Der Kampf um das Mooresche Gesetz
Immer kleiner, immer schneller und immer günstiger. Dies war lange das Mantra der Chiphersteller. Und sie lieferten auch die entsprechenden Prozessoren. Die Chiptechnologien stossen aber zunehmend an Grenzen. Das Mooresche Gesetz scheint am Ende. dies sieht aber nicht jeder so.
Die aktuellen Prozessoren der grossen Chiphersteller werden mit der 10-Nanometer-Technologie gefertigt. Anfang des kommenden Jahres sollen die ersten kommerziellen Chips auf den Markt kommen. 14 Nanometer sind zurzeit die kleinsten Strukturen bei Micropozessoren. Gemäss der «International Technology Roadmap for Semiconductors» sollen die Strukturen, also Transistoren und Leiterbahnen, bis 2019 auf 7 Nanometer und schliesslich auf 5 Nanometer im Jahr 2021 schrumpfen.
Diese Grössenordnungen übersteigen das menschliche Vorstellungsvermögen. Ein Nanometer ist ein milliardstel Meter, also eine Zahl mit acht Nullen und einer eins hinter dem Komma. Auch der Vergleich zum menschlichen Haar bietet kaum mehr Hilfe. Ein durchschnittliches Haar ist weit mehr als 4000 Mal so dick.
Hoffnungsträger EVU-Technologie
Die bisher für die Fertigung dieser feinen Strukturen genutzten Belichtungstechniken stossen jedoch seit einiger Zeit an ihre physikalischen Grenzen. Als einer der grössten Hoffnungsträger wird derzeit die EUV-Lithografie gehandelt. EUV steht für «extreme ultra violet». Diese Strahlen haben nur eine Wellenlänge von 13,5 Nanometern, im Vergleich zur bisher genutzten Immersionslithographie mit Wellenlängen von 193 Nanometern. Mit EUV liessen sich deutlich kleiner Strukturen realisieren.
Eine wichtige Rolle bei der Forschung für die EUV-Lithographie-Optiken kommt dabei dem deutschen Optik-Spezialisten Carl Zeiss zu. Er forscht nach eigenen Angaben bereits seit mehr als 20 Jahren daran, es ist also keine neue Technologie. Carl Zeiss forscht im Detail an Optiken für die Belichtung, die dann von den Chipherstellern genutzt werden. Da Licht mit Wellenlängen von 13,5 Nanometern selbst von der Luft sehr stark absorbiert wird, muss die Fertigung unter Vakuum betrieben werden. Zudem werden nicht mehr allein Linsen verwendet, sondern die Strahlen werden über ein «komplexes System von hochreflektiven Spiegeln» geleitet, erklärt Carl Zeiss die Herausforderungen.
Zusammen mit dem niederländischen Zulieferer für Halbleiterhersteller ASML stehe Carl Zeiss nun vor dem technologischen und ökonomischen Durchbruch, teilt das Unternehmen weiter mit. Mit EUV liesse sich die Zahl der Transistoren auf den Chips noch einmal deutlich steigern. Bis 2018 oder 2019 könnten die ersten kommerziellen Anwendungen mit der EUV-Technologie fertig sein. Die ersten Chips könnten im Jahr 2020 in den Handel kommen.
Potenziale unterschiedlich eingeschätzt
Auch Intel setzt grosse Hoffnungen in die Technologie. Der Hersteller nennt sie sogar «eine radikal neue Technologie». Diese habe das Potenzial, die Kosten für einen Transistor noch weiter zu senken. Intel investiere daher schon seit langem massiv, wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilte. Auch Walter Riess, Department Manager Science & Technology bei IBM Research in Zürich, sieht in EUV eine wegweisende Technologie. Seinen Angaben zufolge setzen alle grösseren Chiphersteller darauf. Auch IBM forsche an der Technologie und habe zusammen mit Partnern schon im Jahr 2015 erste 7 Nanometer-Testchips präsentiert.
Etwas nüchterner schätzt Klaus Ensslin, Professor am Solid State Physics Laboratory der ETH Zürich, seine Erwartungen an die EUV-Technologie ein. Er erwartet von ihr nur eine kleine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Computerchips. Seiner Meinung nach werden die Verbesserungen im Rahmen von 10 Prozent liegen, was im Vergleich zu vorherigen technologischen Schritten relativ wenig ist. «EUV wird nicht das Mooresche Gesetz wiedererwecken», zeigte er sich überzeugt. Es stellt sich daher die Frage, ob der über Jahrzehnte gültige Leitsatz des Intel-Mitgründers Gordon Moore bestehen bleibt (siehe Infokasten). Bei der Bewertung der Zukunftsfähigkeit des Mooreschen Gesetzes scheiden sich jedoch die Geister.
