IT-Beschaffungskonferenz in Bern

Wie das neue Beschaffungswesen digitaler und nachhaltiger werden soll

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Die diesjährige IT-Beschaffungskonferenz hat am 29. August in Bern stattgefunden. Den ganzen Tag über konnten die Teilnehmer fünf Planungsreferate besuchen. Zahlreiche Sessions gaben den Besuchern zudem die Möglichkeit, sich in weitere IT- und Beschaffungsthemen zu vertiefen.

Die siebte IT-Beschaffungskonferenz hat über 380 Teilnehmer nach Bern gelockt. (Source: Netzmedien)
Die siebte IT-Beschaffungskonferenz hat über 380 Teilnehmer nach Bern gelockt. (Source: Netzmedien)

An der Universität Bern haben sich Politiker, Beamte und IT-Spezialisten zur IT-Beschaffungskonferenz getroffen. Das Kernthema der Veranstaltung waren die IT-Beschaffungen im Lichte der digitalen Transformation. Thomas Myrach, Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern und Matthias Stürmer, Leiter der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit der Universität Bern, begrüssten die Teilnehmer.

Thomas Myrach, Direktor Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität Bern und Matthias Stürmer, Leiter Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit am Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität Bern. (Source: Netzmedien)

"Billig kommt langfristig nicht immer günstig"

Kathrin Bertschy, Nationalrätin der Grünliberalen Partei und Mitglied der Kommision für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates eröffnete die Konferenz. Sie berichtete über den aktuellen Stand der Gesetzesrevision des BöB und den weiteren politischen Fahrplan.

Kathrin Bertschy, Nationalrätin der Grünliberalen Partei, Kanton Bern. (Source: Netzmedien)

"In Zukunft wird die Nachhaltigkeit stärker berücksichtigt und somit Innovationen, Lebenszykluskosten oder Langlebigkeit von Produkten und Dienstleistungen bei der Vergabe stärker berücksichtigt", sagte Bertschy zur wichtigsten Änderung im neuen BöB. "Das ist auch im Sinne der Steuerzahlenden, welche letztlich die Beschaffungen finanzieren. Weil billig nicht immer günstig kommt."

Klaren Konsens gegenüber der Vorlage habe es im Nationalrat gegeben, dass der Zugang zu den Beschaffungsdokumentationen nicht eingeschränkt werden dürfe. Nachdem Journalisten in den letzten Jahren mehrere Beschaffungsskandale aufgedeckt hätten, wollte der Bundesrat den Zugang zu den Unterlagen erschweren. Der Nationalrat lehnte diese Einschränkung Bertschy zufolge entschieden ab.

Uneinigkeiten würden einerseits noch darin bestehen, wie detailliert der Zweckartikel über die Nachhaltigkeit im Gesetzt ausgeführt werden soll. Andererseits gäbe es noch Anträge der bürgerlichen Parteien, welche Schweizer Unternehmen gegenüber ausländischer Konkurrenz schützen sollen. Die Mehrheit des Nationalrates war sich darüber einig, dass das Preisniveau im Land des Anbieters berücksichtigt werden solle – das dürfte allerdings mit WTO-Verträgen nicht vereinbar sein.

Das Gesetz wird laut Bertschy voraussichtlich in der Herbst- oder Wintersession vor den Ständerat kommen. "Es ist die Rede von einer Inkraftsetzung des neuen Beschaffungsgesetzes im Verlauf des Jahres 2020 oder ab 1.1.2021", sagte die Bernerin am Ende ihres Vortrages. Das sei wahrscheinlich etwas später, als die Schweiz sich wahrscheinlich erhofft hatte.

"Good governance" gegen Korruption

Im zweiten Plenumsreferat betonte Marc Steiner, Richter am Bundesverwaltungsgericht, die Bedeutung der Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen. Transparenz gehöre neben "good governance" zu den Leitprinzipien der Revision des Beschaffungsgesetzes. "Gerade dem Korruptionswesen muss man bei IT-Beschaffungen immer mehr Aufmerksamkeit schenken", sagte Steiner. Sie seien anfällig für unsaubere Vergaben und Missbrauch. Deswegen sei die Glaubwürdigkeit der öffentlichen Hand oberstes Gebot. Die Korruptionsbekämpfung werde neu als Gesetzesziel verankert.

Marc Steiner: "Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ausstandsregelung nach Artikel 13 ist ein Skandal." (Source: Netzmedien)

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ausstandsregelung (Artikel 13) bezeichnet Steiner als "Skandal". Zum Abschluss zeigte Richter Steiner auf, dass das Gesetzesziel nicht mehr nur die Marktöffnung sei, sondern ein Paradigmenwechsel vom Preis- zum Qualitätswettbewerb stattgefunden habe.

