Luxusmarken entdecken das digitale Marketing
Der Luxussektor hat die digitale Welt lange gemieden. Das ist nun vorbei: Viele Marken nutzen jetzt interaktive Kommunikationsmittel und sprechen Kunden über soziale Medien an. Auch einige Schweizer Firmen versuchen, moderne Digitaltechnologien für ihre Produke zu nutzen.
Die Schweiz spielt auf dem Weltmarkt für Luxusprodukte die Hauptrolle. 11 der 100 grössten Marken sind aus der Schweiz, wie ein Bericht des Wirtschaftsprüfers Deloitte zeigt. Richemont erscheint in der Rangliste auf Platz 2. Der Konzern mit Sitz in Bellevue im Kanton Genf vereint Luxusmarken wie Baume & Mercier, Jaeger-Lecoultre, Piaget und Vacheron Constantin. Vor Richemont liegt nur die französische Aktiengesellschaft LVMH, die einen Jahresumsatz von 13,4 Milliarden US-Dollar erzielt. Ihr gehören die Schweizer Marken Tag Heuer und Hublot. Auf Platz 6 des Rankings liegt Swatch mit einem Jahresumsatz von 8,8 Milliarden, auf Platz 12 Rolex mit einem Jahresumsatz von 5,4 Milliarden Dollar.
Die starke Schweizer Position hat sich in letzter Zeit aber etwas verschlechtert. Einer der Gründe dafür ist der Exportrückgang in der Uhrenindustrie. Laut Deloitte ist dieser auf die sinkende Nachfrage in einigen Ländern zurückzuführen, etwa in China. Der starke Franken und die neue Konkurrenz aus der Smartwatch-Ecke sorgen zudem dafür, dass die Schweizer Uhrenindustrie wenig optimistisch in die Zukunft blickt. Es scheint aber so, als ob der angeschlagene Sektor im schwierigen Umfeld nun realisiert hat, dass er zukünftig stärker auf neue Technologien setzen muss.
Es ist nicht selbstverständlich, dass Firmen, die auf Luxusmarken setzen, die digitale Welt nun für sich entdecken. Lange zögerten sie. Gerade Produkte von hoher Qualität wurden in der Marketing- und Verkaufsstrategie meist von der Onlinewelt ferngehalten.
Luxus und Wahrnehmung
An guten Beispielen mangelt es aber nicht, wie der Award "Le Meilleur du Web 2015" an einigen innovation Projekten veranschaulichte. Die Agentur Liip überarbeitete die Website von Giampiero Bodino, einem Unternehmen der Richemont-Gruppe, und gewann mit dem Projekt in der Kategorie Creation. Liip schuf eine Website, welche die Besucher einlädt, die Welt von Giampiero Bodino auf eine clevere Art zu entdecken: über ein interaktive Zeichnung. Der Internetsurfer kann diese fast nach Belieben für die Navigation nutzen. Die Position der Objekte auf dem Bildschirm scheint sich dabei zu ändern, wenn der Besucher der Website seinen Mauszeiger hin- und herbewegt.
Auch die Agentur Emakina erhielt am Wettbewerb "Le Meilleur du Web 2015" einen Preis. Sie setzte ein Projekt für Jaeger-Lecoultre für die Genfer Uhrenmesse "Salon International de la Haute Horlogerie" (SIHH) um. Emakina stellte ein Teleskop auf und machte dieses über eine Virtual-Reality-App auf dem iPhone 6 Plus zugänglich. Die Agentur blieb dabei der Marketingstrategie von Jaeger-Lecoultre treu. Besucher der Uhrenmesse konnten die Produkte des Unternehmens so auch virtuell in 3-D betrachten. Sie fanden sich zwischen Himmelskörpern und Sternbildern.
Die Informationstechnologie schafft auch neue Möglichkeiten, um etwa mit nur wenigen Klicks das Räderwerk einer Uhr zu demonstrieren. So ist es möglich, das handwerkliche Können und die Tradition, die hinter der Schweizer Uhrenbranche stecken, in die digitale Welt zu übertragen. Ein Beispiel dafür ist die Website für die Kollektion Harmony von Vacheron Constantin, umgesetzt vom Genfer Unternehmen Blue-Infinity. Der Uhrenhersteller wagte erst kürzlich ein weiteres Experiment. Für die SIHH-Messe 2016, die im Januar stattfand, enthüllte er das Projekt "Chronogram". Vacheron Constantin führte dieses gemeinsam mit dem Digital Humanities Lab und dem ECAL Lab der EPFL durch. Das Projekt lud mit Virtual-Reality-Brillen auf eine Rundreise durch die Geschichte der Marke Vacheron Constantin ein.
Wenn Roger Federer einen Markenhype für Rolex entfacht
Um potenzielle Kunden von Luxusprodukten anzusprechen und sie für sich zu gewinnen, sind die sozialen Netzwerke ein idealer Kanal. Das zeigte bereits eine Studie von McKinsey aus dem Jahr 2013. "Es ist ratsam, in alle Kanäle zu investieren, ohne Ausnahme", empfiehlt Pierre-Alexandre Riera, Partner & Director Business Development bei Blue-Infinity. "Dieses Prinzip gilt auch für Luxusmarken. Sie müssen allerdings speziell darauf achten, dass die sozialen Netzwerke eine passende Ergänzung der Offlineaktivitäten sind."
