It’s awesome! Aaaawesome!
Was Microsoft Anfang Mai an der Ignite in Chicago angekündigt hat, lässt aufhorchen. Wachgerüttelt hat jedoch nicht nur der Inhalt, sondern auch die typisch amerikanische Manier, diesen in unsere Köpfe zu kriegen.
Während in Paris die "Vélorution!" zum Schmunzeln anregt – die Stadt soll tatsächlich zum Paradies für Fahrradfahrer werden –, rollt aus der Cloud eine waschechte Revolution der anderen Art auf uns zu. Mit "uns" meine ich gleichzeitig die IT, die unsere Branche, und uns alle, die wir die IT nutzen, betrifft. "Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?", lautet eine oft gestellt Frage in Jobinterviews. Die sollte sich jedes IT-Unternehmen selbst auch stellen. Die Antwort: Sicher nicht am gleichen Ort wie heute. Um es kurz zu machen: Wer im Infrastrukturgeschäft unterwegs ist und womöglich noch Server zusammenschraubt, sollte sich überlegen, wie er sich zum IT-Broker weiterentwickeln und ein Provisionsmodell ähnlich dem in der Versicherungsbranche fahren kann.
Alles fertig aus der Cloud
Als Lösungsanbieter muss man aufpassen, dass einem nicht plötzlich Player den Rang ablaufen, deren Produkte womöglich viel besser sind und die durch die Cloud nun viel einfacher global agieren können – gerade im kleinen Schweizer Markt. In einigen Bereichen ist dies bereits geschehen, so zum Beispiel beim Hosten von Websites. Konnte man sich früher als kleine Designagentur mit Webauftritten für KMUs eine goldene Nase verdienen, gibt es heute für 20 Franken pro Monat die fertige Lösung aus der Cloud, inklusive komfortablem, browserbasiertem CMS, professionellem Layout, das auch auf Smartphones toll aussieht, Zugang zur gesamten Library von Getty Images und einem Helpdesk, der rund um die Uhr innerhalb von 60 Minuten antwortet. Man muss nur noch den Inhalt selbst schreiben – aber das musste man ja auch bei der Designagentur. Bereits werden auf diese Weise über hundert Millionen Websites gehostet, was pro Website in der Agenturbranche einen "Schaden" von mehreren zehntausend Franken anrichtet. Das Geld – und wir sprechen von jährlich wiederkehrenden Milliardenbeträgen – fliesst stattdessen an ein paar wenige Anbieter, meist in den USA.
Schnell umdenken!
Als Nächstes ist unser Arbeitsplatz an der Reihe: mit Office 365 und Azure wird sich Microsoft traditionsgemäss ein sehr grosses Stück vom Kuchen abschneiden. Google und andere Anbieter sind jetzt schon arg im Hintertreffen und werden das Nachsehen haben. Und unsere Intranets, für die wir in der Vergangenheit viel Geld für individuelle Lösungen ausgeben mussten, werden das gleiche Schicksal erfahren wie schon unsere Websites. Standardangebote aus der Cloud werden viel besser und viel günstiger sein, und lokale, auf das Projektgeschäft spezialisierte Anbieter tun gut daran, schnell umzudenken.
Das alles ist übrigens "awesome". Das war das bei weitem am häufigsten ausgesprochene Wort an der Ignite. "Awesome" war, dass es für Windows 10 keinen Patchday mehr geben wird. Oder dass man beim Co-Editing von Dokumenten in Zukunft zuschauen kann, wie die Kollegen mitschreiben. "Awesome." Dass man das Windows-Handy an Bildschirm und Tastatur anschliessen und wie einen Computer verwenden kann? Natürlich: "Awesome." Mir schwant eine Zukunft, in der wir dank der Cloud noch ein gutes Stück näher an die amerikanische Kultur rücken. Schon mal daran gedacht? "Awesome!"