension unseres Geschäfts.
Sie sprechen erneut die Politik an. Können Sie nochmals ausführen, weshalb dies für Sie so wichtig ist.
Grundsätzlich geht es um Demographie: Die Schweizer Bevölkerung wächst und wird älter. Dadurch ist die Aufrechterhaltung unseres aktuellen medizinischen Standards eine grosse Herausforderung. Viele Menschen gehen lieber ins Krankenhaus als zum Hausarzt, was teilweise höhere Kosten verursacht. Sie wollen auch je nach Lebensabschnitt und –phase eine perfekt auf sie zugeschnittene Gesundheitsversorgung haben. Dazu existiert ein Markt. Zwischen Versicherungen oder zwischen öffentlichen und privaten Spitälern. Die Ärzteschaft gerät unter Druck. All dies erschwert die Situation für die Leistungserbringer. Wir als Firma sehen unsere Produkte als Hilfsmittel. Sie ermöglichen unseren Kunden, sich auf ihre Kernkompetenz, zum Beispiel das Heilen von Krankheiten, zu konzentrieren.
Kommen wir nochmals zu Ihrer Firma zurück. Wie viele Personen arbeiten zurzeit bei Ihnen?
Im Moment arbeiten 58 Personen bei uns. Vollbestand wäre 60. Das heisst, wir suchen zwei neue Mitarbeitende. Unsere Strukturen sind so aufgestellt, dass wir für weiteres Wachstum bereit sind. Die Mitarbeiter sind unser wichtigstes Gut, ohne sie läuft nichts.
Und wie geht’s in nächster Zukunft mit Medidata weiter?
Ich blicke positiv in die Zukunft. Ich glaube an weiteres Wachstum und bin überzeugt, dass die Kunden weiterhin mit unserer Arbeit zufrieden sein werden. Gerade unser Pragmatismus wird uns hierbei helfen. Wir verzichten auf abenteurerische Akquisitionen und setzen auf Qualität.
Herr Ebner, vielen Dank für dieses Gespräch!