Alles neu in Hannover

Die neue Cebit und die dunkle Seite der Macht

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Datum neu, Konzept neu. Gestern ist die Cebit in Hannover gestartet. Der erste Tag widmete sich mit Konferenzen den Herausforderungen, dunklen Seiten und offenen Fragen der digitalen Welt. Der Abend gehörte der Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung.

Ginni Rometty, CEO und Präsidentin von IBM, rief Unternehmen dazu auf, Vertrauen in die Digitalisierung zu schaffen. (Source: Netzmedien)
Ginni Rometty, CEO und Präsidentin von IBM, rief Unternehmen dazu auf, Vertrauen in die Digitalisierung zu schaffen. (Source: Netzmedien)

Das ist sie also, die neue Cebit. Später im Jahr als üblich und mit neuem Konzept ist die Digital-Messe am Montag in Hannover gestartet. Der erste Tag stand dabei ganz im Zeichen der Konferenzen - in den Ausstellungs-Hallen und auf dem Festivalgelände wurde noch eifrig gebaut und geschraubt. IT gibt es hier erst ab Dienstag zu sehen, wenn die Cebit 2018 ihre Tore für das Publikum öffnet.

So bot der erste Tag Gelegenheit, sich den aktuellen Themen der Branche in Debatten, Referaten und Gesprächen zu widmen. Der Konferenz-Marathon begann mit einer kritischen Note. Als erster von rund 500 Speakern der Cebit 2018 warnte Virtual-Reality-Pionier und Buchautor Jaron Lanier vor den Geschäftsmodellen der grossen Internet-Firmen.

Für Jaron Lanier ist das Geschäftsmodell von Internet-Firmen brandgefährlich. (Source: Netzmedien)

Die dunkle Seite der IT

Er selbst habe mit IT in den 80er-Jahren noch die Welt zum Besseren verändern wollen, sagte Lanier, der nach eigenem Bekunden keine Social-Media-Profile unterhält. Nun zeigten sich aber immer stärker die dunklen Seiten der Technik. Am digitalen Horizont zögen dunkle Wolken auf. Künstliche Intelligenz (KI) beispielsweise biete viele Wege zum Missbrauch, wenn sie mit schlechten Absichten benutzt werde. Die Frage sei, wie sich dieses Szenario verhindern lasse.

Im Kern gehe es um Macht, sagte Lanier. Wer seine Macht vergrössern wollte, habe lange Zeit zu Gewalt als Mittel gegriffen. Spätestens mit der Erfindung des Buchdrucks habe man aber auch die Technologie zum Machtgewinn genutzt – schliesslich sei das erste massenhaft gedruckte Buch die Bibel gewesen.

Noch wurde in den Hallen fleissig aufgebaut, wie hier am Stand von AVM. (Source: Netzmedien)

Heute biete digitale Technik nie dagewesene Möglichkeiten zur Anhäufung von Macht, die gleichzeitig viel subtiler als bisherige Methoden seien. Menschen würden in ihrem alltäglichen Verhalten überwacht wie nie zuvor. Gleichzeitig liessen sich Medieninhalte und Informationen von Algorithmen steuern um ein bestimmtes Verhalten bei den Menschen auszulösen. Eine ebenso "furchteinflössende wie peinliche" Situation, wie man sie eigentlich nur von Sekten und Diktaturen kenne, sagte Lanier.

Emotionen und Werbung – eine gefährliche Mischung

Lanier ortete zwei Wurzeln des Übels: Menschliche Emotionen und die Gratis-Kultur im Internet. Letztere habe dazu geführt, dass Unternehmen wie Google und Facebook mangels direkter Einnahmequellen auf Werbung und den Verkauf von Daten als Geschäftsmodell setzen mussten. Weil sie dies immer effektiver machen wollten, würden sie ihre Nutzer heute auf Schritt und Tritt verfolgen und zum Kauf bestimmter Produkte bewegen. Für diese Situation sei die Hacker- und Open-Source-Bewegung durchaus mitverantwortlich. Habe sie doch lange propagiert, dass Information frei verfügbar sein müssen.

