"Den grossen Firmen fehlt es oft am nötigen Mut"
Beat Steiger ist Mitgründer und COO des Start-ups Headstore. Im Interview spricht er über Herausforderungen in der Anfangsphase seines Unternehmens und beurteilt den Gründungsstandort Schweiz.
Beat Steiger ist ein IT-Unternehmer mit 30-jähriger Erfahrung. In seiner Laufbahn als Betriebsingenieur und Informatiker baute er drei Firmen auf, wovon eine sehr erfolgreich an die Vision IT Group verkauft wurde. Danach war er dort vier Jahre als Head Innovation and Business Development tätig. In dieser Zeit begleitete er die Gruppe als Generaldirektor beim Börsengang. Knapp zwei Jahre später war er Mitgründer bei Headstore, die er in der Folge aufbaute und nun dem neuen CEO Samuel Schwerzmann für den globalen Markteintritt übergab und sich nun um die Operation von Headstore kümmert.
Woran arbeiten Sie gerade?
Nach dem dreijährigen Aufbau der Headstore-Plattform bereiten wir nun den phasenweisen Markteintritt vor.
Welches Problem löst Ihr Businesskonzept?
Headstore bietet Experten die Möglichkeit, ihr Wissen einfach und sicher zu monetarisieren. Dem Benutzer eröffnen wir die Möglichkeit, einfach und effizient auf weltweites Fachwissen zuzugreifen. Damit werden Zeit und Kosten eingespart und gleichzeitig die Gesamteffizienz der Lösungsfindung erhöht.
Wie sahen die Anfänge von Headstore aus?
Stefan Halter (Founder) und ich gründeten Headstore vor drei Jahren. Seit 2012 sind wir also dabei, unser Produkt und unsere Firma aufzubauen. Nun sind wir so weit, dass wir den globalen Markteintritt in Angriff nehmen können. Unser erster Grosskunde war Swiss Life. Die frühe Zusammenarbeit mit Swiss Life hat uns einen entscheidenden Startschub gegeben.
Wie hat Ihnen diese Zusammenarbeit geholfen?
Einerseits konnten wir mit dem Auftrag ein wenig Deckungsbeitrag generieren. Das ist gerade in der Anfangsphase sehr hilfreich, um die Liquidität zu schonen. Andererseits hat der Auftrag auch unser Produkt einem Härtetest unterzogen, den wir mit meistern konnten. Der Versicherer war und ist darauf angewiesen, dass unsere Lösung konstant und zuverlässig läuft. Die hohen Ansprüche bezüglich Sicherheit, Verfügbarkeit und Integrierbarkeit, die Swiss Life an die Lösung stellten, führten dazu, dass wir unser Produkt noch einmal wesentlich erweitern und verbessern konnten.
Gab es auch Probleme bei der Zusammenarbeit mit Swiss Life?
Nein, es gab keine grösseren Probleme. Die Zusammenarbeit lief sehr gut und verhältnismässig schnell. Das ist aber alles andere als selbstverständlich, wie uns andere Erfahrungen mit Grossunternehmen zeigen und wie ich es auch von meiner früheren Tätigkeit her kenne. Oft sind Grossunternehmen in den Entscheidungsprozessen für Start-ups einfach zu langsam. In frühen Phasen einer Firma kann es sogar existenzbedrohend sein, wenn sich die einführenden Verhandlungs- und Planungsgespräche mit einem grossen Partner zu stark in die Länge ziehen. In der Zusammenarbeit mit einem führenden Finanzsoftware-Hersteller erleben wir das aktuell. Da investierten wir (zu) viel Zeit in Sitzungen und Gesprächen mit verschiedenen Exponenten, mit bislang wenigen Resultaten. Es kann also lange dauern, bis eine Partnerschaft mit einem Grossunternehmen steht. Wenn es dann mal zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit kommt, hat man jedoch meist einen langfristig loyalen Kunden gewonnen.
Sehen Sie strukturelle Gründe, warum sich die Kollaboration mit den Grossen so schwierig gestalten kann?
Den grossen Firmen fehlt es oft am nötigen Mut, in neue, meist bessere, aber noch wenig erprobte Technologien zu investieren. Dazu kommt, dass die Entscheidungsträger oft zu wenig detailliert über die neuesten Techniken und deren Entwicklungspotenzial Bescheid wissen, um sinnvoll und schnell zu entscheiden. Die Entscheider greifen gern auf altbekannte und daher sicher erscheinende Partner. Darum sind wir Swiss Life sehr dankbar, dass sie den Mut aufgebracht haben, auf ein noch nicht etabliertes Start-up zu setzten.
Haben Sie mittlerweile auch weitere positive Erfahrungen mit Grossunternehmen gemacht?
