So beschleunigt die Coronakrise die Digitalisierung in der Finanzbranche
In einem Diskussionspapier zeigt die Schweizer Bankiervereinigung auf, wie die Coronakrise die Digitalisierung in der Finanzindustrie beschleunigt. Zu den Trends gehören etwa vermehrtes Homeoffice der Angestellten oder wachsendes Bedürfnis nach E-Banking seitens der Kunden. Künftig seien nicht nur die Banken gefordert, sondern auch der Bund.
Die Schweizer Finanzbranche habe ihre Rolle während der Coronakrise "zuverlässig wahrgenommen und durch das KMU-Kreditprogramm die Wirtschaft schnell und pragmatisch mit Liquidität versorgt". Dies sagt die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) in einem kürzlich publizierten Diskussionspapier unter dem Titel "Wie beschleunigt die Corona-Krise die Digitalisierung?". Die hiesigen Banken hätten demnach ihre Fähigkeit bewiesen, schnell und flexibel ihre Strukturen und Abläufe in den Krisenmodus umzuschalten. Sie hätten Kunden telefonisch, online und am Schalter betreut, während sie ihren Mitarbeitern "das sichere Arbeiten von Zuhause aus" ermöglichten. Ohne Investitionen in entsprechende Fähigkeiten und Infrastrukturen wäre dies nicht möglich gewesen.
Noch liessen sich die strukturellen Folgen der Coronakrise nicht abschliessend beurteilen, heisst es im Diskussionspapier weiter. Die SBVg geht aber davon aus, dass auch zukünftig Bankenmitarbeiter im Homeoffice arbeiten und Kunden ihre Dienstleistungen digital beziehen werden. Es sei nun die zentrale Aufgabe des Bundes, entsprechende Rahmenbedingungen für digitale Geschäftsmodelle zu schaffen. Dazu gehört namentlich die Einführung einer staatlich verifizierten elektronischen Identität oder die Anpassung von Formvorschriften an digitale Kanäle.
Die momentanen Entwicklungen fasst die Bankiervereinigung in diesen sechs Trends zusammen:
Immer schneller und breiter gestalten Banken ihre Prozesse ohne Medienbrüche digital. Voraussetzungen dafür seien aber "der Verzicht auf digital untaugliche Formvorschriften, die vermehrte Anwendung der qualifizierten elektronischen Signatur (QES) und eine staatlich anerkannte elektronische Identität (E-ID)". Zudem müssten alle Akteure mit diesen Mitteln vertraut sein.
Zunehmend fragen Kunden nach Finanzprodukten und -dienstleistungen über digitale Kanäle. Banken müssen ihre Kunden über verschiedene Kanäle betreuen, und dabei eine "Gratwanderung zwischen Agilität und Stabilität" meistern, die gemeinsam mit den Kunden unternommen wird und auf deren Vertrauen aufbaue.
Der Zahlungsverkehr wird diverser und Vielschichtiger. "Traditionelle, etablierte Zahlungsmittel wie Bargeld werden mittels innovativer Technologien durch alternative Zahlungsarten und -kanäle (kontaktlos, P2P, mobil, online) graduell ergänzt."
Die Tendenz zu Homeoffice oder "Smart-Working" dürfte sich verstärken. Während Corona habe sich gezeigt, "dass sowohl die betriebliche Effizienz wie auch die Resilienz durch die Ermöglichung von Homeoffice gesteigert werden können".
In eine sichere und digitale Infrastruktur wird zunehmend investiert, da sich die Digitalisierung der Wirtschaft zunehmend beschleunige. Diese Investitionen seien unabdingbare Voraussetzung für die Sicherstellung der wirtschaftlichen Standortattraktivität der Schweiz.
Auch staatliche Stellen werden ihre "Bestrebungen zur durchgängigen E-Fähigkeit weiter verstärken" – aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit und der Krisen-Resilienz. Um die Standortbedingungen in der Schweiz weiter zu verbessern, sei das Land gefordert, die entsprechende Umstellung rasch umzusetzen.
Die Schweizer Banken waren auf die abrupte Umstellung aufs Homeoffice gut vorbereitet, wie SBVg-CEO Jörg Gasser im Interview sagt. Es habe aber auch Schwierigkeiten gegeben: "Viele Banken haben sogenannte Legacy-Systeme. Diese so anzupassen, dass sie zukunftsfähig sind, ist eine grosse Herausforderung."
Für traditionelle Banken habe die Digitalisierung einiges verkompliziert, sagt Ruedi Maeder, Chefredaktor der Informationsplattform "MoneyToday.ch". Im Interview sagt er, warum das so ist und welchen Banken er ein gutes Zeugnis ausstellt.