Partner-Post Digitalisierung ist Chefsache

"Wir glauben sehr stark an die Kraft von Plattformen und Marktplätzen"

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Karin Oertli ist seit Februar 2018 COO von UBS Schweiz. Im Interview spricht sie darüber, wie es bei der Grossbank in der Schweiz um die Digitalisierung steht und wie neue Technologien und Player den Schweizer Finanzplatz beeinflussen.

Karin Oertli, Chief Operating Officer of Personal & Corporate Banking and Region Switzerland, UBS Schweiz
Karin Oertli, Chief Operating Officer of Personal & Corporate Banking and Region Switzerland, UBS Schweiz

Sie arbeiten seit 1992 in der Finanzbranche. Welche Entwicklungen sind Ihnen in Erinnerung geblieben und warum?

Karin Oertli: Die Finanzbranche heute lässt sich nicht mehr mit damals vergleichen, als ich 1992 bei der ehemaligen Schweizerischen Bankgesellschaft als Trainee angefangen habe. Seither durchlebten Wirtschaft und Finanzbranche Grossereignisse. Die einschneidendsten dürften wohl das Platzen der Dotcom-Blase ab 2000 und die Finanzkrise ab 2007 gewesen sein. Diese führten unter anderem auch dazu, dass sich die Regulierung in unserer Branche massiv verschärft hat. Auch haben sich die technologischen Entwicklungen der vergangenen bald 30 Jahre komplett verändert, wie wir heute arbeiten und kommunizieren. Damals hatten wir noch Schreibmaschinen, Rohrpost, Telex, Teletex und erst später einen ( ! ) Computer pro Grossraumbüro. Alle Prozesse basierten auf Papier. Später kam das Internet dazu, das wir zu Beginn aber noch gar nicht nutzten. Ganz anders heute : Wir sind global vernetzt, arbeiten mit Laptops, Tablets und kommunizieren via Smartphone, Skype oder E-Mail. Die fortlaufende Digitalisierung hat aber nicht nur die Kommunikationswege verkürzt, sondern auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, massiv vereinfacht und beschleunigt. Im Jahr 2000 bekam ich mein erstes Blackberry; seither ist mein Büro in Form meines Smartphones immer bei mir. Ich war seit 2000 nie mehr wirklich offline. 

Sie sind seit Februar 2018 COO von UBS Schweiz. Welche digitalen Projekte stehen für Sie im Fokus?

Wir haben mit E² (Efficiency and Effectivness) ein Programm ins Leben gerufen mit dem Ziel, unsere Geschäftsprozesse ausgehend von der Kundenschnittstelle über die ganze Verarbeitungskette hinweg konsequent zu digitalisieren und ohne Medienbrüche abzubilden. Papier verliert bei UBS damit weiter an Bedeutung. Unsere Vision ist das Digital Office. Kunden haben aber nach wie vor die Wahl, ob sie auf Papier verzichten möchten oder nicht. In Zusammenarbeit mit dem Konzern läuft zurzeit ein Pilot, in dem wir unsere interne Post komplett elektronisch, angereichert mit Metainformationen verteilen. So kann die Post effizienter be- und verarbeitet werden. Wir leisten damit auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und sparen, quasi en passant, Kosten ein.

Welchen Einfluss hat denn UBS Digital Office auf die Kundenerfahrung?

Auch an der Kundenschnittstelle wollen wir digitaler werden, und dafür braucht es smarte digitale Prozesse im Hintergrund. Stellen Sie sich vor, wie ein Kunde bisher mit UBS in Kontakt trat: Alles war bereits sehr digital, bis er in die Bank kam. Von da an waren wir oft noch traditionell unterwegs, es wurde ausgedruckt, unterschrieben, gestempelt, abgelegt. An der Kundenschnittstelle sind wir mit dem Programm «Client Experience (CX)» daran, das Kundenerlebnis sowohl im Self-Service als auch in der Geschäftsstelle auf das nächste digitale Level zu bringen. Das Projekt umfasst damit insbesondere Themen wie etwa die fortlaufende Erneuerung von Mobile Banking und E-Banking oder die weitere Modularisierung unseres Angebotes. Im Oktober kam zum Beispiel gerade ein grosses Update unserer Mobile-Banking-App auf den Markt. In diesem Bereich ist es wichtig, den Ton anzugeben. Im Firmenkundengeschäft widmen wir uns mit dem 2019 lancierten digitalen Angebot « UBS Start Business » Gründern und Jungunternehmen, wo diese in einem 'One-Stop-Shop' die für den Start ihres Geschäfts zentrale Dienstleistungen und Produkte beziehen können – alles online und unkompliziert. Wir wollen digital führend sein in der Schweiz und sowohl neuen als auch alten Mitbewerbern eine Nasenlänge voraus sein.  

