Olaf Swantee: "Sunrise braucht keine Konsolidierung"
Mit Markus Naef und Timm Degenhardt haben wichtige Mitglieder die Sunrise-Geschäftsleitung verlassen. CEO Olaf Swantee baute das Leadership-Team um. Sunrise trete nun mutiger auf, sagt Swantee. Ein Gespräch über Strategie, Konkurrenz und das Spezielle am Schweizer Markt.
Sie sind seit Mai 2016 CEO von Sunrise. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Olaf Swantee: Es macht wirklich Spass bei Sunrise. Es ist eine coole Firma mit tollen Mitarbeitern. Die Zeit ist sehr schnell vergangen.
Was macht Sunrise cool?
Die angenehme, offene und transparente Kultur. Wir sind sehr international mit 60 verschiedenen Nationalitäten. Es macht mir auch Spass, in allen Landesteilen der Schweiz zu arbeiten, an der Front oder in der Technik.
Sind Sie ein Frontmann?
Man muss als CEO der wichtigsten Herausfordererin im Schweizer Telko-Markt auch an der Front sehr präsent sein. Das mache ich auch gerne und der direkte Kontakt wird von unseren Kunden insbesondere im B2B sehr geschätzt.
Was haben Sie in dieser Zeit verändert?
Die strategische Ausrichtung von Sunrise war schon vor meiner Zeit gut. Zu Beginn galt es deshalb, nicht zu viel zu verändern, aber mit einer grösseren Intensität in gewisse Bereiche zu gehen.
Welche Bereiche sind das?
Ich setzte mehr Akzente im Geschäftskundenbereich. Ich komme aus diesem Bereich, habe jahrelang bei HP gearbeitet. So erkannte ich früh, dass Sunrise das richtige Gesamtportfolio bietet, um im Markt etwas zu bewegen.
Was haben Sie gemacht?
Ich habe die Managementstrukturen vereinfacht und einen Management Layer entfernt, auch um die Distanz zu unseren Grosskunden zu verkürzen. Mit Max Nunziata haben wir nun einen Frontmann an der Spitze, der einen ausgeprägten Sinn für die Kundenbedürfnisse hat. Ferner initiierte ich Anpassungen bei den Prozessen, im Account Management und Account Mapping. Mein Augenmerk gilt ebenfalls den neuen konvergenten Angeboten und unserem neuen Auftritt.
Wie soll Sunrise auftreten?
Sunrise ist "The Unlimited Company". Das heisst, wir treten mutiger, intuitiver und positiver auf mit neuen Angeboten, die bisherige Grenzen aufheben. Ich habe viel Zeit mit meinem technischen Team verbracht, um das Bewusstsein über unsere Netzqualität zu stärken. Das vermitteln wir auch gegen aussen. Ebenfalls zentral ist der Kundendienst. Für den Servicebereich holte ich mit Françoise Clemes eine erfahrene und pragmatische Managerin, die ganz direkt anpackt, was nicht gut läuft.
Was versprechen Sie sich vom Executive Leadership Team, das Sie formiert haben?
Das Wort Leadership sagt es schon: Das Team muss die Führung übernehmen, die Firma als Herausforderin führen und ihre Weiterentwicklung sichern. Dabei gibt es klare Verantwortlichkeiten innerhalb einer vereinfachten Struktur. Jeder soll verstehen, wer was macht. Diversity war mir auch wichtig. Es gab vorher keine Frauen auf der höchsten Führungsebene.
Mit Markus Naef und Timm Degenhardt haben zwei wichtige Mitglieder der Geschäftsleitung Sunrise verlassen. Warum herrscht so viel Unruhe bei Sunrise?
Markus Naef war nicht im Executive Leadership Team. Er hat sich neu orientiert, nachdem er einige Jahre hier gearbeitet hatte. Bei Timm Degenhardt war es dasselbe. Ich glaube, das ist ganz natürlich. Insgesamt herrscht Kontinuität. Abgesehen von mir werden bis auf zwei Positionen alle Bereiche von Managementmitgliedern geführt, die schon lange bei Sunrise arbeiten.
Mit Ihnen sind einige weitere ehemalige Salt/Orange-Mitarbeiter zu Sunrise gekommen. Steht damit die Fusion der beiden Unternehmen wieder zur Diskussion?