"Simap ist ein Fixstern am schweizerischen Beschaffungsfirmament"

Auch die Beschaffungsplattform "Simap.ch" wird digitaler. Thomas Fischer, Vorstandsmitglied von "Simap.ch" und Leiter Beschaffungskonferenz des Kantons Bern stellte das Projekt "Simap2019" vor. Die die neue, modular aufgebaute und Open-Source-basierte e-Procurement-Plattform soll am 1. Mai 2019 live gehen.

Die bisherige Plattform "Simap.ch" ist laut Fischer zwar "ein Fixstern am schweizerischen Beschaffungsfirmament", aber schon etwas in die Jahre gekommen. Der Verein Simap habe sich deswegen mit dem Projekt "Simap2019" zum Ziel gesetzt, ein neues offizielles Publikationsorgan für das öffentliche Beschaffungswesen zu schaffen.

Die Veröffentlichung von "Simap2019" ist gemäss Fischer so geplant, dass sie gleichzeitig mit der Einführung des neuen BöB online gehen soll. "Wir wollen mit den Schritt zum digitalen Beschaffungsprozess machen", sagte Thomas Fischer.

Thomas Fischer, Leiter Beschaffungskonferenz des Kantons Bern. (Source: Netzmedien)

Als neue Features der Plattform zählte Fischer folgende Punkte auf:

  • Der ganze Beschaffungsprozess soll komplett digital über die Plattform durchführbar sein,

  • Einladungsverfahren auf noch unveröffentlichte Publikationen können elektronisch durchgeführt werden,

  • diverse Statistikfunktionen sind implementiert,

  • die Handhabung der Nachweise werde vereinfacht (Nachweismanagement-Funktion),

  • Mini-Tender und elektronische Auktionen sind digital möglich

  • und Schnittstellen erlauben es, Teilprozesse auszulagern.

Der juristische Support für "Simap2019" erfolgt laut Fischer durch die Kantone oder den Bund. Der technische Support liege grösstenteils bei SECO. "Simap2019" wird laut Fischer sowohl das alte als auch das neue Beschaffungsgesetz parallel unterstützen. Als "Applikation von Beschaffungsprofis für Beschaffungsprofis" sei die Plattform jedoch auch herausfordernder als die alte Version. Man müsse gerade zu Beginn noch mit Fehlern und dementsprechend ausgelasteten Hotlines rechnen. Geduld und viel Zeit sei gefordert.

Mehr "Intelligence" im Beschaffungswesen

Matthias Stürmer von der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit an der Universität Bern stellte an der Beschaffungskonferenz eine eigens entwickelte Plattform namens "IntelliProcure" vor. Das Ziel dieser Plattform ist gemäss Stürmer, Simap-Daten zu analysieren, was mehr Wissen, Erfahrungsaustausch, Effizienz und Vernetzung in das öffentliche Beschaffungswesen bringen soll. Gemäss der Forschungsstelle werden auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene jährlich 40 Milliarden Franken für öffentliche Beschaffungen ausgegeben. Die Vergabe hapere jedoch oft an "Intransparenz und Ineffizienz", wie die Forschungsstelle in einer Mitteilung schreibt.

Forscher der Universität Bern analysierten für "IntelliProcure" über 330 Gigabyte an Ausschreibungsmeldungen, -Unterlagen und Zuschläge. Diese Daten sollen Interessierten aufbereitet und verlinkt über die Plattform zur Verfügung gestellt werden.

"Es ist sehr sinnvoll, dass der Simap-Datenschatz gehoben wird, die Daten veredelt und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden", sagt Marcel Hadorn, Rechtsanwalt und Teamleiter beim Kompetenzzentrum Beschaffungswesen des Bundes.

IntelliProcure richtet sich laut Angaben der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit an Beschaffungsstellen, Anbieter und Organisationen wie Beratungsunternehmen, Anwaltskanzleien oder Architekturbüros. Die Nutzung der Plattform ist kostenpflichtig – die Beträge liegen zwischen 200 bis 800 Franken pro Jahr und richten sich nach der Organisationsgrösse.

Die IT-Beschaffungskonferenz richtet sich an Beschaffende, Anbietende, Beraterinnen und Juristen, die im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens tätig sind. Die Konferenz wird durch die Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit der Universität Bern, das Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB, die Schweizerische Informatikkonferenz SIK, swissICT und CH Open veranstaltet.

Auf der Website der IT-Beschaffungskonferenz sind Details zum Programm, Fotos, Videos und Präsentationen zu finden.

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DPF8_104749