Ab April in Betrieb

Der neue König unter den Rechenzentren

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Quickline Business hat Medienvertreter durch sein neues Rechenzentrum "Datacube" geführt. Das Rechenzentrum ist der ganze Stolz des Unternehmens. Neben einer neuartigen Kühlanlage glänzt der "Datacube" auch mit seiner Fassade. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Chic ist er: Sein Anzug aus elegantem Chrom glitzert in der Sonne, verleiht ihm Eleganz. Ein wenig abweisend ist er: Er lässt nicht jeden an sich ran und schon gar nicht in sein Haus. Dafür legt er Wert auf Sicherheit und gibt sich umweltbewusst.

Die Rede ist vom Datenwürfel "Datacube" von Quickline Business in Münchenstein. "Der Datacube ist eine hochspannende Rechenzentrumslösung, auf die wir stolz sind. Wir bezeichnen es als das modernste Rechenzentrum der Schweiz", sagte Mark Thommen, CEO, Quickline Business gegenüber Medienvertretern.

Mit dem Datacube gelang Quickline Business auch der Sprung in die Oberliga des Schweizer Rechenzentrumsgeschäfts. Der Bau sei erforderlich geworden, weil das bisherige RZ schlicht voll mit Servern und Speichern von Kunden ist.

Als der heutige Teil von Business-Service noch beim Nordwestschweizer Energieversorger EBM angeschlossen war, im Jahr 2012, bot der Anbieter gemäss einer Marktübersicht von IT-Markt.ch eine Rechenzentrumsfläche von rund 2200 Quadratmetern an. Im gleichen Jahr begann auch das Vorprojekt für den Datacube.

2013 wurde die Baubewilligung eingereicht, erzählte Thommen, doch das Projekt musste gestoppt werden. Denn der Telekomteil von EBM wurde an den Quickline-Verbund verkauft. Unter neuer Flagge wurde das Projekt letztlich in Angriff genommen.

Die grösste Schwierigkeit bestand in der Planungsphase, erklärte Marketingleiter Markus Definiti. Alles musste bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und neue Komponenten gebaut und getestet werden.

Mit dem Strom der Diesel-Aggregate könnte ein Strassenzug mit Energie versorgt werden

Schliesslich soll der Datacube höchsten Ansprüchen genügen: Redundante Stromversorgung über zwei Zuleitungen, USV über Batterien und - sollten auch die leergesaugt sein - greifen Diesel-Motoren ein und liefern Strom für 5 Tage.

Alleine für die regelmässigen Tests verheizen die Maschinen 10'000 Liter Diesel pro Jahr. Die bei den Routineläufen frei werdende Leistung werde in das Stromnetz der EBM eingespiesen, sagte Thommen. Immerhin könnten 35 Haushalte damit versorgt werden. Umweltschutz wurde überhaupt gross geschrieben bei dem Projekt. Gelten doch Rechenzentren nicht selten als Umweltsünder mit ihrem Energieverbrauch. Der PUE-Wert des Datacube liegt mit einem niedrigen Quotienten von 1,24 im vorderen Feld der energieeffizientesten Rechenzentren des Landes.

Dafür erhielt das Datacube-Projekt auch einen grossen Betrag aus dem Fördertopf Pueda. Finanziert wird das Förderprogramm indirekt aus den Einnahmen der Stromabgaben, die Unternehmen und Private zahlen müssen. Aus dem damit gespeisten Fonds werden neben Projekten für erneuerbare Stromerzeugung auch Förderprogramme wie Pueda finanziert, die der Umwelt zugute kommen. Dies geschieht über die wettbewerblichen Ausschreibungen des Bundesamts für Energie. 2010 erhielt Pueda den Zuschlag für das Förderprogramm für bestehende Rechenzentren, 2011 denjenigen für neue Rechenzentren.

