Digital Realty öffnet die Türen

Zu Besuch im Hotel für Server und Daten

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von René Jaun und ml

Drei Rechenzentren betreibt Digital Realty im Kanton Zürich. Im August lud der US-amerikanische Datacenter-Anbieter Politik und Medien zu einem Rundgang für Parlamentarier ein. Das Unternehmen nutzte die Gelegenheit auch, um über Inklusion und Nachhaltigkeit zu sprechen.

So sieht es bei Digital Realty in Glattbrugg aus. (Source: zVg)
So sieht es bei Digital Realty in Glattbrugg aus. (Source: zVg)
So sieht es bei Digital Realty in Glattbrugg aus. (Source: zVg)

Wo gehen die Daten hin, wenn wir sie in der Cloud speichern? Wie sieht es dort aus und wie geht es dort zu und her? Antworten – oder Ansätze davon – erhielten die Gäste von Digital Realty am 21. August anlässlich eines Parlamentarier-Events zu den Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Rechenzentren. Gemeinsam mit der Swiss Datacenter Association (SCDA) lud der US-amerikanische RZ-Betreiber in seine Räumlichkeiten nach Glattbrugg. Dort, sowie im nahegelegenen Rümlang, betreibt das Unternehmen seine drei Zürcher Rechenzentren – ein viertes ist bereits in Planung, wie Sie hier lesen können. 

Es geht nicht ohne

Primär richtete sich der Anlass an Politikerinnen und Politiker. Zugegen waren aber auch PR- und Medienschaffende. Ihnen erklärten Yves Zischek, Schweiz-Chef von Digital Realty (bis vor Kurzem noch Interxion) und Sergio Milesi, Präsident der SDCA, was ihre jeweiligen Organisationen tun und warum Rechenzentren nicht nur wichtig, sondern auch nachhaltig sind.

Sergio Milesi, Präsident der Swiss Datacenter Association (SCDA) referierte anlässlich des Parlamentarier-Events bei Digital Realty. (Source: zVg)

Sergio Milesi, Präsident der Swiss Datacenter Association (SCDA) referierte anlässlich des Parlamentarier-Events bei Digital Realty. (Source: zVg)

Längst könne man Datacenter nicht mehr einfach abschalten, führte Milesi etwa aus. Täte man es doch, stehe "die Welt still". Selbst jene, die sich rühmten, ihre Daten auf ihrem Handy zu speichern, seien auf funktionierende Rechenzentren angewiesen, führte der Referent hinzu. Nötig sind sie auch für eine Vielzahl moderner Technologien, von 5G über IoT bis – natürlich – hin zu künstlicher Intelligenz. "Alles produziert Daten ohne Ende, die irgendwo bearbeitet und berechnet werden müssen", sagte Milesi.

Politik und Gesellschaft hingegen sähen Datacenter "nicht so positiv". Namentlich stehe deren Energieverbrauch in der Kritik. Diese konterte Milesi mit einem Vergleich: Würden all die Rechner nicht im DC laufen, sondern jeweils einzeln betrieben werden, fiele ihre Energiebilanz insgesamt viel schlechter aus.

Ein Rechenzentrum sei somit grundsätzlich nachhaltiger als vielerorts verteilte Server. Dennoch bemühten sich RZ-Betreiber darum, ihre Energiebilanz zu verbessern. Zischek hegt gar den Traum, dereinst den ersten Schweizer RZ-Campus mit einer negativen CO2-Bilanz zu betreiben, also einen Campus, der mehr CO2 einspart als dass er emittiert. Erreichen möchte er dies unter anderem, indem er die Abwärme des Rechenzentrums in ein Fernwärmenetz einspeist. Ein entsprechendes Projekt mit Opfikon ist noch nicht umgesetzt, aber "wir sind dran", sagte Zischek.

Yves Zischek

Yves Zischek, Schweiz-Chef von Digital Realty. (Source: zVg)

Schon jetzt ist die Energiebilanz seiner Rechenzentren bemerkenswert. Tatsächlich erhielt Digital Realty als erstes Unternehmen das "Gold+"-Label der Swiss Datacenter Efficiency Association (SDEA) für sein 2020 eröffnetes RZ ZUR2. ZUR1 erhielt ausserdem das Label "Silver+", wie Sie hier lesen können. Mehr über das Label der SDEA, Prüfkriterien und Zertifizierungsprozess, erfahren Sie im Interview mit SDEA-Präsident Babak Falsafi.

Schlüssel für Inklusion

"Rechenzentren sind ein wichtiges Element für die digitale Gesellschaft", gab sich Zischek überzeugt. Gleichzeitig plädierte er für ein gemeinsames Vorwärtsgehen: "Als Gesellschaft sind wir noch nicht da, wo wir hin wollen – aber wir sind nahe dran."

Was digitale Technologien im Bereich der Inklusion leisten können, zeigte Gastreferent Islam Alijaj auf. Der SP-Nationalrat wurde aufgrund seiner Sprachbehinderung in seiner Kindheit für geistig behindert gehalten und in eine Sonderschule geschickt. Wäre das Internet nicht gewesen, wäre er "in einer Einrichtung verkommen, die mein Potenzial vergeudet, zur Gesellschaft beizutragen", erklärte er. Digitalisierung und Internet seien für ihn und viele andere Menschen mit Behinderung "das Tor zur Welt", die Möglichkeit, sich zu entfalten und einzubringen. Als praktisches Beispiel liess der Politiker seine KI-generierte Stimme ein paar Sätze sagen. Sie klang wie Alijaj, nur ohne Sprechbehinderung.

