Standort Schweiz

Sillicon Valley – "Limmat Valley"

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von Ivo Ronner

Die Schweiz ist in der Forschung und bei angemeldeten Patenten Weltspitze. Jedoch werden diese Erkenntnisse oft nicht in Produkte umgesetzt. Das Silicon Valley zeigt, wie es gehen kann.

Die Anforderungen an die digitalen Angebote der Unternehmen steigen scheinbar exponentiell. Neue Online-Ideen aus anderen Branchen werden rasch allgemeingültig und müssen adaptiert werden. Konkurrenten versuchen sich an neuen Ansätzen und Anwendungen, die Technologiebranche erweitert laufend die technische Basis und ermöglicht damit neue Perspektiven. Zudem fordern Die Schweiz ist gemäss dem renommierten Global Innovation Index das innovativste Land der Welt. Auch andere Ratings attestieren der Schweiz eine grosse Innovationskraft. Diese Ratings sind jedoch mit Vorbehalt zu geniessen, denn sie basieren vor allem auf Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie auf der Anzahl von Patenten. Sicherlich, die Schweiz verfügt über einige der weltweit führenden Investoren im Bereich der Forschung und Entwicklung, und es gibt viele ausgezeichnete Forschungsinstitute mit Weltrang. Die Krux ist, dass diese zwar viele Patente anmelden, aber nur wenige dieser Patente auch wirklich in Produkte umgesetzt und vermarktet werden. Ein Indiz dafür könnte das geringe Wirtschaftswachstum der Schweiz sein.

Vorbild Silicon Valley

Um dieses Problem anzugehen, hilft ein Blick über die Grenzen. Das Silicon Valley gilt als internationaler Innovationshub schlechthin, und viele Länder versuchen, dieses Modell in ihr Innovationssystem zu kopieren. Ein simples Kopieren des Silicon Valley wird wohl nicht die Lösung sein, da viele historische wie auch kulturelle Faktoren zu seinem Erfolg beigetragen haben. Dennoch ist man versucht, verschiedene Erfolgsfaktoren dieses Innovationszentrums zu adaptieren und so die Innovationsfähigkeit und damit das Wirtschaftswachstum in der Schweiz zu steigern.

"Fail fast, fail early, fail forward" – unterschiedliche Fehlerkulturen

Im Silicon Valley herrscht eine hohe Toleranz gegenüber Fehlern. Das heisst nicht, dass es angesehen ist, zu scheitern, oder gern gesehen wird, wenn eine Firma Bankrott macht. Vielmehr wird es akzeptiert, wenn man aus einem Fehlschlag gelernt hat und entsprechend Massnahmen trifft, um künftig nicht mehr denselben Fehler zu begehen. Viele Entrepreneure sind mit ihrem ersten Start-­up nicht erfolgreich, schaffen aber den Durchbruch im zweiten oder dritten Anlauf. Ein Durchbruch ist dabei nicht der Break-even, sondern das schnelle Wachstum des Unternehmens und das Erreichen einer führenden Position im Markt. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, widmen sich Gründer voll und ganz der neuen Idee. Auch wenn sie wissen, dass sie damit scheitern könnten, wird aktiv im erweiterten Freundes- und Verwandtenkreis über das Vorhaben diskutiert und erstes Feedback eingeholt. Dadurch werden zusätzliche Inputs gesammelt oder mögliche Veränderungen bereits in der Ideenphase vorgenommen, die zu einer Verbesserung der Dienstleistung oder des Produkts führen.

Hierzulande ist man noch zurückhaltend, sich voll und ganz einer Idee zu widmen, den sicheren Job zu kündigen und früh über Ideen zu sprechen. Vielfach besteht die Angst, dass man scheitern könnte, die Idee vielleicht verwerfen müsste oder andere sie kopieren könnten. Im Silicon Valley sieht man das Ganze gelassener. Man sieht die Chance, früh andere Leute ins Boot zu holen und die Idee schnell weiterzuentwickeln, da man sich bewusst ist, dass bestimmt bereits andere an derselben Idee arbeiten. Dabei gilt: "Fail fast, fail early, fail forward." Es geht nicht darum, jahrelang im stillen Kämmerlein ein 100-prozentig perfektes Produkt zu entwickeln. Wie Eric Ries in seinem Bestseller "The Lean Startup" schreibt, geht es darum, möglichst schnell ein Produkt zu entwickeln, das von einer kleinen Zielgruppe geliebt wird, da es ein Problem löst und dadurch einen Mehrwert bietet. Ebenfalls sollten ausführliche Testings mit Zielgruppen durchgeführt werden, damit man früh erfährt, welche Punkte oder Features für die Kunden wirklich wichtig sind, damit sie dann auch gewillt sind, dafür zu bezahlen. Um dies zu erreichen, sollten alle Mittel recht sein! In vielen Fällen ist dabei eine Kollaboration mit Forschungsinstitutionen oder anderen Firmen nicht nur hilfreich, sondern notwendig, da man selbst nicht über das nötigte Know-how oder die Ressourcen verfügt. Ebenfalls sollte die Unterstützung von Venture-Capital-­Firmen in Betracht gezogen werden.

