Andreas Spiess im Porträt

Ein Tech-Tüftler erobert Youtube

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Manch einer kennt ihn von Youtube: Andreas Spiess. Rund um den Globus sehen Follower seine Videos. Jeden Sonntag versorgt er seine Community mit Tipps und Tricks zur Konstruktion technischer Devices.

Andreas Spiess in seinem Lab (Source: Netzmedien)
Andreas Spiess in seinem Lab (Source: Netzmedien)

Andreas Spiess ist ein 62-jähriger Consultant und Youtuber mit weltweit über 100 000 Subscribern. Er lebt mit seiner Familie in der 5000-Seelen-Gemeinde Lausen (BL). Er führt eine 1-Mann-Firma: Arumba. 2015 startete er das Projekt Youtube.

Angefangen hat Spiess mit Youtube, weil er wissen wollte, wie es geht. Er wollte hinter die So­cial-Media-Kulissen blicken, wie er sagt. So setzte er sich ein Budget von 1000 Franken mit dem Ziel, 1000 Follower zu gewinnen. Nach einem halben Jahr hatte er sein selbst gestecktes Ziel erreicht – und Spass an der Sache gefunden. "Ja, es macht süchtig", sagt er. Wenn er wie jeden Sonntagmorgen um 9 Uhr ein Video hochlade, erhalte er bis um 12 Uhr so viele Komplimente, wie in seiner ganzen Karriere nicht. Er geniesse die Interaktion mit den Viewern.

Die Grenzen zwischen Arbeit und Youtube sind fliessend

Bei Spiess’ Videos handelt es sich meist um Tech-Tutorials von etwa 15-minütiger Dauer. Doch auch "Geschichten" gebe es, in denen er zeige, was nicht funktioniert habe. Seine Follower sind vorwiegend männlich und Mitte 20 bis Ende 40. Sie leben in den USA, Indien, Australien und Europa – einige auch in der Schweiz. Von den Einnahmen, die Youtube abwirft, könne er nicht leben, doch das Projekt werde langsam selbsttragend, die Materialkosten könne er mittlerweile decken. Aber er werde nicht reich dabei und fände das auch nicht erstrebenswert, sagt Spiess. Die Grenzen zwischen Arbeit und Youtube seien fliessend.

"Video is king"

Auf Youtube gebe es extrem kleine Communitys, weil jeder sich sein Fernsehprogramm selbst auswählen könne. "Wenn einer meinen Channel schaut, hat er wohl die gleichen Interessen wie ich. Lernen und Verstehen ist mein Hobby. Und das teile ich mit der Community." Das ganze menschliche Know-how sei mittlerweile auf Youtube. Es gebe für alles ein Tutorial. "Video is king", sagt Spiess. Die Leute wollten nicht mehr lesen, lieber schauen.

Viele Firmen versuchten krampfhaft, über Youtube Kunden oder Mitarbeiter zu rekrutieren, aber sie hätten oft keine Strategie. Hier komme Arumba ins Spiel.

Influencing und Advertising sind zwei komplett verschiedene Paar Schuhe

Arumba helfe, ein Konzept zu erstellen. Wie generiert man Aufmerksamkeit, wer ist das Zielpublikum? Zu diesen Themen biete Spiess Workshops an. "Ich kenne die Corporate-Welt und ich kenne Youtube, das ist der grosse Vorteil. Ich habe das technische Verständnis und weiss, wie eine Firma funktioniert." Zum Beispiel sei es wichtig, die Mitarbeiter zu schulen, wie mit Linkedin & Co. umzugehen sei.

Influencing sei etwas ganz anderes als Advertising. "Wem glauben Sie mehr: Ihrem Freund oder einem Hochglanzmagazin? Influencing geht ins Unterbewusstsein und von dort ins Bewusstsein. Vertrauen ist das Allerwichtigste." Deswegen preise er in seinen Videos auch nichts an, was er nicht selbst gut finde. "Die Leute sehen, welche Geräte ich verwende. Darüber brauche ich nicht auch noch zu sprechen. Die Tutorials sollen Teil des Erfahrungsschatzes der Viewer werden."

Tech-Trends der neuen Welt

Zwei grosse technologische Trends sieht Spiess in "Netzwerkfirmen" und Standardisierung. Netzwerkfirmen wie Google oder Alibaba seien ganz oben in der Nahrungskette. Sie verbinden Marktteilnehmer zu Netzwerken und es gibt keine klare Unterscheidung von Kunden und Lieferanten mehr. Beispielsweise bezahle der Konsument der Information, der nach klassischem Verständnis der Kunde sei, kein Geld für die Dienstleistung, die er beziehe.