Ja, die Kollaboration mit der NZZ, die wir seit einer Weile vorantreiben, ist ein gutes Beispiel. Es zeigt uns, dass sich auch Grossfirmen durchaus verändern können und wie wichtig eine kompetente Person auf der anderen Verhandlungsseite ist. Am Anfang ging die Zusammenarbeit schleppend voran, weil die Verantwortlichen bei der NZZ einfach zu wenig Erfahrung und Kompetenz mit zukunftsorientierten Kommunikationstechnologien hatten. Das änderte sich jedoch sehr schnell als sie eine neue verantwortliche Person mit der entsprechenden Erfahrung einstellten. Diese hatte zuvor E-Darling aufgebaut und kennt sich also mit Start-ups und Digitalisierung bestens aus. Nun läuft die Zusammenarbeit sehr effizient und unkompliziert. Die schnelle Verbesserung hat mich sehr positiv überrascht. Es zeigt sich, dass es für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit grossen Firmen entscheidend ist, dass sich die interne Kontaktperson gut mit den Eigenheiten von Start-ups auskennt.
Zeichnen sich noch weitere Kollaborationen mit Grossunternehmen ab?
Ja es sind spannende Verhandlungen mit international aufgestellten Unternehmen im Gange. Als Einschub muss ich dazu sagen, dass unser Produkt von Haus aus auf die Consumer ausgerichtet ist. Grossunternehmen bieten wir eine Businessversion an. Dafür interessieren sich nun zwei grosse Unternehmen aus Italien und den USA.
Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt, was die Entwicklung von Headstore angeht?
Es war uns von Anfang an klar, dass dies ein langer und harter Weg werden würde. Was die Entwicklung angeht, sind wir etwa acht Monate in Verzug. Da spielen jedoch externe Faktoren wie die Plug-in-Police von Google oder das wirtschaftliche Umfeld eine Rolle. Auch die Mittelbeschaffung zeigte sich als eine Herausforderung, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Grundsätzlich sind wir aber positiv und sind überzeugt, dass wir ab 2016 erste signifikante Umsätze erzielen werden.
Nehmen oder nahmen Sie auch Hilfe von Inkubatoren, Stiftungen oder Sonstigen in Anspruch?
Ja bis vor kurzem waren wir im Bluelion untergebracht. Das war ein einfacher und kosteneffizienter Start. Bluelion bietet auch diverse Coaching-Angebote, die bedarfsorientiert in Anspruch genommen werden können. Für uns waren diese Angebote nicht so relevant, da ich bereits langjährige Erfahrung im Aufbauen und Führen von Firmen habe. Unerfahrenere Jungunternehmer sind sicherlich froh, am Anfang kompetente Hilfe zu bekommen, die dort auch angeboten wird. Für uns wäre es viel hilfreicher gewesen, wenn mehr Investoren sich im Bluelion präsentiert hätten.
Mit dem man aber einiges an Büromiete sparen kann, oder nicht?
Auch diese Ersparnisse halten sich in Grenzen und sind meiner Ansicht nach nicht entscheidend. Nun sind wir im Technopark, wo wir etwas mehr Miete bezahlen, aber andere Vorteile nutzen können.
Welche Unterstützung hätten Sie sich denn noch gewünscht?
Etwas sehr Wichtiges und gleichzeitig Anspruchsvolles ist, ein solides Legal-Framework für ein global ausgerichtetes Start-up zu schaffen. Jedes Unternehmen muss hier sein eigenes individuelles Rahmenwerk schaffen, das optimal zum Unternehmen und dessen Entwicklungszielen passt. Hier wäre eine grössere Unterstützung seitens des Inkubators wünschenswert.
Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen in der Schweiz für Start-ups?
Das grösste Problem in der Schweiz ist die noch wenig entwickelte Risikokapital-Kultur. Investiert man in ein Start-up, tätigt man eine punktuelle Investition mit hohem Risiko und hohen Gewinnchancen. Der typische Schweizer Investor agiert dagegen eher konservativ. Er bevorzugt ein breit abgestütztes und gut ausgewogenes Investitionsportfolio, mit wenig Risiken und kalkulierbaren Gewinnchancen. Die Situation scheint sich aber langsam zu verbessern.
Inwiefern?
Im Grossen hängt es wohl damit zusammen, dass die Investitionsmöglichkeiten im heutigen wirtschaftlichen Umfeld schwieriger werden und sich daher ein Investitionsdruck aufbaut. Investoren suchen lukrative Alternativen und sind auch mal bereit, mehr Risiken einzugehen. Eine solche Alternative kann eine Start-up-Finanzierung sein. Die ICT-Branche ist nicht länger nur im Silicon Valley ein Thema, sondern sorgt auch in Europa für Furore. Fünf der zehn weltweit grössten Unternehmen lassen sich dieser Branche zuordnen. Das erkennen auch immer mehr Kapitalgeber. Die EFG-Bank und UBS etwa bietet seit kurzem Investment Circles an, die Investoren und Start-ups zusammenbringen. Dies scheint mir auf eine Trendwende hinzudeuten.
Wie konnten Sie Ihre Finanzierung am Anfang sichern?
Das Unternehmen wurde ausschliesslich von Freunden, Bekannten und uns selbst finanziert. Dies ergibt natürlich viel Druck und eine hohe Verantwortung, was jedoch absolut erforderlich ist, um diesen schwierigen Weg zu gehen und sich aus der Komfortzone herauszubewegen. Darüber sind wir sehr froh, denn eine ausreichende Finanzierung wäre ohne diese Hilfe kaum möglich gewesen.