Der Architekt

Für die Planung holte sich Quickline die Unterstützung von André Oppermann, seines Zeichens Senior Datacenter Engineer und gewissermassen der Architekt des Neubaus. Mit Oppermann konzipierte das Team von Thommen ein Rechenzentrum gemäss Tier-III des Uptime-Instituts.

Gemeinsam erdachte man sich allerlei Raffinessen, wie etwa die Aufhängung von Stromleitungen auf Metallkonstruktionen, die im Fall eines Erdbebens die Stösse absorbieren können, statt zu brechen. Die Konstruktion soll einem Erdbeben der Stärke 7 widerstehen können und entspreche somit der Erdbebenklasse 3. "Der Datacube ist so sicher wie ein Spital", verdeutlichte Oppermann die Zahl.

Er wies in dem Zusammenhang auch darauf hin, dass ein Erdbebenrisiko zwar im historischen Kontext vorhanden, die aktuelle Gefahr aber niedrig sei. Geschützt wurde das Gebäude auch vor Hochwasser. Es steht laut Thommen fünf Meter höher als das letzte Jahrhunderthochwasser. Von in der Nähe verkehrenden Zügen drohe ebenfalls keine Gefahr.

Die Klimaanlage als Highlight

Viel Gedanken machte sich das Team über die Kühlung. Gefragt war eine hohe Kühlleistung, doch sollte die Umwelt geschont werden. Also dachten sich die Ingenieure etwas Neues aus. Sie entwickelten ein Kühlsystem, das je nach Leistung energieintensiver gekühlt wird. Dadurch muss kein alles-oder-nichts-System eingesetzt werden.

Stattdessen erfolgt die Kühlung graduell. Zuerst nur mit Luft, die über drei gewaltige Rohre von oben auf dem Dach angesaugt wird. Zusätzlich kann (zuvor entkalktes) Leitunswasser zerstäubt werden. Das kühlt ähnlich wie Schweiss auf der Haut die Luft weiter ab. Zusätzlich kann an heissen Tagen mit Ammoniak die Luft über einen Wärmetauscher heruntergekühlt werden. Die Ammoniak-Anlage besteht aus drei Maschinen mit je 15 Kilogramm Ammoniak.

Die Apparatur biete den Vorteil, dass sie keine Ozonbelastung verursachen würde. Eine Besonderheit unter den Rechenzentren und ein technisches Highlight des Datacubes. Die gekühlte Luft wird in das Rechenzentrum hineingeblasen und die warme Luft dadurch herausgedrückt.

Die Kontaktfläche zwischen warmer Luft und dem Kühlelement scheint letztlich der Schlüssel für die hohe Kälteleistung zu sein. Die grosse Austauschfläche sei besonders wichtig, betont Oppermann. Alleine über eine klassische Doppelbodenkühlung hätte man die Kühlleistung nicht erreicht, erklärt der RZ-Designer.

Hohe Energiedichte auch für künftige Servergenerationen

Was bringt das dem Rechenzentrum? Nur mit der Hochleistungsklimaanlage können die Innenräume des Datacubes kühl genug gehlten werden, um Serverumgebungen mit einer Energiedichte von 10 Kilowatt pro Rack zu betreiben. Punktuell läge sogar mehr drin, wie Oppermann und die Manager von Quickline immer wieder stolz betonten. Dahinter dürfte auch die Überlegung gestanden, für die Zukunft gewappnet zu sein, in der Server eine immer höhere Leistungsdichte aufweisen werden.

Die Abwärme speist Quickline in das Wärmeenergienetz der EBM. Was vor allem im Winter der Fall Sinn machen dürfte.

In nur einem Jahr hochgezogen

Nach der Planung wurde der Bau 2014 gestartet. In praktisch nur einem Jahr stand Quicklines Datenwürfel. Laut einem Factsheet bieten nun 5000 Quadratmeter Projektfläche und 1900 Quadratmeter Nettonutzfläche für Server, Speicher und Switche Quickline-Kunden Platz für ihre IT. Mit der Aussenwelt werden die Rechenzentren über Leitungen verschiedener Carrier. Obwohl Quickline selbst Provider-Dienste anbietet, können Kunden zwischen zirka 20 Providern wählen.