Wir digitalisieren konsequent unsere Geschäftsprozesse, ausgehend vom Kunden über die gesamte Verarbeitungskette hinweg.

Wo steht die UBS bei der Digitalisierung?

Mit «CX», «E2» und weiteren Projekten und Initiativen haben wir in puncto Digitalisierung schon gut vorgelegt – aber die Zeit steht nicht still. Wir arbeiten derzeit an einer neuen Digitalstrategie, die unsere bisherige fortführt und erweitert. Darin versuchen wir etwa zu antizipieren, wie Technologie die Welt und das Banking bis ins Jahr 2030 weiter verändern wird. Auf Basis dieser Strategie definieren wir dann, welche neuen Angebote wir in den nächsten Jahren bringen und in welche Technologien wir investieren werden. Hier werden sicher Themen wie digital gestützte Beratung oder digitale Assistenten dabei sein, aber auch spannende Bereiche, die sich derzeit schnell entwickeln wie etwa Plattformangebote.

Smartphone-Banken drängen auf den Markt, Facebook lanciert ein eigenes Bezahlsystem, und Blockchain ist in aller Munde. Was bedeutet dies für UBS Schweiz?

Wichtig ist es zu verstehen, dass die meisten neuen Player im Bereich der Smartphone-Banken, FinTechs oder im Krypto-Umfeld nur einen Teil der Wertschöpfungskette abdecken. Universalbanken wie die UBS Schweiz haben jedoch schon immer die gesamte Wertschöpfungskette bedient. Für uns wird es daher wichtig sein, unseren Platz in dieser Wertschöpfungskette zu behaupten, wenn Angebote zusehends digital werden. 
Für Blockchain als Technologie sehe ich durchaus Potenzial, kurzfristig vor allem in Bereichen wie der Handelsfinanzierung oder Prozessoptimierung. Unsere Firmenkunden in der Schweiz haben zum Beispiel seit Kurzem Zugang zu we.trade, einer digitalen Plattform, bei der die Geschäftspartner durch den gesamten Prozess geführt werden – von der Transaktionsvereinbarung bis hin zur Zahlung. Ich glaube aber nicht, dass Banken dadurch an Bedeutung verlieren werden. Das Vertrauen der Kunden ist oft eng mit einer Institution, einem Finanzplatz und der damit einhergehenden Sicherheit verbunden. Wichtig sind klare rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen für die Anwendungen auf Basis der neuen Technologie.

Wie gestaltet UBS in der Schweiz die Digitalisierung in der Finanzbranche mit?

Wir glauben sehr stark an die Kraft von Plattformen und Marktplätzen. Bestehende Geschäftsmodelle in der Finanzindustrie werden um Plattformen ergänzt; das zeigen internationale Vergleiche sowie nationale Trends. Deshalb wollen wir mit unserem neuen Geschäftsfeld «Digital Platforms & Marketplaces» unsere Rolle als führende Universalbank der Schweiz stärken. Plattformen und Marktplätze rund um das Hypothekargeschäft sind etwa vorteilhaft für Kreditnehmer und Kreditgeber. Hier wollen wir weiterhin den Ton angeben. Mit UBS Atrium haben wir bereits erfolgreich eine innovative Plattform zur Finanzierung von Renditeliegenschaften lanciert. Auf UBS Atrium finden Besitzer von Renditeliegenschaften, die eine Hypothekarfinanzierung suchen, und institutionelle Schweizer Investoren zusammen. Seit ihrer Lancierung vor zweieinhalb Jahren konnten wir bereits Kredite von mehr als 1,3 Milliarden Franken über UBS Atrium vermitteln. Darüber hinaus werden wir unser Angebot nun auch mit einer Plattform mit Hypotheken für selbstgenutztes Wohneigentum erweitern. Dort werden sowohl UBS als auch ausgewählte Schweizer Drittinvestoren Finanzierungen von Wohneigentum an Privatkunden anbieten können. Mittelfristig wollen wir über diese Plattform ein Vermittlungsvolumen von fünf bis zehn Milliarden Franken in Hypotheken erreichen.