Gleichzeitig hätten sich im Internet negative Emotionen als weitaus wirksamer herausgestellt als positive. Mit Wut und Paranoia komme man im Internet leider viel weiter, wenn man Verhaltensänderungen bewirken möchte. Das führe zu einem fatalen Kreislauf der Radikalisierung, sagte Lanier und verwies als Beispiele auf den arabischen Frühling und die aktuelle politische Situation in den USA. Zusammen hätten Werbung und Manipulation mittels Emotionen zu Misstrauen und qualitativ fragwürdigen Inhalten im Netz geführt.

Auma Obama, Halbschwester des ehemaligen US-Präsidenten, berichtete von ihren Erfahrungen mit der Digitalisierung in Afrika. (Source: Netzmedien)

Wege zu einem neuen Geschäftsmodell im Internet

Was kann die Menschheit also tun, um die dunklen Seiten der Digitalisierung in den Griff zu bekommen? Jaron Lanier riet zuallererst davon ab, an das gute Gewissen der fraglichen Firmen zu appellieren. Facebook oder Google zu bitten, ihre Macht selbst zu beschränken, erinnere an Untertanen, die ihre Monarchen um Gnade anflehten. Ein Vorgehen, das letztlich nur deren Machtanspruch unterstütze.

Die EU-DSGVO sei ein interessanter Ansatz, sagte Lanier, allerdings werde sich erst noch zeigen, ob die Regulierung ihre Ziele erreichen könne. Eine andere Möglichkeit, die sich aber nur sehr schwer umsetzen liesse, sei die Verstaatlichung. Den grössten Erfolg versprach sich Lanier von der Umstellung von Werbefinanzierung auf das Abo-Modell. Das Beispiel Netflix habe gezeigt, das Nutzer auch im Internet bereit seien, für Dienstleistungen zu bezahlen. Das Resultat sei ein Erfolg – sowohl was das Geschäft wie auch die Qualität der Inhalte anbelange. Fernsehen sei so gut wie nie zuvor.

Von Adel Al-Saleh, CEO von T-Systems, gab es Tipps für die digitale Transformation. (Source: Netzmedien)

Am Ende sei es wichtig, den Internet-Firmen Wege zu einem besseren Geschäftsmodell aufzuzeigen und nicht nur Verbote aufzustellen, schloss Lanier sein Referat ab. Gleichzeitig müssten Menschen und Firmen einsehen, dass man auch ohne Social Media existieren könne. Wichtiger als der schnelle Like seien Vielfalt und eine kritische Haltung. "Der Feind der Zukunft ist Selbstzufriedenheit", sagte Lanier.

Hardware und Geschäftsmodelle für die Zukunft

Mit mehr Optimismus ging es im Referat von Amir Feintuch weiter. Der Senior Vice President und General Manager von Intels Platform Engineering Group zeigte, welche Anforderungen in Zukunft an die IT gestellt werden könnten. Für die massenhafte Verarbeitung von Daten – etwa für Augmented Reality, das Internet der Dinge oder persönliche Assistenten – sei klassische Hardware immer weniger geeignet. Das rufe nach Innovation.

Die Lösung heisst laut Feintuch "Meaningful Compute". Darunter verstehe Intel verschiedene neue IT-Konzepte, beispielsweise auf Machine-Learning zugeschnittene Hardware. Aber auch noch weiter in der Zukunft liegende Ideen verfolge das US-Unternehmen. Feintuch erwähnte die Verwendung von DNA als Speichermedium, Neuromorphic Computing nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns und den Quantencomputer. Vom alltäglichen Einsatz seien solche Technologien allerdings noch mehrere Jahre entfernt.

