Hochsicherheitsbereich E-Government
Unter verschärften Sicherheitsbedingungen ist das "eGovernment Symposium" in diesem Jahr über die Bühne gegangen. Grund waren jedoch nicht die Vorträge, sondern eine parallel stattfindende Mittelmeerkonferenz. Auf dem Symposium setzten sich die Referenten kritisch mit den Entwicklungen im Bereich E-Government auseinander.
Das "eGovernment Symposium" fand in diesem Jahr unter verschärften Sicherheitsbedingungen statt. Die Stadtpolizei hatte den Veranstaltungsort, das Hotel Bellevue in Bern, grossräumig abgesperrt, Zutritt gab es erst nach einem Sicherheitscheck wie am Flughafen. Grund waren jedoch nicht die Referenten der Veranstaltung, sondern die zeitgleich stattfindende Konferenz der Mittelmeeranrainerstaaten, welche über die Flüchtlingskrise im Mittelmeer diskutierten.
Etwas weniger brisant waren Vorträge vom "eGovernment Symposium", aber nicht weniger wichtig. Denn sie zeigten auf, wo die Schweiz beim E-Government steht und was es für einen Erfolg noch alles braucht. Folglich trat das Who’s who der Schweizer E-Government-Szene vor Ort. Auch internationale Referenten zeigten, wie E-Government gemacht werden kann.
Im letzten Jahr viel erreicht
Zu Beginn bilanzierte Peter Fischer, Präsident "eGovernment Symposium" und Leiter des Informatiksteuerungsorgans des Bundes (ISB), die zurückliegenden Monate. Seiner Einschätzung nach gab es zahlreiche Fortschritte. Als Beispiele nannte er etwa Fortschritte beim E-Umzug, der E-Mehrwertsteuer, dem E-Voting und den Start der Vernehmlassung zur E-ID. "Es ist viel Bewegung im Bereich E-Government in der Schweiz", sagte Fischer.
Studien hätten auch gezeigt, dass die Schweizer Bürger mit den angebotenen Diensten grösstenteils zufrieden sind. Es gibt aber „einen klaren Bedarf an Mehr“, hob Fischer hervor. Dies etwa beim E-Voting, Änderungen im Handelsregister oder der Verfügbarkeit der Verwaltung rund um die Uhr und am jedem Tag im Jahr. Der Bundesrat habe laut Fischer bei einer Klausur erkannt, dass es bei E-Government noch einen deutlichen Schub brauche. Das betonte auch Bundespräsidentin Doris Leuthard am parallel stattfindenden Europa Forum Luzern.
Diese Absicht des Bundes zeige sich auch in einer kürzlich im Tallinn unterzeichneten Deklaration für mehr E-Government in Europa. Für die Schweiz unterzeichnete Bundesrat Ueli Maurer das Papier. Die zentralen Punkte sollen folglich auch in die neue E-Government-Strategie des Bundes einfliessen.
Der Elefant Zollverwaltung soll tanzen lernen
Das mit Abstand grösste Digitalisierungs- und E-Government-Projekt stellte Christian Bock, Direktor der Eidgenössischen Zollverwaltung, vor. Sein Vortrag trug den provokativen Titel "Making an Elephant Dance". Dabei liess er sich von einem Buch des ehemaligen IBM-CEO Louis Gerstner inspirieren. Dieser zeigte, wie der den Elefanten IBM von der Hardware löste und in die neue Service-Welt überführte.
Einen ähnlichen Elefanten stelle für Bock die Zollverwaltung dar. Denn das Projekt DaziT sei eine "Neuerfindung der Zollverwaltung und des Grenzschutzes", wie Bock sagte. Er sieht DaziT als ein auf 10 Jahre ausgelegtes Programm und bewusst nicht als IT-Projekt.
Der Zoll brauche solch ein Programm, aus zwei Gründen, wie Bock sagte. Zunächst soll der volkswirtschaftliche Schaden durch die Zollformalitäten verringert werden. Dieser belaufe sich aktuell auf 450 bis 500 Millionen Franken. Teilweise werde er durch den Schweizer Zoll, aber auch durch die Behörden von Nachbarländern verursacht. Zudem fordern Kunden Schutz vor gefährlichen Produkten, was ein Mehraufwand mit sich bringe.
Christian Bock, Direktor der Eidgenössischen Zollverwaltung. (Source: Netzmedien)
Mit dem Programm DaziT will der Zoll digital agil werden. Nicht alle Lieferungen könnten kontrolliert werden. Aktuell liege die Kontrollquote lediglich bei 1,7 Prozent und in einem Drittel dieser Kontrollen werde der Zoll fündig. Durch eine stärkere Digitalisierung wolle der Zoll aber mobiler werden. Ziel ist es, das der Zoll nicht mehr nur an den Grenzen kontrolliert, sondern dort, wo man es nicht erwartet, sagte Bock.
Um dies zu erreichen brauche es aber einen grundlegenden Wandel in den Berufsprofilen der Beschäftigten. Auch die Ausbildung müsse angepasst werden, sowie die Trennung zwischen Zoll und Grenzwachtkorps durchlässiger werden.