Die Markenbotschafter profilieren sich vor diesem Hintergrund idealerweise als Mittler zwischen dem Brand und der Online-Community. Roger Federer ist dafür das beste Beispiel. Wenn er auf Facebook ein Video mit den Worten: "Ich freue mich schon darauf, nächstes Jahr wieder nach Wimbledon zu gehen, und ich zähle die Tage mit meiner Rolex" veröffentlicht, bringt das 1,6 Millionen Views, 150 000 Reaktionen und fast 8000 Shares. Rolex hat seit letztem November auch einen eigenen Instagram-Account. Als Federer die Marke auf Instagram mit einem Foto seiner Uhr begrüsste, generierte das fast 74 000 Likes.
Audemars Piguet ist ebenfalls sehr präsent in den sozialen Medien. Der Luxusuhrenhersteller zählt über eine Million Fans auf Facebook, 132 000 Follower auf Twitter und 658 000 auf Instagram. Für virale Effekte kann die Marke auf den Schweizer Tennisspieler Stan Wawrinka zählen.
Die sozialen Medien dienen auch gezielten Kampagnen. Das bewiesen Victorinox Swiss Army und Enigma, die für die Lancierung der Uhr I.N.O.X zusammenarbeiteten. Enigma gewann bei "Le Meilleur du Web 2015" in der Kategorie Business Efficiency. Sie sorgte dafür, dass hunderttausende Tweets den Hashtag #Victorinox nutzten, und die Werbung auf Facebook verleitete die Nutzer zu rund 600 000 Klicks. Die Kampagne profitierte zudem davon, dass sie von rund 250 einflussreichen Bloggern aufgegriffen wurde.
Herausforderungen im Omnichannel
Diese Beispiele zeigen, dass sich nun auch die Luxusbranche in soziale Medien vorwagt und sich nicht scheut, auf moderne Informationstechnologien zu setzen. Die digitale Welt kreiert eine Vielzahl von Informationen. Verbindet man die Daten aus der virtuellen Welt mit denen aus den Verkaufsgeschäften, ergeben sich für die Hersteller neue Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen. "Erst die Vereinheitlichung der Ökosysteme der Marke, seiner Partner und der Wiederverkäufer erlaubt es, Profit aus diesen Daten zu schlagen", sagt Riera. "Das bedeutet, dass Geschäftsmodelle, die ausschliesslich auf den Channel und ein Netzwerk von Wiederverkäufern setzen, überholt sind. Jede Luxusmarke sollte heute auf schöne physikalische und virtuelle Verkaufsgeschäfte setzen", erklärt Riera weiter.
Wie auch in anderen Branchen geht es darum, eine gute Multichannel-Strategie zu definieren. Das bedeutet, dass das CRM mit Daten aus unterschiedlichsten Quellen gefüttert werden muss. Unternehmen können so den Effekt ihrer Promotionskampagnen gewaltig steigern. Firmen sollten zudem den Weg optimieren, den der Kunde einschlagen muss, um vom Web ins Ladengeschäft zu gelangen. McKinsey stellt sogar fest, dass die Ladengeschäfte im Luxussegment vor allem dann besonders wichtig sind, wenn die Absatzzahlen über die Onlinekanäle steigen.
Vernetzter Schmuck und Uhren mit Activity-Tracker
All die neuen Technologien bieten noch eine weitere Chance: Sie ermöglichen es, neue Luxusprodukte zu schaffen. Etwa der vernetzte Schmuck von Swarovski oder die smarten Polohemden von Ralph Lauren. Das sind Innovationen voller Sensoren, die sich mit Smartphone-Apps verbinden und die Aktivitäten der Nutzer nachvollziehen können.
Auch der Markt für Smartwatches ist für einige Luxushersteller wichtig. Jetzt, wo Apple sich mit Hermès zusammengetan hat, um Uhren mit Lederbändern auszustatten, wagen sich auch Schweizer Uhrenhersteller in diese Marktnische vor. Ein Beispiel ist Frédérique Constant mit seiner Horological Smartwatch, die mit Sensoren vollgepackt ist. Oder der Hersteller Tag Heuer, der die Carrera Connected vorstellte. Sie entstand in Kooperation mit Google und Intel.
An der Baselworld wurde kürzlich auch die "Samsung Gear S2 by De Grisogono" angekündigt. Samsung pries die limitierte Edition seiner Smartwatch als erste smarte Schmuckuhr im Luxussegment an. Obwohl sich Schweizer Luxusuhrenmarken nun auch auf soziale Medien einlassen und mit neuen Interaktionsformen experimentieren, scheint ein Grossteil der Hersteller nach wie vor abgeneigt, das Spiel von Apple bei den Wearables mitzuspielen.