KI in der Verwaltung: Chancen und Herausforderungen
Die beinahe unbegrenzten Anwendungsmöglichkeiten der künstlichen Intelligenz (KI) zählen zu den vielversprechendsten Entwicklungen der Digitalisierung. Sie hat als Grundlagentechnologie das Potenzial, nebst sämtlichen Wirtschaftsbereichen auch die Verwaltung auf allen Ebenen zu verändern.
Die Bundesverwaltung sieht im Bereich künstliche Intelligenz (KI) grosse Möglichkeiten. Eine "Interdepartementale Arbeitsgruppe künstliche Intelligenz" klärt zurzeit im Auftrag des Bundesrates die Chancen und Herausforderungen für den Einsatz von KI ab.
Während die mathematischen Grundlagen der KI bereits vor Jahrzehnten entwickelt wurden, haben erst die Verfügbarkeit von enormen Datenmengen und die enorme Leistungsentwicklung von Computern die sinnvolle und marktfähige Nutzung von Daten mittels KI ermöglicht. Die Entwicklung ist rasant und das Potenzial gross, sei es bei Anwendungen der Echtzeitüberwachung von Maschinen und Prozessen, der Cybersicherheit oder der medizinischen Forschung.
Mögliche Anwendungsbereiche in der Verwaltung
Auch in den Verwaltungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden können Prozesse durch KI entlastet, die Kundenorientierung sowie die Servicequalität verbessert und die Wirtschaftlichkeit weiter erhöht werden. Dank KI wird es möglich, Daten, die früher nicht maschinell verarbeitet werden konnten, künftig schnell, effizient und rund um die Uhr zu verarbeiten ("Machine Learning" als Kernelement der KI). Dadurch werden qualitativ bessere sowie raschere Entscheidungen ermöglicht. Wichtig: Entscheidungsträger bleibt der Mensch, seine Entscheidungen werden aber durch KI-Prozesse unterstützt und dadurch verbessert. Generell eignen sich folgende fünf Themenfelder besonders für den Einsatz KI-basierter Anwendungen:
Bild- und Videoerkennung: Automatische Auswertung von Bild- und Videodaten, beispielsweise beim Zoll (Scanning von LKWs) oder bei Militär und Zivilschutz (z. B. Personensuche nach Unfall).
Texterkennung: Automatische Auswertung von Texten (z. B. für Rechnungen an den Bund); Digitalisierung von Archiven, inklusive der Erstellung der für die Indexierung nötigen Metadaten oder auch für automatisierte Beantwortung von "Standardanfragen".
Übersetzung: Automatische Übersetzungshilfen für gesprochene Sprache in Echtzeit sowie für alle Dokumente. Dies ist speziell für ein mehrsprachiges Land von hohem Nutzen (massive Kosteneinsparung).
Tondokumente: Automatische Auswertung von Tonaufnahmen (z. B. Befragungen bei Einreise, tonbasierte Sitzungsprotokolle oder Digitalisierung von Tonarchiven).
Kundeninteraktion (Chatbots und Points-of-Contact): Hier fliessen Bild-, Ton- und Texterkennung zusammen, es gibt viele potenzielle Anwendungsbeispiele, wie etwa die Bearbeitung von Fragen zu Abrechnungen, Parkgebühren, Öffnungszeiten oder Veranstaltungen.
Herausforderungen und Handlungsbedarf
KI ist eine junge Forschungsrichtung mit wenig Erfahrungswerten und teilweise unbekannten Fehlerquoten. Verwaltungsaktivitäten hingegen erlauben nur eine sehr geringe Fehlertoleranz. Daher müssen Test-Labs eingerichtet werden, um Erfahrungen zu sammeln. Wir sind heute kaum so weit, abschliessende Empfehlungen bezüglich algorithmischer beziehungsweise automatischer Entscheidungsprozesse zu machen. Diese werden sich erst aus den Fragestellungen konkreter Projekte ergeben. Folgender Handlungsbedarf ist denn auch identifiziert:
Gemeinsame Datengrundlagen
Durch eine gemeinsame Datengrundlage der Verwaltung ergeben sich mehr Anwendungsmöglichkeiten für KI. Grosse Datenmengen sind erforderlich, damit KI-Systeme angewendet werden können. Man muss die Datenqualität kennen, damit man die Resultate von darüber eingesetzter KI einschätzen kann. Gleichzeitig muss der Datenaustausch zwischen den drei Staatsebenen und innerhalb der rund 80 Verwaltungseinheiten der Bundesverwaltung geregelt werden und einfach möglich sein. Der Datenfluss muss verbessert werden, soll mittels KI das gesamte Potenzial ausgenutzt werden können. Durch die Verknüpfung bisher getrennter Datenbestände ergeben sich ganz neue Anwendungsfelder des KI-Einsatzes.Kompetenznetzwerk KI
