Apple und Google veröffentlichen Software für Corona-Warn-Apps
Die "Exposure Notification"-Technologie hält per Update auf iPhones und Android-Handys Einzug. Gefordert sind nun die nationalen Gesundheitsbehörden.
Ab sofort steht Gesundheitsbehörden weltweit die "Exposure Notification"-Software von Apple und Google zur Verfügung. Für iPhones (iOS) und Android-Geräte. Entsprechende Updates sind am Mittwochabend veröffentlicht worden. In den letzten Wochen hatten Beta-Tests stattgefunden.
Apple und Google betonen, dass sie keine eigene App veröffentlichen, sondern dass es den Entwicklern ermöglicht werde, effektivere Softwarelösungen zu entwickeln. Konkret geht es darum, dass Bluetooth-basierte Proximity-Tracing-Apps plattformübergreifend funktionieren, und dass der Akku der Mobilgeräte möglichst wenig beansprucht wird.
"Ab heute liegt die Technologie in den Händen der Gesundheitsbehörden auf der ganzen Welt. Sie übernehmen die Führung und wir werden ihre Bemühungen weiterhin unterstützen", sagen Apple und Google.
Für iPhone-User wird die sogenannte "Exposure Notification"-Technologie mit iOS 13.5 eingeführt. Nach dem iOS-Update finden iPhone-User in den Einstellungen den Menüpunkt "COVID-19-Kontaktprotokoll". Für Android-User kommt sie über eine Aktualisierung der Google-Play-Dienste.
In einer Telefonkonferenz, an der Watson am Mittwoch teilnehmen konnte, erklärten Vertreter von Apple und Google die Hintergründe der aussergewöhnlichen Kooperation und die Neuerungen, die die Software betreffen.
Die heute veröffentlichte Programmierschnittstelle (API) sei das Ergebnis des Feedbacks, das das gemeinsame Projektteam in den letzten fünf Wochen in Hunderten Gesprächen mit Gesundheitsbehörden, NGOs, Akademikern, Regierungsleuten und Datenschutzexperten in den USA und Dutzenden von Ländern auf fünf Kontinenten erhalten habe.
Konkrete Neuerungen sind:
Die API ermögliche es den Gesundheitsbehörden, zu definieren, was ein "Expositionsereignis" sei. Das heisse, sie könnten gewisse Parameter wie die zeitliche Dauer eines "Kontakts" und die Bluetooth-Signalstärke festlegen, um das Risiko einer Infektion zu berechnen.
Die API ermögliche es den Gesundheitsbehörden, die Anzahl der "Expositionsereignisse" zu bestimmen, die eine Person (in den letzten 14 Tagen) gehabt hat.
Die API ermögliche es den Gesundheitsbehörden, das Übertragungsrisiko von Covid-19-Fällen bei der Definition eines Expositionsereignisses zu berücksichtigen.
Die Benutzer sollen freiwillig über die App Daten eingeben können, die es den Gesundheitsbehörden ermöglichen, mit exponierten Benutzern in Kontakt zu treten. Dies ist fakulativ und muss nicht unbedingt umgesetzt werden.
Die Apple- und Google-Vertreter betonen: "Was wir entwickelt haben, ist keine App – vielmehr werden die Gesundheitsbehörden die API in ihre eigenen Apps integrieren, die die Menschen installieren. Unsere Technologie ist so konzipiert, dass diese Apps besser funktionieren."
API ist die Abkürzung für Application Programming Interface. Gemeint sind damit in die mobilen Betriebssysteme iOS und Android integrierte Funktionen, die das zuverlässige Funktionieren von Corona-Warn-Apps gewährleisten sollen. Wobei dies für Bluetooth-basierte Proximity-Tracing-Apps mit dezentraler Datenspeicherung (auf den Geräten) gilt.
Bis heute hätten 22 Länder auf fünf Kontinenten Zugang zur API beantragt und erhalten, weitere sollen voraussichtlich in den kommenden Wochen folgen, wie es heisst.
Welche Vorgaben machen Apple und Google?
An die folgenden Prinzipien müssen sich die Entwickler der nationalen Corona-Warn-Apps halten:
Apps müssen von oder für eine staatliche Gesundheitsbehörde erstellt werden und dürfen nur für die COVID-19-Bekämpfung verwendet werden.
Apps müssen die Zustimmung der Benutzer einholen, bevor sie die Apple-Google-Software nutzen können.
Apps müssen die Einwilligung der User haben, bevor sie ein positives Covid-19-Testergebnis und die mit den jeweiligen Mobilgeräten verbundenen Daten ("Schlüssel") an die Gesundheitsbehörde weitergeben können.
Apps sollen nur die erforderliche Mindestmenge an Daten erfassen – Stichwort Datenminimierung – und können diese Daten nur für die COVID-19-Bekämpfung verwenden. Jede andere Verwendung von Benutzerdaten, einschliesslich zielgerichteter Werbung, sei nicht zulässig.
Apps ist es untersagt, eine Erlaubnis für den Zugriff auf Standortdaten (Location Services) einzuholen.
Die Nutzung der API wird auf eine App pro Land beschränkt, «um eine hohe Benutzerakzeptanz zu fördern und eine Fragmentierung zu vermeiden». In Ländern, wo es mehrere regionale Apps gibt, wie zum Beispiel den USA, signalisieren die Techkonzerne Entgegenkommen.
Die Apple- und Google-Vertreter betonen: "Die Akzeptanz durch die Benutzer ist der Schlüssel zum Erfolg, und wir glauben, dass diese strengen Datenschutzbestimmungen auch der beste Weg sind, um die Verwendung dieser Apps zu fördern."
Wie reagiert der Bund?
Seitens Bundesamt für Gesundheit (BAG) liegt eine erste Reaktion vor. "Wir begrüssen die allgemeine Verfügbarkeit der Exposure Notification API, welche die Basis für die SwissCovid-App darstellt. Sobald die abschliessenden Tests an der EPFL und der ETH Zürich abgeschlossen sind, werden wir gemäss der Verordnung des Bundesrates vom 13. Mai 2020 mit dem Piloten der App beginnen", sagt Sang-Il Kim, Direktor für digitale Transformation beim BAG.
Die Schweizer Corona-Warn-App wird bekanntlich vom Konsortium DP-3T entwickelt, unter Leitung der Eidgenössisch-Technischen Hochschulen Lausanne (EPFL) und Zürich. Das Team steht seit Wochen in intensivem Austausch mit Apple und Google und hat sich auch aktiv an der Verbesserung der entsprechenden Schnittstellen beteiligt.
Am 20. Mai hat der Bundesrat die Botschaft zur dringlichen Änderung des Epidemiengesetzes veröffentlicht, die es für die Lancierung der App braucht. Die App wird darin als "SwissCovid" bezeichnet – offenbar der offizielle Name, wie der Epidemiologe Marcel Salathé via Twitter bestätigte.
Laut Bundesrat werden die App-Entwicklungskosten "auf einmalig 1,65 Millionen Franken geschätzt und die bis im Ende Juni 2022 anfallenden Betriebskosten auf rund 1,2 Millionen Franken pro 12 Monaten Betriebsdauer."