Im Kontrast zu seiner äusseren Pracht standen die Innenräume des Datacube während einer Präsentation vor Medienvertretern. Unverputzter Beton, kahle und leerstehende Räume. Die wichtigsten technischen Einrichtungen funktionieren aber schon. Zwischen all den Servern dürfte ein erlesenes Innendekor ohnehin egal sein. Letztlich ist ein Rechenzentrum ein Zweckbau.

Erster grosser Kunde gewonnen

Mit einem Pharmaunternehmen aus der Nordwestschweiz wird mit Dienstbetrieb zum ersten April auch schon ein erster sogenannter Ankerkunde seine Server in Münchenstein betreiben. Farbe an der Wand hin oder her. Das Unternehmen, dass Thommen nicht nennen darf, mietete gleich zu Beginn rund 600 Quadratmeter.

Ende März findet zudem ein Kundenevent statt. Mit dem Anlass will Quickline Business weitere Kunden aus dem KMU-Umfeld etwa für seinen Shared-Room - quasi eine Rechenzentrums-WG - gewinnen. Zu dem Anlass hätten sich zwischen 160 und 180 Kunden vorangemeldet.

Thommen wertet die hohe Zahl an Anmeldungen auch als Zeichen dafür, dass nach wie vor ein hoher Bedarf nach Colocation-Diensten bestehe. Auch wenn mit der Übernahme von E-Shelter und Interxion durch internationale Mitbewerber schon das Wort Konsolidierung in der Branche die Runde macht. Mit dem Datacube schaffe man eine Lösung für die Zukunft der Kunden, die ihre Daten in einer sicheren Umgebung vorhalten möchten, erklärte Thommen während der Pressekonferenz.

Zukunftsinvestition

Diese Zukunft liess sich Quickline etwas kosten. 10 bis 12 Millionen Franken kostete der Bau. Ebenso viel investierte das Unternehmen in die Infrastruktur. Das Geld muss natürlich wieder eingespielt werden. Der Verwaltungsrat sähe es gerne, wenn das Rechenzentrum bis Ende des Jahres mit Kunden gefüllt sei, erklärte Quicklines Management. Zwar sei die Pipeline vielversprechend, dennoch werde es eine Herausforderung, das Ziel umzusetzen.

Bei dem Unternehmen setzt man besonders auf den Wirtschaftsraum Nordwestschweiz. Der Gedanke, dass Colocation-Anbieter aus Zürich Kunden aus Basel abwerben würden, sei unrealistisch, sagte Datacube-Designer Oppermann.

Seinen Ausführungen nach sind Kunden lokal verankert und wollen das Rechenzentrum in ÖV-, beziehungsweise Autofahrtdistanz. "In der Schweiz gibt es bestimmte Wirtschaftsräume, in denen sich ein Kunde bewegt. Kunden aus Basel wollen ein Rechenzentrum in der Gegend nutzen", betonte Oppermann.

Kundenbindung als Schlüssel zum Erfolg

Kunden sollen aber auch aus dem benachbarten Ausland kommen. Erste potenzielle Kunden jenseits von Rhein und Rhône hätten bereits Interesse am Datacube gezeigt.

Wie wichtig der Datacube für Quickline Business ist, erklärte CEO Mark Thommen in einem Gespräch nach der Führung. Mit dem Rechenzentrum bewege sich Quickline Business in neuen Sphären. Heute setze das Unternehmen zwischen 14 und 15 Millionen Franken pro Jahr um. Bei einer vollen Auslastung des Datacubes rechnet Quickline Business mit einer Verdoppelung des Jahresumsatzes.

Den Schlüssel sieht Thommen in der Kundenbindung. Er gab sich überzeugt vom künftigen Erfolg: "Wenn man seine Arbeit gut macht, ergeben sich langfristige Partnerschaften mit Kunden."

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