Diese Veränderungen bei den Mitarbeitenden sind für Bock anspruchsvoller, als die ohnehin schon komplexen technischen Herausforderungen, wie er betonte. Es komme darauf an, "das Feuer bei den Mitarbeitenden zu erwecken" und diese bei der Transformation nicht zu überfordern.
App für die Selbstverzollung
Als ein erstes Beispiel für die Digitalisierung stellte Bock eine neue Verzollungs-App vor, welche die bisherigen Einwurfboxen digitalisieren soll. Der Zoll orientiere sich dabei an Fluggesellschaften, die heute schon die Passagiere dazu bringen, ihre Gepäckschilder selber auszudrucken.
Gleichzeitig ist der Prozess mit den Einwurfboxen bisher nicht optimal. Die Digitalisierung ist eine Chance, diesen zu optimieren. Es bringe nichts, einen schlechten Prozess zu digitalisieren, dabei komme ein schlechter digitaler Prozess heraus, betonte Bock in Anlehnung an einen Ausspruch des ehemaligen Telefónica-Deutschland-CEO Thorsten Dirks: "Wenn sie einen Scheissprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiss-digitalen Prozess".
"Es ist ein ungeheuer spannendes Projekt", resümierte Bock. Es berge aber auch viel Potenzial für Fehler. Einige Journalisten hätten deshalb schon die Dossiers vorbereitet, die das Scheitern des Projekts verkünden, sagte er mit Selbstironie.
Zum Abschluss brachte Bock noch eine Anekdote mit seinem Chef Ueli Maurer. Dieser fragte ihn kurz vor dem Start von DaziT, ob er das Geld auch dann ausgeben würde, wenn es sein Eigenes wäre. Als Bock dies bejahte, sagte Maurer nur: "Gut, es ist deine Karriere".
Daten nur noch einmal erfassen
Nach der Kaffeepause trat Reinhard Posch, Leiter Digitales Österreich und CIO der österreichischen Bundesregierung, auf die Bühne. Er ging zunächst auf die Fortschritte seines Landes im Bereich E-Government ein.
Seiner Einschätzung nach war Österreich bisher sehr erfolgreich, dürfe sich aber auf dem bisher Erreichten nicht ausruhen. Denn es gebe viele Herausforderungen. Die Verwaltung müsse etwa fit gemacht werden für mobile Geräte, das Internet der Dinge und andere neue Technologien. Vor allem das Thema Cybersicherheit müsse noch mehr in den Fokus rücken.
Reinhard Posch, CIO der österreichischen Bundesregierung. (Source: Netzmedien)
Hauptthema seines Vortrags war das Prinzip "Data only once", ein zentraler Punkt der Deklaration von Tallinn. "Wir wollen, dass der Bürger die Daten nur einmal an die Verwaltung weitergeben muss", fasste er das Prinzip zusammen. Hierfür sei jedoch eine hohe Datenqualität notwendig.
Die grösste Herausforderung stelle jedoch der internationale Datenverkehr dar, betonte Posch. Als Beispiel nannte er einen Bürger aus Belgien, der in Luxemburg arbeitet, in Deutschland wohnt und dann im Winter einen Skiunfall in Österreich hat. Bei solch einem durchaus anzutreffenden Fall das Prinzip "Data only once" durchzusetzen sei nicht einfach.
Denn neben guten Schnittstellen müsse auch die Qualität der Daten stimmen, um sicherzugehen, dass es auch die richtige Person ist. Auch die gesetzliche Basis müsse in allen Ländern so sein, dass ein Datentransfert möglich ist. Und dies natürlich unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen. Das alles ist keine einfache Aufgabe, wie Posch betonte.
Verwaltungen als Vorreiter
In Österreich gebe es schon einige Beispiele für das Prinzip "Data only once". Wenn ein Bürger etwa ein Auto kauft, dann muss er nur noch eine Versicherung abschliessen. Die Meldung an die Verkehrsbehörden übernimmt dann die Versicherung, wodurch der Bürger einen Behördengang spare.
Auch die Familienbeihilfe wurde automatisiert, denn der Staat wisse, wie viele Kinder in einem Haushalt wohnen. Dies alles sind Daten, die nicht noch einmal vom Bürger übermittelt werden müssen.
Zum Schluss betonte Posch, dass es nicht nur darum gehe, dass Papier abzuschaffen. "Papierlos" ist für ihn ein Schlagwort von gestern und werde in Österreich auch schon an vielen Orten praktiziert. Modernes E-Government brauche vielmehr eine Automatisierung, welche das Back-end durchdringe. Auch müssten sich die Verwaltungen frühzeitig mit neuen Technologien wie der Blockchain oder dem Internet der Dinge auseinandersetzen, um eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Das Symposium klang mit einem Apéro Riche aus. Wie schon in den Pausen wurde dieser rege für Diskussionen und Austausch zwischen den Gästen und mit den Referenten genutzt.