Venture Capital

Auch wenn man zu Beginn mit einer Eigenfinanzierung auskommt, braucht es meist eine Folgefinanzierung, um schneller voranzukommen. Im besten Fall könnte man auf die 3 Fs (Family, Friends and other Fools) zurückgreifen, mit denen man bereits früher die Idee und Vision des Start-ups diskutierte und dadurch die erste Finanzierungsrunde sicherstellte. In den meisten Fällen ist man früher oder später auf mehr Finanzierung angewiesen und kommt kaum um Angels oder Venture Capitals (VCs) herum. Im Silicon Valley ist VC historisch verankert und ein grosses VC-Netzwerk entstanden. Zusätzlich gibt es dort ein grosses Netzwerk von erfolgreichen Gründern, die sich aktiv als Angels betätigen.

In der Schweiz herrscht immer noch eine gewisse Skepsis gegenüber VCs, da viele Gründer das Gefühl haben, einen Teil ihres Unternehmens unter dem eigentlichen, oder besser erwarteten Wert abzugeben, und befürchten, die Kontrolle darüber zu verlieren. Dass es verschiedene Möglichkeiten von Investments gibt und man trotz Minderheitsbeteiligung immer noch die Kontrolle über die Firma behalten kann, ist ihnen oft nicht bewusst. Dem Gefühl des Kon­trollverlusts stehen zusätzliche Mittel, Netzwerke und Know-how gegenüber. Diese können match­entscheidend sein. Im besten Fall führen sie dazu, dass die Ideen umgesetzt und das Unternehmen erst damit erfolgreich wird. Ein Investor trägt in dieser frühen Phase auch einen Teil des Risikos, das man als Gründer sonst allein tragen würde. Ein weiterer Vorteil ist: Einem Investor muss man den Betrag nicht wie bei einem Bankkredit zurückzahlen, falls das risikoreiche Unterfangen nicht gelingt. Zugegebenermassen ist die VC-Kultur in der Schweiz nicht so ausgeprägt wie in den USA, und es ist hierzulande zurzeit noch etwas schwieriger, in einer frühen Phase Investments zu bekommen.

Ausblick

Ein interessanter Ansatz wird in Israel verfolgt. Mit dem Ziel, ein starkes VC-Netzwerk zu etablieren, fördert der israelische Staat verschiedene VC-Unternehmen direkt beziehungsweise investiert in sie und begünstig damit ihr rasches Wachstum. Eine solche Förderung ist in der Schweiz politisch kaum denkbar. Dennoch könnten verschiedene private (Angels) und institutionelle Initiativen das Problem der Finanzierungslücken lösen. Einerseits wäre es wünschenswert, wenn erfolgreiche Gründer als Angels einen Teil ihres Gewinns und Know-hows in Start-ups reinvestieren. Andererseits könnten Gross­unter­nehmen mit Corporate Venture Capital und Expertenunterstützung nicht nur ihre eigene Innovationsfähigkeit steigern und ihre zukünftige Wettbewerbsposition sichern, sondern zusätzlich einen grossen Beitrag zur Stärkung ihrer Industrie in der Schweiz leisten.

Als Gründer sollte man jedoch nicht darauf warten, dass sich die Situation in der Schweiz rasch verändert. Weiterhin braucht man also eine Idee, wie ein Problem gelöst werden kann, Risikobereitschaft, um bekannte Set-ups zu verlassen, unschweizerischen Mut, sich mit einem vielleicht noch nicht "perfekten" Produkt dem Feedback anderer oder gar dem Markt zu stellen und die Bereitschaft, andere zu beteiligen. Dann kann auch ein kleines Unternehmen mit einem starken Team und interessanten Perspektiven vielversprechend für VC-­Unternehmen werden, die über die nötigen finanziellen Mittel, das Know-how und das Netzwerk verfügen. Entscheidend ist und wird es sein, dass wir in der Schweiz ein Umfeld schaffen, in dem aus Ideen echte, in Produkten und Dienstleistungen materialisierte Innovationen erzeugt werden können. Dann führen wir die Innovationsrankings nicht nur in Forschungsausgaben und angemeldeten Patenten an.

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