Eine smarte Stadt hört auf ihre Bürger
In Basel haben sich Unternehmen, Stadtplaner und Experten zur Smart Suisse getroffen. An der zweiten Ausgabe der Konferenz standen Zusammenarbeit, Vernetzung und die Mitbestimmung der Bürger im Zentrum. Anbieter und Gemeinden stellten ihre Smart-City-Projekte vor.
Zum zweiten Mal haben sich im Basler Congress Center Technologieanbieter, Stadtplaner und Wissenschaftler mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft zur Smart Suisse getroffen. Der Kongress rund um die smarte Stadt lockte dieses Jahr über 600 Teilnehmer aus mehr als 120 Gemeinden an, wie die Veranstalter zur Begrüssung sagten. Ein Zeichen, dass die Smart-City-Bewegung in der Schweiz Fahrt aufgenommen habe.
Dies zeige sich auch daran, dass viele Branchen und wichtige Player aus der Schweizer Wirtschaft an die Veranstaltung gekommen seien, fügte der baselstädtische Regierungsrat Hans-Peter Wessels an. Er hiess die Besucher im Namen der lokalen Behörden willkommen.
Hans-Peter Wessels vertrat den Kanton Basel-Stadt an der Smart Suisse. (Source: Netzmedien)
Zwei Themen standen bei der Smart Suisse im Zentrum: Vernetzung und Zusammenarbeit. Partnerschaften seien die Grundlage jeder smarten Stadt, betonte etwa SBB-Chef Andreas Meyer, der das erste Referat des Tages hielt.
Wettbewerb der Ideen
Meyer zeigte verschiedene Projekte, die bei den SBB aktuell laufen. Zum Beispiel der Neubau des Wolf-Areals in Basel als "smartestes Areal der Schweiz". Oder die Aktivitäten des Unternehmens im Bereich des Planens und Bauens per "Building Information Modeling" (BIM). Letzteres brauche einen "Boost" in der Schweiz, forderte Meyer. Es sei darüber nachzudenken, ob BIM nicht eine Voraussetzung für Ausschreibungen werden sollte.
Das Kerngeschäft der SBB bleibe die Eisenbahn, sagte Meyer. Gleichzeitig wolle das Unternehmen aber auch ein Entwicklungspartner für smarte Städte sein. Bahnhöfe, Gleisanlagen und Fahrzeuge - die SBB suchten nach verschiedenen Wegen, ihre Infrastruktur und Technik effizienter zu nutzen. Das Ziel bestehe darin, "mit weniger mehr und das besser" zu machen.
Städte und Technologieanbieter stellen an der Smart Suisse ihre Stände auf. (Source: Netzmedien)
Um die Entwicklung in der Schweiz zu fördern, regte Meyer die Schaffung eines "Smart City Index" an; eine Art Wettbewerb für die besten Smart-City-Ideen. Die Schweiz habe es nötig, ein höheres Tempo einzuschlagen, denn "wir laufen Gefahr, von anderen Entwicklungsstätten überholt zu werden", wie der SBB-Chef sagte. Er merkte aber auch an, dass es nicht ein Smart-City-Patentrezept gebe. Die Stadt der Zukunft entstehe im Dialog mit ihren Bewohnern, die unterschiedliche Bedürfnisse hätten.
Wandel stellt Post vor Herausforderungen
Gemeinsam mit der Bevölkerung Lösungen zu entwickeln, sei auch das Ziel der Schweizerischen Post, wie Claudia Pletscher, Leiterin Entwicklung und Innovation des Unternehmens, im Anschluss sagte. Die Geschäftsbereiche der Post hätten sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Menschen kauften vermehrt Online ein und erwarteten schnelle und flexible Lieferungen. Schalter würden immer weniger benutzt. Die Infrastruktur stosse an ihre Grenzen.
Claudia Pletscher von der Schweizerischen Post forderte mehr Kooperation und bessere Regulation. (Source: Netzmedien)
Die Post, in verschiedenen Geschäftsfeldern mit dem Wandel konfrontiert, habe deshalb eine Smart-City-Strategie entwickelt und denke über weitere Veränderungen nach. Viele Systeme müssten in den kommenden Jahren ausgetauscht werden. Es gehe darum, das heutige Angebot weiter zu entwickeln und die Frage zu stellen, welche Dienstleistungen das Unternehmen seinen Kunden sonst noch bieten könne, sagte Pletscher.
