Daten sind kein Erdöl!
Es gibt Metaphern, die zwar grundfalsch sind, aber so eingängig, dass sie jeder völlig gedankenlos nachbetet. "Daten sind das Erdöl des 21. Jahrhunderts" – so hört und liest man es seit Jahren. Aber auch durch endlose Wiederholungen wird diese Metapher nicht richtiger. Höchste Zeit, sie endgültig zu entsorgen.
Daten sind kein Erdöl. Sie sind auch kein Gold, Getreide oder sonst irgend ein materieller Rohstoff. Daten sind eine immaterielle Ressource. Eine ihrer wichtigsten Eigenschaften besteht darin, dass sie sich mit geringstem Aufwand beliebig oft kopieren und fast ohne Zeitverzug über weite Strecken transportieren lassen. Ein Liter Erdöl kann nur von einem einzigen Verbraucher an einem Ort, zu einem Zeitpunkt und zu einem einzigen Zweck verwendet werden. Und anschliessend ist das Erdöl aufgebraucht.
Daten hingegen können dank Kopien von beliebig vielen Anwendern ohne Verlust geteilt und ohne Schaden gleichzeitig genutzt werden. Und anschliessend sind die Daten nicht weg, sondern sie stehen quasi unverbraucht für weitere Anwendungen zur Verfügung.
Die entscheidende Frage der Datenwirtschaft
An der Entstehung von Daten sind oft mehrere Unternehmen und Personen beteiligt, die einen legitimen Anspruch auf die Nutzung dieser Daten geltend machen können. So berechtigt etwa die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) unter der Bezeichnung "Datenübertragbarkeit" alle EU-Bürger, von einem datenverantwortlichen Unternehmen eine maschinenlesbare Kopie ihrer Daten zu verlangen und diese Daten an ein anderes Unternehmen zu übertragen (Artikel 20, DSGVO, Recht auf Datenübertragbarkeit). Diese Gesetzgebung zeigt exemplarisch, dass die entscheidenden Fragen in der Datenwirtschaft darin bestehen, wie und von wem Daten geteilt, übertragen und verwendet werden können.
Die Metapher von den Daten als Erdöl führt das Gegenüber in die Irre. Falls Daten eine materielle Ressource sind, dann kann man sie nur besitzen und nicht teilen. Wer sie besitzt, der geniesst ein exklusives Nutzungsrecht, und wer sie nicht besitzt, geht leer aus – ein Nullsummenspiel. Es ist eine Tatsache, dass sich zahlreiche Unternehmen und Institutionen genau so verhalten, als wären Daten ihr exklusiver Besitz. Ihr grösstes Anliegen besteht folgerichtig darin, andere Unternehmen und Personen von der Nutzung dieser Daten auszuschliessen. Damit verhindern sie neue und wertschöpfende Anwendungen.
Was es für eine erfolgreiche Datenökonomie braucht
Bedeutet das nun, dass alle Daten offen und allen zugänglich sein sollen? Keineswegs. Es gibt sehr gute Gründe, den Zugang und die Nutzbarkeit bestimmter Daten für Dritte einzuschränken oder sogar ganz auszuschliessen. Der Schutz der Privatsphäre oder die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sind zwei Beispiele.
Was eine erfolgreiche Datenökonomie daher braucht, sind verbindliche Zugangs- und Nutzungsvereinbarungen zwischen den Datenberechtigten, die wertschöpfende und faire Anwendungen ermöglichen. Dadurch können alle davon profitieren, dass Daten eben kein Erdöl sind, sondern eine teilbare Ressource mit beinahe unbeschränkten Nutzungsmöglichkeiten.