Früher sei der Wert von Firmen linear gestiegen: Je mehr Kunden desto mehr Umsatz und Gewinn. Der Wert von Netzwerkfirmen wachse aber exponentiell, weil sie Verbindungen schaffen. Ohne den zweiten grossen Trend, die Standardisierung, gehe sowieso gerade gar nichts. Das Internet oder die weltweite Logistik wurde erst durch die Standardisierung möglich. Das Smarthome als schlechtes Beispiel hätte sich noch nicht durchgesetzt, weil es nicht standardisiert sei. "Wenn es 100 Devices gibt, die nicht kompatibel sind, funktioniert es nicht". Ein weiterer Trend, der sich seit längerem abzeichne und in das oben genannte hineinspiele, seien die "Gratis-Geschichten". "Immer weniger Leute sind bereit, für einen Service Geld auszugeben. In der alten Welt hätte man noch für Google Maps bezahlt, heute zahlt keiner mehr Geld dafür".

"Technologie auf der Suche nach einem Problem"

Blockchain ist nach Spiess’ Meinung eine Randerscheinung, die wenige Probleme löst. "Technologie auf der Suche nach einem Problem". Mit einfachen Datenbanken könne man oft ebenso gut arbeiten. Die Technologie hinter der Blockchain, nämlich die der Konsensfindungsalgorithmen, sei aber interessant. "Die wird überleben – auch ohne Blockchain".

Ein weiteres Feld, an dem er Zweifel über die generelle Anwendbarkeit habe, sei das der Künstlichen Intelligenz (KI). "Was man heutzutage mit KI macht ist die Erkennung von Mustern, nichts anderes. Aber ist das Intelligenz? Wenn man mit Vertretern dieses Lagers spricht, merkt man, dass sie immer skeptischer werden, je besser sie sich auskennen. Cause und Effect können bei reiner Mustererkennung ausserdem gut verwechselt werden. Es reicht nicht, den Zusammenhang herzustellen. Er muss richtig interpretiert werden".

Leute die wireless streamen, obwohl es auch mit Kabel ginge, sind bireweich

Die Kritik an 5G hält Spiess im Moment für dummes Geschwätz. Insbesondere die gesundheitlichen Bedenken, die damit verbunden sind. "Die Frequenzen und die Grenzwerte sind genau die gleichen wie von 4G. Das wird der Körper nicht merken". Wenn später höhere Frequenzen dazu kommen, müsse man hingegen genau hinschauen. Er sehe aber auch wenig Nutzen von 5G für den Endbenutzer. In einem ganz engen Anwendungsfeld werden dank kürzerer Latenzzeit zwar neue Anwendungsfelder erschlossen, für die breite Anwendung sei 5G hauptsächlich für die Kapazitätserweiterung nötig.

"Das Problem der Strahlenbelastung sind die Leute, die Videos streamen. Ohne sie könnten wir die Hälfte aller Antennen abschalten. Wer etwas drahtlos überträgt, obwohl es auch mit Kabel ginge, ist bireweich. Aus meiner Sicht müsste man die monatlichen Datenübertragung limitieren, und das Problem der Strahlenbelastung wäre gelöst. Der Root Cause für mehr Strahlenbelastung ist Video auf dem Handy, nicht die Antenne und nicht 5G".

Was ist smart?

Und trotzdem: Die heutige IT-Welt ist für Spiess ein Schlaraffenland. Alles sei möglich. Den Leuten fehle es lediglich an Fantasie, etwas wirklich Tolles zu machen. Bunte Beleuchtung zu Hause ist aus seiner Sicht nichts Weltbewegendes. Wie nützlich das ist, und ob die Leute dann glücklicher sind, weiss er nicht. Aber es brauche eine Unmenge an Ressourcen. Es wäre wohl klüger, die Ressourcen in Solaranlagen zu stecken. Wenn es darum ginge, die Effizienz zu steigern, Foodwaste zu verhindern etc., könne das Internet der Dinge (IoT) tatsächlich nützlich sein.

Was smart sei und was nicht, ist, um es in Spiess’ Worten auszudrücken, "eine weitere Sau, die durchs Dorf getrieben wird". Er als Ingenieur unterscheide nicht zwischen smart und nicht smart, sondern zwischen nützlich und unnütz.

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