"In Zukunft wird man von den Geräten nicht mehr viel sehen"
Dale Herigstad entwickelte 2002 für den Film Minority Report das Konzept von gestengesteuerten Interfaces. Mit der TV-Technologie Inair steht er nun kurz davor, sein damaliges Konzept zu kommerzialisieren.
Herr Herigstad, Sie haben kürzlich im Rahmen des Media Future Day in Zürich Ihr neuester Wurf, Inair, vorgestellt. Worum geht es da?
Inair ist das erste Produkt von Seespace, das Unternehmen, das ich 2013 zusammen mit dem Technologieentrepreneur Nam Do und der Technologieinvestorin Anne-Marie Roussel gegründet habe. Bei Inair handelt es sich um eine neuartige 3D-TV-Technologie, die sich am besten mit erweitertem Fernsehen (augmented Television) beschreiben lässt. Inair setzt das Fernsehen in einen Kontext, indem es Webinformationen zum gesendeten Inhalt zur Verfügung stellt. Was Inair besonders macht, ist aber auch die Raumerfahrung, die mit dem Produkt einhergeht. Die Elemente, welche das Fernsehbild umgeben, können nämlich in 3-D auseinander sortiert werden und stecken nicht mehr wie bei existierenden Smart-TV-Lösungen innerhalb des Bildschirmrahmens. Um die Elemente im Raum zu sehen, benötigt man gegenwärtig einen 3D-Fernseher und eine 3D-Brille. Inair funktioniert aber auch mit gewöhnlichen Fernsehern. Nächstes Jahr möchten wir Inair mit Autostereoskopie ausstatten. Durch dieses Verfahren braucht es dann keine 3D-Brille mehr, um den dreidimensionalen Effekt zu sehen.
Wie lässt sich Inair steuern?
Für die Steuerung von Inair bauen wir auf bestehende Technologien auf. So unterstützt Inair zum einen die Gestensteuerung durch Kinect- und Leap-Geräte. Zum anderen verwandelt die Inair-App jedes Mobilgerät in eine Fernsteuerung. Ich steuere Inair am liebsten mit dem Smartphone, weil das am einfachsten geht. Für Couch Potatoes eignet sich Leap am besten, da man ohne grosse Gesten mit kleinen, präzisen Fingerbewegungen Inair steuern kann. Bei Connect muss man grössere Bewegungen machen, aber wir versuchen sie so klein wie möglich zu halten. Eine wichtige Bewegung, die im Moment noch schwierig umzusetzen ist, ist "auswählen". Bei einem Mobilgerät ist das einfach. Es reicht, die entsprechende Stelle zu berühren. Um dasselbe in einer Geste auszudrücken, muss man eine greifende Bewegung in der Luft machen, dann die Hand verschieben und sie wieder öffnen, um zu signalisieren, dass die Auswahl aufgehoben ist…
Die Idee eines gestengesteuerten Interfaces entwickelten sie bereits für den Film Minority Report von 2002. Wie kamen Sie damals auf diese Idee?
Eines muss ich vorweg klarstellen, ich war nicht für das gesamte Design zuständig, sondern entwickelte vor allem das Erscheinungsbild der gestengesteuerten Interfaces. Die übergeordnete Aufgabenstellung war "Wie sieht unser Leben im digitalen Zeitalter aus? Wie interagieren wir mit Gegenständen? Wie fahren wir Auto, wie sieht unser Fernseher aus und wie bedienen wir ihn?" Die Gestensteuerung war also nur ein Element innerhalb des Auftrages. Meine Leitidee war dabei "die Geräte loswerden", also eine Art Miniaturisierung und Entmaterialisierung der Geräte. Hollywood tut sich mit dieser Idee immer noch schwer. Das sieht man gut im Film "Iron Man", wo die Geräte fast schon übertrieben designt und damit überpräsent sind. Im Film "Her" ist das besser gelöst, denn das Gerät ist auf einen kleinen Ohrhörer reduziert. Der Rest ist Audio oder die Imagination des Protagonisten. Ich denke in Zukunft wird man von den Geräten nicht mehr viel sehen, alles wird eingebettet sein.
Wie haben Sie und die zwei anderen Mitbegründer von Seespace zusammengefunden?
Wir kamen vor anderthalb Jahren zusammen. Nam Do kenne ich schon länger. Er hat sich unter anderem mit der Entwicklung des Neuroheadsets Emotiv einen Namen gemacht und hat einen starken Technologie- und Business-Hintergrund. Mein Schwerpunkt liegt hingegen bei der User Experience und dem Design. Anne-Marie Roussel hat wiederum viel Erfahrung im Bereich der Technologieinvestitionen. Damit vereinen wir also grossartiges Design mit grossartiger Technologie und grossartigem Business-Knowhow.
Wo steht das Produkt heute? Wann wird es kommerzialisiert?
Wir haben diesen März bei Kickstarter eine Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen. Kickstarter ist für uns ein grossartiger Ort, um herauszufinden, wie gut unser Produkt ankommt. Die Leute investieren nämlich in ein Produkt, das noch nicht vollständig ausgestaltet ist. Damit schenken sie Inair viel Vertrauen. Die Produktion von Inair soll jedoch mit Mitteln finanziert werden, die wir einer künftigen Finanzierungsrunde beschaffen werden. Gegenwärtig laufen vielversprechende Gespräche mit Investoren. Als nächster Schritt steht die Entwicklung des Software Developers Kit an. Im Oktober werden wir eine Inair-Version für unsere Freunde, die uns via Kickstarter unterstützten, lancieren. Für die Kommerzialisierung stehen verschiedene Optionen zur Diskussion. Das Ideale wäre, wenn ein grossartiger Smart-TV-Anbieter oder ein Unternehmen, das Settop-Boxen vertreibt, unser Produkt übernehmen würde. Auf diese Weise könnten wir nämlich viele Leute erreichen, zumal im Moment sehr viel rund um die Settopboxen passiert. Die Leute würden es sicher cool finden, zusätzliche Informationen in 3D zu erhalten.