Es gibt zurzeit keine Fusionsprojekte und Sunrise braucht keine Konsolidierung. Wir sind mit unseren Angeboten konvergent – und haben mit "Sunrise One" auch ein Bundle-Angebot auf dem Markt. Eine Fusion kann Kosteneinsparungen bringen. Das hat man in England bei EE gesehen. Ich bin nicht gegen einen Zusammenschluss. Kurz- oder mittelfristig ist das aber sicher nicht möglich.
Was ist speziell am Schweizer Markt?
Wichtig ist die Qualität. Die Ansprüche der Kunden an das Netzwerk, aber auch an den Kundendienst sind in der Schweiz höher und komplexer als in anderen Märkten. Gründe dafür sind das vergleichsweise hohe Einkommen oder die verschiedenen Landessprachen und damit verbunden die geringe Skalierbarkeit. Die regulatorischen Rahmenbedingungen sind ebenfalls speziell. Ausserdem habe ich noch nie erlebt, dass ein Anbieter über 80 Prozent Marktanteil im Geschäftskundenbereich hat.
Haben Sie den B2B-Anteil von Sunrise bereits ausbauen können?
Dafür ist es noch zu früh. Wir befinden uns noch in einer Transitionsphase. Ich kann aber sagen, dass immer mehr Geschäftskunden das Gespräch mit uns suchen und uns einladen, an Ausschreibungen teilzunehmen. Für internationale Kunden haben wir seit Dezember mit Freemove einen neuen Partner, mit dem wir internationale Verträge anbieten können.
Wie weit ist Sunrise beim Thema 5G?
Für die Schweiz ist 5G aus Applikationssicht ein Thema, weil es die Latenzzeit auf eine Millisekunde verkürzt. Das ist für M2M-Kommunikation, Virtual und Augmented Reality, für Smart City oder für Self Driving Cars wichtig. Da die Latenzzeit des menschlichen Gehirns ohnehin länger ist, spielt 5G für den einzelnen Kunden, der mobil im Web surft und Videodienste nutzt, kaum eine Rolle. Der 5G-Bedarf in der Schweiz ist heute zudem geringer als in anderen Ländern, weil wir nicht so hohe Bevölkerungsdichten aufweisen wie etwa Hongkong. Wir werden zuerst die Geschwindigkeiten über 4G und 4G+ erhöhen und die geografische Abdeckung noch besser machen. Die Einführung von 5G wird für uns ein Thema, wenn die Standards dafür gesetzt sind.
Das Bakom respektive die Comcom plant, weitere Mobilfunkfrequenzen zu vergeben. Wird Sunrise Lizenzen beziehen?
Das 700-MHz-Band ist grundsätzlich interessant. Aber ich bezweifle, dass ein baldiges Auktionsverfahren dem Markt ein gutes Ergebnis bringt. Wir haben heute noch Spektrumbänder, die wir vor Jahren kauften, aber aufgrund der übertrieben strengen NIS-Vorschriften nicht vollumfänglich nutzen können. Deshalb ergibt es wenig Sinn, weitere Spektren zu kaufen, die wir wiederum nicht vollumfänglich und insbesondere in Ballungszentren kaum nutzen können. Die politische Haltung ist widersprüchlich. Für die digitale Schweiz will man möglichst überall breitbandige Internetverbindungen. Die unnötigen Einschränkungen durch die NISV will man aber nicht lockern. Das macht es technisch fast unmöglich, das Datenwachstum längerfristig bedienen zu können. Wir sind heute schon bei vielen Antennen am Limit.
Inwiefern erwarten Sie eine Konsolidierung im Markt angesichts nötiger Investitionen in die Infrastruktur für das 5G-Netz?
Es gibt zurzeit keine Konsolidierungsprojekte bei Sunrise, und Sunrise braucht keine Konsolidierung. Wir haben ein konvergentes Angebot und planen unsere Investitionen sorgfältig.
Wie verläuft die Entwicklung der einzelnen Geschäftsbereiche von Sunrise? Gibt es einen Bereich, mit dem Sie besonders zufrieden sind?
Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung im Mobile-Postpaid-, Internet- und TV-Bereich. Hier zeigt sich, dass unsere Strategie funktioniert. Wir bieten das beste Mobilfunknetz fürs Mobiltelefonieren und für mobiles Internet sowie ein Premium-TV-Angebot mit gutem Content und modernem User Interface. Die Bereiche Mobile Postpaid, Internet und TV wachsen jedes Quartal, TV zuletzt von 3 auf 4 Prozent Marktanteil. Damit kompensieren wir teilweise das rückläufige Prepaid- und Festnetz-Geschäft.
Wie weit ist Sunrise bei der Digitalisierung im Unternehmen?
Wir liefern die Basisinfrastruktur für unsere Kunden. Wir sind auch in der Lage, zu installieren und zu implementieren. Das ist gerade für KMUs wichtig, die dafür vielleicht keine Mitarbeiter haben. Wir machen das mit Partnern zusammen. Und wir haben Speziallösungen, die immer wichtiger werden. Etwa Skype for Business oder Voice over IP mit Cisco. Da ist die Telefonzentrale in der Cloud. Mit solchen Lösungen sind wir stark und wir nutzen diese auch innerhalb von Sunrise, um etwa die Zusammenarbeit über verschiedene Standorte hinweg effizienter zu machen.
Mit welchen Partnern arbeiten Sie zusammen?
Im Geschäftskundenbereich sind es beispielsweise Cisco und Microsoft. Im Handset-Bereich arbeiten wir stark mit Apple zusammen. International haben wir Partner wie die Freemove-Allianz oder Orange Business Services, über die wir unseren Kunden Dienstleistungen weltweit anbieten können.
Welchen Einfluss hat das Outsourcing der IT-Infrastruktur von Sunrise an Huawei?
Wir machen seit Jahren die besten Erfahrungen mit Huawei im Mobilnetzbereich. Mit der Ausweitung der Partnerschaft auf IT-Operations erreichen wir eine höhere Flexibilität und die Verfügbarkeit modernster Dienste. Neue Dienstleistungen können dank der klaren Gesamtzuständigkeit eines einzigen Partners schneller eingeführt werden. Wir haben Huawei bei den IT-Operations erst seit einem halben Jahr implementiert. Aber es funktioniert sehr gut. Huawei ist in der Schweiz und weltweit technologisch und mit seinen Mitarbeitern hervorragend. Wir sind nicht HP oder IBM und haben andere Prioritäten. Deshalb arbeiten wir mit jemandem zusammen, der IT-Infrastrukturen versteht. Applikationsentwicklung, Applikationsmanagement und End-to-End-Verantwortung sind aber bei uns.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Huawei aus bezüglich 5G? Inwiefern wirkt Sunrise an der Ausarbeitung eines weltweiten 5G-Standards mit?
Wir beobachten und analysieren die verschiedenen international stattfindenden 5G-Aktivitäten und evaluieren mit Huawei mögliche 5G-Strategien. 5G ist aber noch im Standardisierungsprozess. An diesem wirken wir nicht mit.
Was bedeutet der Connect-Testsieg für das beste Netz für Sunrise?
Die Qualitätsstrategie von Sunrise zahlte sich aus. Der beste Beleg dafür sind über 86'000 Mobilfunk-Abokunden, die wir 2016 netto gewonnen haben. Unser überragendes Netz ist ein wesentlicher Faktor dafür. Der Connect-Test hat unserer Mobilnetzstrategie die Krone aufgesetzt. Weitere Tests wie Ookla Speedtest oder das "Bilanz Telekom-Rating" bestätigen die Resultate. Die Mitbewerber verdauen das offenbar nur schwer und versuchen die Kunden zu verwirren, wer das beste Netz hat.
Wie will Sunrise auf das neue Abo-Angebot "InOne" von Swisscom reagieren?
Die Tarif- und Marktexperten waren sich einig: Der Ex-Monopolist musste von seinen Zwangspaketen wegkommen und seine Angebote massiv nachbessern. Der Druck dazu stammte nicht zuletzt auch von unserem modularen Angebot an Festnetz-, Internet-, TV- und Mobilfunkdiensten, das wir seit fast drei Jahren bieten und mit dem wir deutlich wachsen konnten. Mit "Sunrise One" haben wir jetzt noch ein Sorglos-Paket draufgepackt, das neue Massstäbe setzt.