Chaos Computer Club: E-Voting ist ein Hochrisikoprojekt
Der Bundesrat will E-Voting als dritten Stimmkanal einführen und dafür das Bundesgesetz über die politischen Rechte revidieren. Der Plan sei gefährlich, warnt nun der Chaos Computer Club Schweiz. Auch andere digitalaffine Gruppen äussern Kritik.
Die elektronische Stimmabgabe ist in der Schweiz seit 2004 in einer Versuchsphase. Bund und Kantone äusserten 2017 die Absicht, E-Voting als ordentliches Verfahren der Stimmabgabe anerkennen zu lassen. 2018 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte (BPR), wie Sie hier nachlesen können. Jetzt sind mehrere Stellungnahmen dazu verfügbar, etwa von der Digitalen Gesellschaft und dem Chaos Computer Club Schweiz.
"E-Voting ist ein Hochrisikoprojekt", schreibt der Chaos Computer Club Schweiz (CCC-CH) in einem 16-seitigen PDF. Der CCC-CH lehnt die Etablierung von E-Voting als ordentlichen dritten Stimmkanal resolut ab. Er kritisiert den Revisionsentwurf des BPR in seiner Mitteilung scharf und bringt unter anderem folgende Punkte an:
Der CCC-CH fordert die Streichung der Möglichkeit, die Stimme elektronisch abzugeben. Der E-Voting-Abstimmungskanal sei unsicher und inhärent intransparent.
Die Schweiz setze für ihre E-Voting-Systeme auf unsichere Endgeräte und vornehmlich fremdkontrollierte Netzwerkinfrastrukturen. Die Basistechnologien seien so nicht beherrschbar.
Zwei vom CCC-CH demonstrierte Angriffsszenarien seien bis heute ungelöst. Das unsichere System aus Genf komme trotzdem weiterhin zum Einsatz.
E-Voting habe ein Vertrauensproblem, dass auch die Blockchain- und andere P2P-Systeme nicht lösen könne. Eine Aufklärung von Manipulationen sei nicht möglich.
Zentralisierte E-Voting-Systeme seien nicht so robust wie das analoge System der Papierwahl und könnten die Glaubwürdigkeit der Schweizer Abstimmungsdemokratie gezielt schwächen.
Die geplante Revision des BPR stelle die Kontrolle und Nachzählbarkeit von Abstimmungen und Wahlen nicht sicher.
E-Voting spiele Akteuren in die Hand, die Abstimmungen und Wahlen zu fälschen trachten, weil es erstmals möglich sei, das skalierend und schweizweit zu realisieren.
"Nicht mehr demokratisch"
Auch die gemeinnützige Organisation Digitale Gesellschaft, die sich für Menschen- und Konsumentenrechte im Web einsetzt, fordert einen Verzicht auf die Revision. Die technische Umsetzung des Entscheidungsverfahrens müsse für alle Bürger verständlich bleiben, sonst sei das Verfahren nicht mehr demokratisch, steht in der Stellungnahme auf digitale-gesellschaft.ch.
Der Bund soll E-Voting sofort stoppen und erst wieder einführen, wenn die bewährten Anforderungen an die handschriftliche Stimmabgabe erfüllt sind. "Dazu gehört unter anderem, dass sich die Stimmberechtigten ohne besondere Sachkenntnis davon überzeugen können, dass ein E-Voting-System sicher ist und ihr Vertrauen verdient", schreibt Erik Schönenberger, Informatiker und Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft.
Die Post hat ihr E-Voting-System im März einem Sicherheitstest unterzogen. Wie er ausging, erfahren Sie hier.
Piraten nicht zur Vernehmlassung eingeladen
Auch die Piratenpartei äussert sich zur geplanten Überführung der elektronischen Stimmabgabe in den ordentlichen Betrieb. Sie nervt sich darüber, dass sie nicht offiziell zur Teilnahme an der Vernehmlassung eingeladen wurde.
Viele Argumente, die die Piratenpartei gegen E-Voting anführt, sind deckungsgleich mit denen des CCC-CHs. E-Voting, wie es die Bundeskanzlei im Versuchsbetrieb bewillige, müsse eingestellt und entsprechende Verordnungen aufgehoben werden. "Die Geschichte des Schweizer E-Votings zeigt exemplarisch, dass eine sichere, vertrauenswürdige und nachvollziehbare elektronische Stimmabgabe heute immer noch eine Illusion ist", schreibt die Partei.
Forderung nach Moratorium
Der Verein Grundrechte.ch lehnt die vorgeschlagene Gesetzesänderung ebenfalls ab. "Sofern der Bundesrat an der Möglichkeit einer elektronischen Stimmabgabe festhalten will, muss künftig die volle Verantwortung für alle Systeme zwingend beim Bund und bei den Kantonen liegen", schreibt Viktor Györffy, Präsident von grundrechte.ch. "Wie die Stimmabgabe an der Urne, ist auch die elektronische Stimmabgabe ein hoheitlicher Prozess und darf auf keinen Fall an private Dritte ausgelagert werden."
Der Verein verlangt, dass die vorliegende Gesetzesvorlage zurückgezogen und der Forderung nach einem Moratorium entsprochen wird. Die Gesetzgebungsarbeit soll erst starten, wenn gewährleistet sei, dass mindestens die gleiche Sicherheit gegen Manipulationshandlungen wie bei der handschriftlichen Stimmabgabe garantiert werden könne, unter absoluter Kostentransparenz.