Durch ein mögliches gemeinsames Kompetenznetzwerk für die gesamte Bundesverwaltung liessen sich Doppelspurigkeiten vermeiden. Wissen und Erfahrungen könnten aktiv und international ausgetauscht werden. Ein Kompetenznetzwerk würde eine umfassende Prüfung der technischen, prozessualen, ethischen, rechtlichen und organisatorischen Fragen bezüglich KI erlauben.Kommunikation
Durch das Aufzeigen der Chancen der KI werden Ängste der Mitarbeitenden abgebaut. In der Summe werden mit KI wohl mehr Jobs neu geschaffen als verloren gehen. Der einschneidende Kulturwandel muss von Anfang an aktiv begleitet und richtig kommuniziert werden. Die Mitarbeitenden müssen wissen, dass auch künftig die Entscheidungskompetenz beim Menschen liegt und die Maschine nicht autonom ist.Gesetzliche Grundlagen, Datenschutz und Datensicherheit
Gerade im Bereich von Personendaten oder Daten, die mit Personen in Verbindung gebracht werden können, ist besondere Umsicht geboten. Missbrauchspotenzial muss identifiziert und Missbrauch verhindert werden. Auch ist beim Einsatz von KI bei Überwachungsmassnahmen die demokratische Legitimation und Kontrolle zu prüfen. Die Fähigkeit von KI-Systemen, zunehmend autonom zu handeln, stellt den bestehenden rechtlichen Rahmen auf die Probe. Der Bund ist im Zuge der Prüfung der bestehenden Regelungen zum Schluss gekommen, dass diese aufgrund des aktuellen Stands der Technologie derzeit genügen.
Fazit
Zweifelsfrei wird KI künftig viele Bereiche der Gesellschaft und der Verwaltung prägen. Dabei stellen sich vielfältige Herausforderungen. Die Chancen müssen genutzt werden, ohne dabei die potenziellen Gefahren ausser Acht zu lassen. KI kann zu einer massiven Entlastung der Verwaltung auf allen Staatsebenen beitragen und die Kundenorientierung und die Servicequalität verbessern.
Obwohl automatisierte Entscheidungsprozesse schnellere, effizientere und bessere Dienstleistungen versprechen, bleibt der Mensch auch künftig der letzte Entscheidungsträger.
Ein internationaler Vergleich zeigt: Viele andere Industrieländer arbeiten an KI-Strategien. Sie sind zum Teil schon deutlich weiter in der Formulierung und konkreten Umsetzung als die Schweiz. KI in der Bundesverwaltung ist unumgänglich und muss ermöglicht werden.
Bereits bestehende Aktivitäten
Aktuell liegen noch keine funktionsfähigen Anwendungen in der Bundesverwaltung vor, die operativ breit genutzt werden, da sie sich erst in der Phase Studie oder Prototyp befinden. Dazu einige konkrete Beispiele:
Zoll
Das Projekt «Data Analytics» im Programm DaziT trägt zur Modernisierung und Digitalisierung der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) bei und soll mithelfen sicherzustellen, dass die EZV künftig für die gezielte Nutzung von Datenanalysen optimal aufgestellt ist. Ein konkretes Anwendungsbeispiel hierzu ist die Risikoanalyse von Warentransporten, die heute manuell gemacht, künftig aber automatisiert und deshalb viel schneller ablaufen wird. Dies führt zu gezielteren Kontrollen und beschleunigt den Grenzübertritt der «sauberen» LKWs. Ebenfalls im Programm DaziT wird eine Chatbot-Lösung evaluiert, um damit das Zollpersonal von einfachen Routineanfragen zugunsten wichtiger Kernaufgaben zu entlasten.
Migration
Im Staatssekretariat für Migration (SEM) läuft ein Pilotversuch einer arbeitsmarktoptimierten Kantonsverteilung von Asylsuchenden mittels «Machine Learning». Die Chancen der Erwerbsintegration sollen durch eine «intelligente» Zuteilung optimiert werden, ohne dabei den bestehenden rechtlichen Rahmen der Kantonsverteilung zu verändern. Der Algorithmus, der dem Versuch zugrunde liegt, wurde u. a. von der ETH Zürich entwickelt.
Statistik
Bei der «Arealstatistik Deep Learning» (ADELE) des Bundesamtes für Statistik (BFS) wird durch den Einsatz von KI die Luftbildinterpretation teilweise automatisiert, um Veränderungen zu identifizieren und zu klassifizieren.
Auch die Kantone arbeiten an der Implementierung von KI-Anwendungen, so setzt die Luzerner Polizei eine KI-Lösung für Videoauswertungen bei Straftaten ein. Mehrere Kantone prüfen den Einsatz von Chatbot-Lösungen zur Benutzerunterstützung (St. Gallen, Freiburg, Luzern).