Digitalisierung ist "Everybody's Darling"
Die parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit hat ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. Im idyllischen Erlacherhof in Bern stiessen Vertreter aus Politik und Wirtschaft auf dieses Jubiläum an. Die Redner am Event fanden viele lobende Worte zur Digitalisierung in der Schweiz - zeigten jedoch auch offene Baustellen auf.
"Es gibt 156 parlamentarische Gruppen in der Schweiz. Die wichtigste ist Parldigi", hat Co-Präsidentin Edith Graf-Litscher in ihrer Begrüssungsrede gesagt. Zusammen mit ihrem Präsidiumskollegen Franz Grüter begrüsste sie die Gäste aus Politik und Wirtschaft am 19. Juni zum Jubiläumsanlass "10 Jahre Parldigi". Er fand statt im Berner Erlacherhof, dem Sitz des Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried, der an diesem Abend den Apéro eröffnete.
Die Zukunft werde noch einiges von Parldigi abverlangen, sagte Graf-Litscher. Die Parlamentarische Gruppe für Digitale Nachhaltigkeit sei jedoch gut aufgestellt, um für eine erfolgreiche digitale Zukunft in der Schweiz beizutragen. Grüter lobte die breite Abstützung der Gruppe, praktisch das gesamte Parteienspektrum sei vertreten. Weiter hob er die thematische Breite von Parldigi hervor. Digitalisierung betreffe die gesamte Bevölkerung, weshalb sich Parldigi als ein Bindeglied zwischen Politik und Gesellschaft verstehe.
Informatikprojekte als politischer Schleudersitz
Zu Gast an der Veranstaltung war auch Bundespräsident Ueli Maurer. Zu Beginn seiner Ansprache hob er die Relevanz von Digitalisierung in seinem politischen Schaffen hervor. Er verstehe digitale Themen als seinen "politischen Schleudersitz". Die Öffentlichkeit verfolge Informatikprojekte des Bundes stets sehr aufmerksam und rücken ihn stets ins Schaufenster.
Maurer sprach von Licht und Schatten in der Digitalpolitik des Bundes. Wirtschaftlich gesehen habe die Schweiz einen sehr guten Brand, bei modernen Technologien sei das Land sehr gut aufgestellt. Viele weltweit führende Start-ups bemühen sich um einen Firmensitz hier, was auch auf die gute Gesetzgebung zurückzuführen sei. Ein Problem sieht Maurer jedoch im Übergang aus der Start-up-Phase heraus. Beim Thema Finanzierung seien die hiesigen Banken oft zurückhaltend. Maurer wünscht sich ein verändertes Risikobewusstsein, damit mehr Investitionen geschehen und die innovativen Unternehmen so auch in der Schweiz bleiben. Politik, Banken und die Branche müssen hier gemeinsam eine Lösung finden.
Weiteren Nachholbedarf sieht Maurer im Kontingent von Drittstaaten-Leuten. Dieses liege momentan bei 8500 und sei schon sehr früh im Jahr aufgebraucht. Wenn die Schweiz ihre internationale Spitzenposition halten wolle, sei sie auf Spezialisten aus Drittstaaten angewiesen.
Der grösste Kritikpunkt von Maurer besteht im Fehlen eines gemeinsamen Verständnisses, was Digitalisierung überhaupt ist. Er bezeichnet sie als "Everybody's Darling". Alle seien enthusiastisch und motiviert, etwas zu tun. Ohne eine gemeinsame Standards komme jedoch wenig Konkretes zustande. Was es brauche, sei eine gemeinsame Unternehmensarchitektur - auch wenn das in einem föderalistischen System schon beinahe nach einem Schimpfwort klinge.
Jacqueline Fehr, Regierungsrätin Zürich, SP (Source: Netzmedien)
Transparenz durch Open Government Data
Nach dem Bundespräsidenten begab sich die Zürcher Regierungsrätin Jacquelin Fehr ans Mikrofon. Sie widmete ihre Rede dem Thema Open Government Data. Teilhabe und Partizipation seien politische Zauberwörter der Gegenwart, offene Daten können hierbei einen wichtigen Beitrag leisten.
Ein zentrales Gut in freiheitlichen Staaten sei Vertrauen, sagte Fehr. Vertrauen sei die Voraussetzung dafür, dass sich Bürger auch an Regeln halten, auch wenn gerade kein Aufpasser neben ihnen steht. Diesem Vertrauen gelte es sorge zu tragen, und zwar "indem wir tun, was wir sagen und indem wir sagen, was wir tun". So stelle der Staat Transparenz her. Ohne Transparenz, gebe es kein Vertrauen, und ohne Vertrauen, gebe es keine einheitliche Staatsform.
Offene Behördendaten sind gemäss Fehr ein entscheidender Aspekt zur Herstellung von ebendieser Transparenz. Daten gelte es deshalb nicht zu monopolisieren, sondern der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dies schaffe Vertrauen in Institutionen und die Arbeit von Politikern.
Andreas Meyer, CEO SBB (Source: Netzmedien)
"Digitalisierung soll der Lebensqualität dienen"
Als Vertreter aus der Wirtschaft begab sich SBB-CEO Andreas Meyer ans Rednerpult. Er sprach über das Potenzial von Digitalisierung und über die Frage, wie entsprechende Projekte anzupacken sind. In dem Zusammenhang geht es Meyer jedoch nicht bloss um technische Aspekte.
Bei Digitalisierung gehe es darum, "aus weniger mehr zu machen". Sie soll der Lebensqualität dienen, für Nachhaltigkeit sorgen und die Wettbewerbsfähigkeit fördern. In der Schweiz sei es jedoch sehr schwierig, über drei Staatsebenen hinweg das volle Potenzial von neuen Technologien auszuschöpfen. Meyer meint, dass Digitalisierung deshalb in allen Departementen stattzufinden hat und und die horizontalen Kräfte weiter zu stärken sind.
Die Realisierung von digitalen Projekten sei ebenfalls stets ein Knackpunkt. Dazu brauche es konkrete, gemeinsame Vorhaben - nur an der Governance zu arbeiten nütze nichts. Echte Zusammenarbeit und die Bereitschaft, Kräfte zu delegieren, sei ebenfalls wichtig. Meyer wisse aus erster Hand, dass eine Führungskraft alleine eine grosse Cybercommunity nicht fachgerecht führen kann. Gerade auf Führungsebene brauche es deshalb Reformen. Die Geschwindigkeit, mit der Projekte mittlerweile ablaufen, erlaube es einem einzelnen gar nicht mehr, alle Dossiers stets selbst mitzugestalten.