Die Kritik am Social-Shopping-Angebot Amigos hält an
Sind die "Bringer" des Migros-Onlineshops Amigos selbstständig oder Angestellte der Migros? Vor einem möglichen nationalen Rollout steht der Detailhandels-Riese vor vielen offenen Fragen und muss sich der Kritik stellen.
Das Konzept klingt simpel: Wer sich bei Amigos registriert, kann für andere Nutzer Einkäufe, welche diese online in Auftrag geben, erledigen und herhält dafür knapp 8 Franken für einen Einkaufssack (und 2 Franken für jeden weiteren). "Social Shopping" nennt Migros das Einkaufserlebnis, bei welchem vor allem auch die zwischenmenschliche Begegnung im Zentrum stehen soll.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Ähnlich wie beim Fahrdienst Uber drängen sich schnell einmal Fragen auf, wenn Privatpersonen in ihrer Freizeit bezahlten Tätigkeiten nachgehen.
Kritisierte die Unia Amigos im März schon, weil die Entlöhnung zu tief sei (Werbewoche.ch berichtete), kommt nun die Frage nach der Versicherung der "Bringer" auf den Tisch. Aus Sicht der Migros ist der Fall klar: Da nur zwischen Bringer und Besteller ein Vertrag zustande kommt, ist die Versicherung Sache der Bringer, die einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen.
Wie die "Sonntagszeitung" in ihrer aktuellen Ausgabe schreibt, ist der Fall aber bei weiten nicht so klar. Wolle sich nämlich ein Amigos-Selbstständiger bei der AHV-Ausgleichskasse anmelden, stosse dies auf Widerstand. Wie eine Sprecherin der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich gegenüber der Zeitung erklärt, arbeiteten Kurierdienste grundsätzlich nicht selbstständig – und als solchen verstehe man Amigos inhaltlich aufgrund der Beschreibung im Internet. Aus Sicht der Sozialversicherung wäre also eigentlich die Migros Arbeitgeber der Amigos-Bringer und müsste die AHV-Beiträge abrechnen.
Diese Einschätzung teilt auch Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Uni Zürich. Es spreche viel dafür, dass die Amigos keiner selbstständigen Tätigkeit nachgingen, denn ihnen fehlten die Freiheiten, die Selbstständige normalerweise hätten: "Die Lieferanten können weder den Preis noch andere Konditionen der Dienstleistung selber festlegen."
Der orangene Riese scheint mittlerweile selbst nicht mehr restlos überzeugt davon zu sein, dass das unkompliziert angedachte, auf Taschengeld und Freundschaftsdienst beruhende Konzept allen rechtlichen und sozialen Bedenken standhält. Noch wird Amigos erst in Bern und Zürich getestet. Ob bald auch die restliche Schweiz in Genuss des Social-Shoppings kommt, will man in Kürze entscheiden. Im Falle eines nationalen Rollouts will man allerdings über die Bücher und "das rechtliche Konstrukt nochmals überarbeiten", wie eine Sprecherin zur Sonntagszeitung sagt. Dabei wolle man Themen wie soziale Absicherung und eine höhere Entschädigung "gebührend berücksichtigen". Es scheint also, als habe sich die Migros die kritischen Einwände durchaus zu Herzen genommen.
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