Lieferdrohnen, selbstfahrende Shuttles und Paketroboter - die Post startete in der Schweiz laut Pletscher verschiedene Projekte mit Pioniercharakter. Dabei betonte auch sie die Kooperation mit Behörden, Start-ups und Kunden: "Alleine hätten wir das nie geschafft."
Virtuelles Bauen am Stand von Microsoft, Afca, Esri und der Stadt Zürich. (Source: Netzmedien)
Die grösste Hürde der smarten Stadt sah Pletscher indes bei der Regulierung. Die Politik hinke der Technologie oftmals hinterher und halte so Innovation zurück. "Wir sollten der Technologie Raum lassen, um die Smart City leben zu können", sagte sie.
Schweizer Städte haben Nachholbedarf
Was die Vertreter von SBB und Post bereits antönten, kam bei den aus dem Ausland eingeladenen Referenten der Smart Suisse noch stärker zum Tragen: Schweizer Städte haben beim Thema Smart City Nachholbedarf.
Helle Søholt, CEO des dänischen Architektur- und Planungsbüros Gehl, gab nicht nur Tipps für eine smarte Stadtgestaltung - etwa den Einbezug der Bevölkerung, die Nutzung von Sensordaten und die Überwindung von Silodenken in den Verwaltungen. Sie war ausserdem der Meinung, "die öffentlichen Plätze in der Schweiz sind ziemlich langweilig." Asphalt und Autos dominierten hier noch.
Architektin Helle Søholt tadelte die Schweizer Städte. (Source: Netzmedien)
Søholt riet den Stadtplanern im Publikum, das Potential für grünere und attraktivere Plätze besser zu nutzen. Ein Problem sah sie darin, dass Städte auf dem Weg zur Smart City sehr unterschiedlich weit seien. Unternehmen wie die SBB sollten deshalb gerade jene Orte unterstützen, die bei der Entwicklung noch am Anfang seien.
Thilo Zelt von der deutschen Beratungsfirma Roland Berger stellte den "Smart City Strategie-Index" vor. Eine globale Studie, die Strategien von Städten anhand von 70 Kriterien verglich und anschliessend in einem Ranking einordnete. Mobilität, Energie und Verwaltung stünden hier meist im Zentrum - Gebäude, Bildung und Gesundheit fehlten in vielen Strategien noch. Wien, Chicago und Singapur belegen die Spitzenplätze, sagte Zelt.
Die Schweizerische Post brachte ihr selbstfahrendes Shuttle mit nach Basel. (Source: Netzmedien)
Schweizer Städte seien in der Studie nicht untersucht worden, sie dürften aber ins Mittelfeld fallen, so Zelt. Das Problem hierzulande sei, dass oft Insellösungen gebaut würden. Es fehlten übergreifende Konzepte und Strategien. Wichtig sei etwa, dass eine zentrale Behörde für die Smart-City-Strategie geschaffen werde. "Es gibt noch Luft nach oben", sagte Zelt.
Smartes Bauen in Basel
Die Smart Suisse bot viele Gelegenheiten, um sich über Projekte und Angebote im Smart-City-Umfeld zu informieren und potenzielle Partner kennenzulernen. Zum einen stellten Städte und Unternehmen ihre smarten Lösungen an Ständen vor. Zum anderen konnte das Publikum mit Workshops Einblicke gewinnen.
Philippe Marti, Projektleiter bei den SBB, stellte den von CEO Andreas Meyer erwähnten Bau des Basler Wolf-Areals vor. Die Herausforderung bei der Planung des 160'000 Quadratmeter grossen Geländes mitten in der Stadt besteht unter anderem darin, eine parallele Nutzung als Umschlagsplatz für Güter, Wohngebiet und öffentlichen Raum zu realisieren.