An einem Podium diskutierten Vertreter von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über den Stand der Digitalisierung in Deutschland. Von links: Stefan Schnorr (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), Gesche Joost (Universität der Künste Berlin), Carsten Knop (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Robert Mayr (Datev), Reimund Neugebauer (Fraunhofer Gesellschaft) und Frank Riemensperger (Accenture). (Source: Netzmedien)

Um den Erfolg in der digitalen Transformation ging es beim Vortrag von Adel Al-Saleh, CEO von T-Systems. Digitalisierung sei heute ein Faktum und Technologie alleine nicht der Grund, warum Unternehmen erfolgreich seien, sagte er. Es sei keineswegs der Erste, der mit einer neuen Technologie am Ende reüssiere. Entscheidend sei, es von allen Firmen im Wettbewerb am besten zu machen – und machen zu wollen.

Al-Saleh gab Tipps, mit denen sich dieses Ziel seiner Ansicht nach umsetzen lasse. Erstens müsse man sich an das hohe Tempo digitaler Innovation gewöhnen und bereit sein, Risiken einzugehen und Fehler zu machen. Zweitens müsse Technologie mit der Absicht eingesetzt werden, neue Geschäftsfelder zu erschliessen, nicht als Selbstzweck. Und drittens müsste stets der Kunde, seine Bedürfnisse, Wünsche und Gewohnheiten im Zentrum des Wandels stehen.

So kannte man die Cebit bis anhin nicht: Start der Welcome Night. (Source: Netzmedien)

Prominenz aus Wirtschaft und Politik

Den Schlusspunkt des ersten Tags der neuen Cebit bildete die sogenannte "Welcome Night". Die Veranstalter unterstrichen damit die neue Ausrichtung der Messe als Festival, das neben Fachdiskussionen, Kundenkontakten und Produktvorstellungen auch Gelegenheit zum Vergnügen geben will. Trotz Tanz und Musik (von Soul-Sängerin Leona Lewis) durften aber auch die Aufritte von Politik und Wirtschaft nicht ganz fehlen.

Begrüsst wurden die Besucher von Stefan Weil, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Cebit auch in der neuen Form das Leit-Event für die Digitalisierung bleibe. Dem schloss sich der Präsident des deutschen IT-Verbands Bitkom, Achim Berg, an. "Wir befinden uns in einer Epoche, in der das Machbare das Denkbare überholt", sagte Berg. Nun gehe es darum, daraus eine Wertschöpfung zu schaffen. Der Bitkom-Chef hoffte, dass die Cebit Geschäfte im Umfang von 10 Milliarden Euro anbahnen könne.

Auch Mariya Gabriel, EU-Kommissarin für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, sowie die beiden deutschen Minister Anja Karliczek (Bildung und Forschung) und Peter Altmaier (Wirtschaft und Energie) traten an der Welcome Night auf und warben für Vertrauen in die digitale Zukunft.

Leona Lewis sorgte für musikalische Unterhaltung. (Source: Netzmedien)

Stargast des Abends war Ginni Rometty, CEO und Präsidentin von IBM. Wir hätten einen kritischen Punkt in der Entwicklung der IT erreicht, wie er nur selten vorkomme, sagte Rometty. Unternehmen könnten dank eines exponentiellen Datenwachstums heute schneller lernen denn je. Doch dies berge auch Gefahren. IBM habe sich deshalb selbst Prinzipien auferlegt, um Transparenz und Vertrauen in der Branche zu stärken. Technologie müsse das Leben der Menschen verbessern, heisst eine davon. KI müsse stets durchschaubar und erklärbar bleiben, lautet eine andere.

Unternehmen und die Gesellschaft hätten die Pflicht, den technologischen Wandel und seine Wirkungen auf die Gesellschaft nachhaltig zu gestalten, sagte Rometty. Da sich die Arbeitswelt massiv verändere, müsse in eine Bildung investiert werden, die allen eine Chance zur Teilhabe biete. Tue man dies nicht und lasse zu, dass Menschen bei der Digitalisierung auf der Strecke bleiben, riskiere man soziale Konflikte, so die IBM-Chefin. Staat und Wirtschaft müssten hier zusammenarbeiten und das Vertrauen in die IT-Branche stärken.

Das Publikum lauscht der Rede von Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie. (Source: Netzmedien)

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