Ist das Ende des Mooreschen Gesetzes nah?
Mit dem Durchbruch der EUV-Fertigung kann laut Carl Zeiss das Mooresche Gesetz fortgeschrieben werden. EUV ermögliche einen weiteren «Fortschritt der Roadmap der Halbleiterindustrie», teilt das Unternehmen mit. «Wir ermöglichen damit zusammen mit ASML die Fortsetzung von Moore’s Law bis weit über die nächste Dekade hinaus».
Auch für Intel ist das Mooresche Gesetz noch nicht am Ende. Schon seit Jahrzehnten hätten es verschiedene Personen totgesagt, dies habe sich jedoch nie bewahrheitet. Intel hob beim Mooreschen Gesetz vor allem die Kostensenkung je Transitor als zentralen Aspekt hervor. Durch weitere Miniaturisierung, neue Fertigungstechniken, wie etwa EUV, und eine weitere Erhöhung der Transistorendichte würde der einzelne Transitor immer günstiger. In absehbarer Zeit sieht Intel daher kein Ende des Mooresschen Gesetzes.
Eine etwas andere Einschätzung hat Riess von IBM Research. Seit 2012 seien die Kosten für einen Transistor nicht mehr gesunken. In den letzten zwei Jahren nahmen sie gemäss Riess sogar zu. «Das ökonomische Modell des Mooreschen Gesetzes hat damit seine Gültigkeit verloren», schlussfolgert er. Zwar rechnet auch er damit, dass die Computerchips in Zukunft durch Verbesserungen bei der Architektur leistungsfähiger werden, dies werde jedoch seinen Preis haben. Leistungsfähigere Chips würden also nicht günstiger, sondern teurer.
Ensslin von der ETH Zürich sieht hingegen keine Zukunft mehr für das Mooresche Gesetz. Seiner Meinung nach ist es eigentlich schon seit den letzten fünf Jahren tot. Als Beispiel führte er das neue Macbook an. Dieses sei nur um 10 Prozent besser als der Vorgänger. Davor habe es immer deutlichere Steigerungen geben. Das es nicht mehr weitergehe, sei auch nicht schlimm, sagte er einschränkend. Er fügte hier das Beispiel der Flugzeugtechnologie an. Flugzeuge wären in den letzten Jahrzehnten eigentlich nicht mehr schneller geworden, die Technologie sei in diesem Bereich an eine Grenze gestossen. Innovationen habe es beim Verbrauch, der Effizienz oder der Passagierzahl gegeben. Ähnliche Entwicklungen erwarte er auch bei den Computerchips.
Nächster Sprung erst durch Quantencomputer
Der nächste grosse Sprung bei der Chip-Technologie wird laut Ensslin erst mit dem Quantencomputer kommen. Bei der Forschung zu dieser Technologie steht die Schweiz mit an der Weltspitze. Ausser der ETH Zürich und dem Forschungsverbund Quantum Science and Technology (QSIT) arbeitet auch IBM Research in Rüschlikon intensiv an der Technologie, wie Riess bestätigte.
Auch wenn der Quantencomputer näher rückt, «die normalen Laptops werden aber sicherlich weiter mit Silizium-Chips funktionieren», schränkte Ensslin die Erwartungen ein. Der Quantencomputer könnte etwa für die Berechnung von komplexen Molekülen eingesetzt werden, jedoch eigneten sie sich nicht für den Tagesgebrauch. Dieser Auffassung ist auch Riess.
Deutliche Leistungssteigerungen können laut Riess langfristig auch neuromorphe, also biologischen Nervenzellen nachempfundene Bauelemente bringen. Diese böten eine potenziell deutlich höhere Energieeffizienz und Lerngeschwindigkeit. Damit liesse sich die Leistungsfähigkeit der Chomputersysteme um mehrere Grösseneinheiten steigern.
Für Ensslin wird es künftig nicht mehr nur auf die Leistungsfähigkeit der Computerchips ankommen. «Die wahre technologische Revolution könnte sich jenseits der IT anbahnen», sagte er. Etwas, was durch eine engere Verbindung von Menschen und Maschinen über Mensch-Maschine-Interfaces entstehe.