Der Stand der SBB an der Smart Suisse. (Source: Netzmedien)
Mit einem Baubeginn sei frühestens 2024 zu rechnen, sagte Marti. Ein "Smart City Lab" soll vorab eine möglichst effiziente Planung gewährleisten. Die SBB suchten aktuell nach Partnern, die Ideen in die Umsetzung einbringen können - etwa bei der Planung des Nebeneinanders von Bevölkerung und Logistik.
Mobility-as-a-Service
Ein neues Konzept von Mobilität brachte Sampo Hietanen aus Finnland mit an die Smart Suisse. Der Gründer und CEO von MaaS Global stellte seine Vision der zukünftigen Mobilität vor. Der Besitz eines eigenen Autos werde über kurz oder lang obsolet werden. Ein "digitaler Tsunami" komme auf die Autobranche zu, sagte Hietanen.
Sampo Hietanen möchte Mobilität-as-a-Service anbieten. (Source: Netzmedien)
Die Menschen würden Privatverkehr und ÖV in Zukunft je nach Situation und Bedürfnis in einem aus der IT bekannten Abo-Modell beziehen. "Mobility-as-a-Service" (MaaS) nannte Hietanen das. Als Zentrale soll hierzu eine einzige App dienen, wie sie seine Firma mit "Whim" 2016 in Helsinki auf den Markt brachte. Passagiere könnten hiermit verschiedene Transportmittel buchen und bezahlen, was in der finnischen Hauptstadt aus viel Anklang stosse. Ein Start in der Schweiz sei geplant, brauche aber noch Zeit und Partner, sagte Hietanen.
Siemens zeigte an der Smart Suisse unter dem Motto "Das Reisen von Morgen" ein sehr ähnliches Konzept. Mit "SIMobility" biete die deutsche Technologiefirma eine App an, mit der Transportunternehmen ihren Kunden "intermodale" Mobilität bieten könnten, sagte Martin Fehr von Siemens. Dabei handle es sich um einen digitalen Reisebegleiter, in dem sich Fahrzeuge und Zahlungsarten kombinieren liessen.
Martin Fehr von Siemens stellte "SIMobility" vor. (Source: Netzmedien)
In der Schweiz habe Siemens die Lösungen zusammen mit der Südostbahn und dem Touring Club umgesetzt, sagte Fehr. Der Kontakt mit den Kunden bleibe dabei stets beim Betreiber. Auch Check-in-Systeme, bei denen die Passagiere automatisch beim Einstieg ein Ticket erhalten, seien möglich. Denkbar sei auch, dass sich über die App dereinst auch Hotels oder Skilift-Tickets buchen lassen, so Fehr. Was denn passiere, wenn das Smartphone auf der Fahrt den Geist aufgebe, wollte eine Besucherin im Publikum wissen. Dafür tragt gemäss Siemens der Passagier die Verantwortung.
Was die smarte Stadt noch braucht
Elektron aus Au am Zürichsee gab Einblicke in die Entstehung der smarten Strassenlaterne, die das Unternehmen vergangenes Jahr in Wädenswil installierte. CEO Enrico Baumann fasste so noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse der Smart Suisse zusammen.
Elektron-CEO Enrico Baumann zeigte Wege von der smarten Strassenlaterne zur smarten Stadt. (Source: Netzmedien)
Erstens könnten einzelne Lösungen wie die smarte Strassenlaterne erst durch die Vernetzung mit anderen Systemen und Datenbanken einen Merhwert bieten. So könne die Laterne in Zukunft auch als Sendemast, Ladesstation für Elektrofahrzeuge oder Sensor für Umweltdaten dienen.
Zweitens sei der Dialog mit der Bevölkerung und den Städten zentral, was Elektron zu Beginn unterschätzt habe. Erst wenn alle Anspruchsgruppen zusammenarbeiten, werde die Stadtentwicklung smart und breit akzeptiert, sagte Baumann. Allerdings hätten erst wenige Städte ihre Bürger-Partizipation mit der Stadtplanung verknüpft, etwa mit Workshops.
Die Smart City sei ein "Gemeinschaftswerk", sagte Baumann. "Wir stehen in der Schweiz noch ganz am Anfang mit diesem Gedankengut". Das Ziel müsse darin bestehen, Städte nicht mehr zu verwalten, sondern partnerschaftlich zu gestalten.