Warum glauben Sie, dass UBS mit einer solchen Plattform erfolgreich sein kann?

Plattformen brauchen Vertrauen von allen Beteiligten sowie eine erstklassige Infrastruktur, um erfolgreich zu sein – UBS ist hier bestens positioniert. Als führende Universalbank der Schweiz möchte UBS im Hypothekarbereich die Zukunft entscheidend mitprägen. Das Potenzial in der Schweiz ist gross, denn hierzulande stehen wir im Vergleich zu Deutschland oder Grossbritannien erst am Anfang dieser Entwicklung. In Deutschland werden jährlich rund 40 Prozent aller Hypothekargeschäfte über Vermittlungsplattformen abgewickelt, in Grossbritannien sind es einer McKinsey-Studie zufolge gar rund 70 Prozent.

Wie sehen Sie die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz? Welche Veränderungen stehen mittel- und langfristig ins Haus?

Wir haben Mifid ( EU-Finanzmarktrichtlinie, Anm. d. Red.) und die EU-DSGVO ( europäische Datenschutzgrundverordnung, Anm. d. Red.) implementiert, jetzt arbeiten wir daran, Fidleg ( Finanzdienstleistungsgesetz, Anm. d. Red.) und das in Überarbeitung befindliche Schweizer Datenschutzgesetz umzusetzen – als global tätige Bank mit internationalen Kunden sind wir dazu verpflichtet, all diese Regulierungen einzuhalten. «The cost of doing business» wird auch künftig nicht abnehmen. Darum ist es für mich wichtig, dass wir nach wie vor eine Regulierung haben, die es uns ermöglicht, ohne allzu grosse Einschränkungen zu operieren. Wir haben alle unsere Lektion aus der Finanzkrise gelernt. Daher ist es nachvollziehbar, dass der Regulator engere Rahmenbedingungen gesetzt hat. Trotzdem müssen die Rahmenbedingungen derart ausgestaltet sein, dass sie den Finanzplatz Schweiz stärken, und so der hiesige Finanzplatz auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt. 
Was die technologische Entwicklung betrifft: Die Schweiz ist da gut gerüstet, wir haben einen Regulator, der die Entwicklung hin zu digitalen Technologien unterstützt. Wir haben eine sehr aktive FinTech-Szene, und haben mit den Universitäten und ETHs auch Institutionen, die Top-Talente anziehen und hervorbringen. Ausserdem haben wir ein liberales Arbeitsmarkt-Umfeld. All diese Faktoren erhöhen die Standortqualität. Das Schweizer Banking hat auch nach wie vor einen guten Ruf im Ausland, weshalb wir bislang keine Probleme haben, talentierte Mitarbeitende zu finden. Diese Kombination aus Innovation, regulatorischen Rahmenbedingungen und dem Verständnis für Trends muss auch in Zukunft beibehalten werden, um mit den kommenden Veränderungen mithalten zu können.
 

Digital Mindset

Auf einer Skala von 0 bis 10: 

8 | Wie digital fit sind Sie?
7 | Wie digital fit ist Ihr Unternehmen?
9 | Wie sehr werden neue Technologien (wie Blockchain, AI, Machine Learning, AR / VR) die Branche verändern?
9 | Wie sehr möchten Sie als Opinion Leader in diese neuen Technologien für die Zukunft investieren?

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Vision 2050

Wie sieht das Banking im Jahre 2050 aus? Warum spielt Ihr Unternehmen dann noch eine Rolle?
Einfaches Banking läuft rein digital, unsichtbar im Hintergrund – denken Sie an Zahlungen. Die wichtigste Rolle der UBS ist es aber weiterhin, Menschen und Firmen bei komplexen Themen rund um Finanzieren und Investieren zu beraten – digital und persönlich.

Warum ist Ihr Unternehmen spannend für die Generationen Y und Z?
Geld ist etwas sehr Persönliches. Da zählt ein stabiler, vertrauenswürdiger Partner, der einen in allen Belangen berät. Nur die Art, wie man mit dem Partner kommuniziert oder Dienstleistungen bezieht, mag sich ändern und erfolgt bei jüngeren Kunden – aber nicht nur bei ihnen – vermehrt digital.