"Benutzer" hat mit Nutzung zu tun
Bei der Entwicklung von interaktiven Produkten scheint es logisch, die Bedürfnisse der Benutzer zumindest zu kennen und soweit wie möglich zu berücksichtigen. Der Trend zu einem immer schneller werdenden Entwicklungszyklus, der "schnell am Markt" höher wertet als eine überlegte und bedachte Entwicklung, führt aber dazu, dass die Bedürfnisse der Benutzer letztlich häufig nicht im Zentrum der Überlegungen stehen. Was ist nun wichtiger?
Grundsätzlich ist die Antwort natürlich, das Eine zu tun und das Andere nicht zu lassen. Aber wie kann das erreicht werden?
User Experience und User-centered Design sind heute bekannte Konzepte, die wohl die meisten Firmen unterschreiben würden. Die Umsetzung in konkreten Entwicklungsprojekten ist jedoch eine andere Geschichte. Die Verbindung agiler Methoden mit den Grundsätzen des User-centered Design (z.B. gemäss der Norm ISO 9241-210) ist eine Herausforderung – wie kann Reflexion und getaktetes, schnelles (agiles) Vorgehen miteinander vereinbart werden?
Um ein erfolgreiches Produkt entwickeln zu können, müssen zu Beginn folgende Punkte geklärt werden: Wer sind die Zielbenutzer, was sollen die Benutzer mit dem Produkt erreichen können und in welchem Kontext wird das Produkt angewendet? Dabei ist der Rückgriff auf (quantitative) Marktforschungsdaten trügerisch: Quantitative Analysen liefern keine Antwort auf das Wie und Warum der Benutzung. Wenn Daten zum Benutzerverhalten und zu Benutzerwünschen gesammelt werden sollen, führt kein Weg an qualitativen Methoden vorbei. Benutzerbeobachtungen in der tatsächlichen Anwendungssituation, die Diskussion mit Benutzern über ihre Wünsche und Anforderungen liefern die beste Grundlage zur Entwicklung wirklich guter Produkte. Als Vorlauf zu einem Projekt sind solche Methoden gut in agile Entwicklungsprozesse integrierbar. "Digitalisierung um jeden Preis" ist zusätzlich eine Falle, die so vermieden werden kann: Die Orientierung auf tatsächliche Probleme, Wünsche und Anforderungen der Benutzer bewirkt eine Fokussierung auf die wichtigen Themen und Probleme. Es werden so nur die Prozesse und Aktivitäten digital unterstützt oder angeboten, die auch wirklich Sinn ergeben.
Schnell zum Ergebnis durch iteratives Vorgehen
Aus der Analyse ist es möglich, Produkte aus Benutzersicht konzeptionell zu erarbeiten. Durch ein iteratives Vorgehen kann eine Grundlage für die technische Entwicklung gelegt werden. Dieses beginnt mit einfachen, nicht funktionalen Prototypen, die in regelmässigen Abständen mittels Benutzertests geprüft werden können und müssen. Sowohl die Funktionalität wie auch die Bedienung müssen den Benutzeranforderungen genügen. Dieses Vorgehen ist auch im Einklang mit agilen Schritten wie beispielsweise "Sprints". So wird das als Software erstellt, was Sinn ergibt und benutzbar ist. Sinnvoll ist auch, die wichtigste Funktionalität im Sinne eines Minimum Viable Product zuerst zu erstellen und zu realisieren, was der Forderung "schnell am Markt" entgegenkommt.
Der Nutzer im Zentrum
Der Ansatz ist für die Entwicklung aller Produkte geeignet. Bei Apps ist der Markt allerdings noch erbarmungsloser als bei anderen Produkten: Herunterladen und Installieren bilden zusätzliche Hürden. Genutzt wird eine App nur, wenn sie einen echten Mehrwert bringt. Mixed Reality als attraktive und innovative Möglichkeit, Apps zusätzlichen Nutzen zu geben, ist ein gutes Beispiel, wo der Ansatz zentral ist. Der richtige, auf den Kundennutzen ausgerichtete Einsatz der Technologie ist entscheidend für deren Erfolg. Erste Anwendungen zeigen bereits das Potenzial auf, die meisten sind jedoch noch auf experimentellem Niveau, und genügen den Anforderungen für eine gute User Experience noch nicht. Um die Benutzer nicht mit schlechten Umsetzungen abzuschrecken, ist der Einsatz des User-centered Design essenziell.