Nationalrat Islam Alijai sagte am Event: Sie haben alle die Kraft, etwas zu verändern. (Source: zVg) 

Nationalrat Islam Alijai sagte am Event: "Sie haben alle die Kraft, etwas zu verändern". (Source: zVg) 

Das Gros seiner Rede wurde jedoch nicht von der KI, sondern von einer menschlichen Assistentin Satz für Satz übersetzt. Noch, zeigte Alijaj damit, kommen digitale Technologien an ihre Grenzen. In seiner Rede beklagte er denn auch, dass das Versprechen von mehr Inklusion durch Digitalisierung längst nicht immer eingehalten werde: So tippe er viele Texte mit einem Finger; denn einen Sprachassistenten, der seine Stimme verstehe, gebe es aktuell nur im Versuchslabor. Dass er auf ein solches Hilfsmittel warten müsse, ist kein Zufall: "Technologie ist nur ein Spiegel dessen, wie wir als Gesellschaft Inklusion leben", erklärte der Politiker und rief den Anwesenden zu: "Sie haben alle die Kraft, etwas zu verändern. Lassen Sie uns nicht im Stich!"

Blinkende Racks im Digital-Realty-RZ. (Source: zVg)

Blinkende Racks im Digital-Realty-RZ. (Source: zVg)

Dass in puncto Inklusion noch Luft nach oben ist, räumte auch Zischek ein. Zwar seien die Büroräume in Glattbrugg rollstuhlgerecht gebaut, erwähnte er; zudem gebe es zwei neurodiverse Personen in der Geschäftsleitung seines Unternehmens. Aber "bislang konnten wir noch niemanden rekrutieren, der eine Behinderung hat". Als Begründung verwies er auf das Stellenprofil: 90 Prozent der Angestellten verrichten demnach technische Arbeiten an physischen Servern. Sie reagieren auf visuelle Alarme und ersetzen Hardwarekomponenten. "Solange am Server nur Lämpchen leuchten, ist es schwierig", befand Zischek. Effektiv lebe man Inklusion aktuell vor allem im Bereich der Neurodiversität. Zudem seien Menschen aus vielen Ländern in der Belegschaft vertreten, erwähnte er bei anderer Gelegenheit und sprach von einem "Schmelztiegel der Nationen".

An den Grenzen der Vorstellungskraft

Im Verlauf des Nachmittags vermittelten Zischek und sein Team dem Publikum die wichtigsten Grundlagen zur Funktionsweise eines Rechenzentrums. Digital Realty vermiete selbst keine Server, sondern lediglich die Racks, die ein Kunde dann mit der gewünschten Hardware ausstattet. "Wir vermieten gewissermassen Hotelzimmer für Server", erklärte Zischek. Je nach Bedürfnis mieten die Kunden ein einzelnes Rack, mitunter aber auch ganze Räume. Diese sind mit elektronischen Schliesssystemen geschützt, sodass nur die Kunden selbst und niemand sonst – in manchen Fällen nicht einmal Angestellte von Digital Realty – physisch auf ihre Hardware zugreifen können. Zu den Kunden gehören unter anderem Hyperscaler – was wir in der Cloud speichern, landet also unter anderem hier. Zur Kundschaft gehören auch Banken, Bundesämter oder Kantonspolizeien. Auch SwissIX (Swiss Internet Exchange), der Schweizer Internetknoten, ist vertreten.

In den Serverräumen sei es warm geworden in den vergangenen Jahren. Früher habe man sie noch auf 12 Grad gekühlt. Mit zunehmender Serverleistung stiegen auch die Temperaturen auf 28 oder 36 Grad. Der KI-Boom bringe neue energietechnische Herausforderungen mit sich, merkte Zischek an. Mehr zum KI-Boom und den Challenges für RZ-Betreiber lesen Sie hier. Strom erhält das Rechenzentrum durch drei je 5 Zentimeter dicke Leitungen – zur Redundanz gibt es zwei Stromeinspeisungen.

An die Grenzen der Vorstellungskraft stösst Digital Realty mit den Zahlen zur Notstromversorgung: Sollte der reguläre Strom ausfallen, schalten sich Dieselgeneratoren an. Die Treibstoffvorräte reichen aus, um die Generatoren fünf Tage lang am Laufen zu halten. Alleine für die Notstromgruppe des Rechenzentrums Zürich 1 (ZUR1) lagert Digital Realty 800'000 Liter Treibstoff - "ungefähr ein Schwimmbad voll", brachte es jemand aus dem Publikum auf den Punkt.

Doch die Generatoren benötigen Zeit, um anzulaufen. Um die Stromversorgung während dieser Zeit aufrechtzuerhalten, unterhält Digital Realty eine USV-Anlage für die unterbrechungsfreie Stromversorgung. Dabei handelt es sich um eine gigantische Batterie – jene für das Datacenter ZUR1 wiegt über 190 Tonnen und könnte das RZ deutlich länger am Laufen halten, als der Dieselgenerator zum Starten benötigt. "Wir planen immer für den Worst Case", erklärte Digital Realty dazu.

Digital Realty gehört zu den grössten RZ-Betreibern der Welt. Doch in der Schweiz bieten noch viele weitere Unternehmen Datacenter-Services an. Einen Überblick liefert der Marktreport.

 

 

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